Zum Scheitern verurteilt?

Der Klimagipfel von Durban

Kein gutes Omen für den Klimagipfel. Die Schuldenkrise und die sich verhärtenden Fronten im amerikanischen Vorwahlkampf haben das Thema Klimawandel von der politischen Agenda verdrängt. Im südafrikanischen Durban wollten die Staats- und Regierungschefs der Welt eigentlich über eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls beraten, das Ende 2012 ausläuft. Ein Ausblick auf den Gipfel: Roland Detsch im Gespräch mit Sven Harmeling, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Lobbyorganisation für ökologische Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.

Von Klimaschutz und den Grenzen des Wachstums ist im Moment keine Rede mehr. Zuletzt standen sie Anfang Juli bei Beratungen in Berlin auf der Agenda, wo Angela Merkel als „Klimakanzlerin“ auftrat und ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll forderte. Umweltminister Röttgen schien dagegen schon vorzubauen und meldete Zweifel an einem großen Durchbruch in Durban an. Welchen Platz nimmt aktuell der Klimagipfel auf den Tagesordnungen der Regierungen ein, und um welche Ziele wird es gehen?

Es ist schon offensichtlich, dass im Moment die kurzfristige Krise – nämlich die Finanz- und Schuldenkrise – einen großen Teil der politischen Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dies darf natürlich nicht dazu führen, dass wir alle sehenden Auges weiter in die Klima- und Energiekrise rennen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass in Deutschland trotz Finanzkrise nun ernsthaft und unumkehrbar die Energiewende eingeleitet wurde, an deren Gelingen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mitarbeiten müssen, damit sie nicht als gescheitertes Experiment in die Geschichte eingeht. Dies wäre für den internationalen Klimaschutz fatal.

In Durban geht es zum einen um die Konkretisierung von Beschlüssen des letztjährigen Klimagipfels in Cancún, so zum Beispiel um den Green Climate Fund oder um andere Institutionen in den Bereichen Anpassung an die Klimafolgen und Technologie. Doch die größere Baustelle ist, das Klimaregime auf eine breitere Basis zu stellen, die den heutigen Gegebenheiten besser Rechnung trägt. Eine zweite Verpflichtungsperiode für Kyoto – hier spielt die EU eine Schlüsselrolle – ist ein zentrales Element, würde aber nur bei gleichzeitigen Verbesserungen des Protokolls und umfangreicherer Verpflichtungen der USA und Schwellenländer einen wirklichen Klima-Effekt haben. Gleichzeitig muss die Grundlage für höhere Klimaschutzambition gelegt werden, denn das Zeitfenster dafür wird immer kleiner.

In Berlin wurde es ja schon als Erfolg gewertet, dass der Umweltsünder Eins, USA, überhaupt hochrangig vertreten war. Inzwischen ist dort der Vorwahlkampf entbrannt und saubere Energie ein „schmutziges Wort geworden", wie man hört. Nur keine zusätzlichen Bürden für die Wirtschaft in Zeiten der drohenden Rezession lautet dort das Motto. Angesichts von Umfragen, wonach über die Hälfte der Amerikaner die Erderwärmung bezweifelt und sogar Präsidentschaftskandidaten die Klimaveränderung leugnen, sieht die EU-Klimakommissarin Connie Heidegard für Durban schwarz. Zurecht?

Die USA sind in der Tat derzeit ein großes Problem. Hoffnungen auf eine Klimawende unter Obama haben sich nicht erfüllt, die allgemeine politische Polarisierung im Land zeigt sich beim Klimathema in besonders scharfer Weise. Auf der anderen Seite werden auch die Stimmen immer lauter, die nur in der ökologisch-ökonomischen Erneuerung, beispielsweise im Energiesektor, eine Chance sehen, sich gegen den ökonomischen und politischen Verfall zu stemmen. In gewisser Weise herrscht gerade ein klimapolitischer Kulturkampf. Aus einigen Bundesstaaten hat es in den letzten Monaten auch positive Signale gegeben. Bedeutende Zusagen auf internationalem Parkett sind allenfalls dann zu erwarten, wenn die Schwellenländer noch größere Schritte machen. Eine Frage ist daher aber auch, inwieweit man sich durch eine Koalition der progressiven Staaten gemeinsam stärkt und nicht auf die Nachzügler wartet, ohne sie allerdings auszuschließen.

Die Frage ist, ob die USA nicht vorbeugend ein Stück weit zum Sündenbock für eigenes Unvermögen gemacht werden. Denn welche Ziele sind angesichts der aktuellen finanziellen Engpässe denn für die Europäer überhaupt realistisch? 

Der Paradigmenwechsel, dass Klimaschutz ein Motor für eine ökologisch-ökonomische Erneuerung Europas sein kann, ist eingeleitet, hat sich aber noch nicht überall durchgesetzt. Nur so ist zu klären, dass immer wieder die Frage gestellt wird, ob Europa sich mehr klimapolitische Ambition leisten kann. Die Frage ist doch, ob es sich die Mutlosigkeit leisten kann, sich von möglichen Verlierern einer solchen Modernisierung bremsen zu lassen und sich weiter in starker Abhängigkeit von Energieimporten zu bewegen. Es geht auch viel mehr um die Umlenkung von Investitionen, um dynamische Energieeffizienzstandards und den Ausbau der Erneuerbaren Energien als nur darum, dass die Regierungen viel Geld in die Hand nehmen müssten.

Gut. Und wenn alle Stricke reißen, gibt es ja noch billigere Alternativen. Das Bundesforschungsministerium hat jüngst ein interdisziplinäres Gutachten zu Chancen und Risiken einer Reparatur des Klimawandels durch Climate Engeneering vorgestellt. Klingt nach kindlichen Allmachtsphantasien, oder?

Es erscheint vollkommen anmaßend, anstatt auf technisch relativ einfache Lösungen für das Klimaproblem zu setzen – nämlich vor allem die Umwandlung unserer Energieinfrastruktur – in das sowieso schon hochkomplexe Klimasystem eingreifen zu wollen. Die Wissenschaft sagt sehr deutlich, dass die Konsequenzen solcher Eingriffe kaum vorhersehbar sind. Zudem würden solche Technologien eine große militärisch-politische Missbrauchsgefahr beinhalten. Leider gibt es immer wieder Akteure, die nur in ganz großen Lösungen denken können. Wie schon die Atomenergie gezeigt hat, sind das in der Regel weder die günstigsten noch die sichersten.

Sven Harmeling, Jahrgang 1977, studierte Geographie, Politikwissenschaft sowie Umwelt- und Ressourcenökonomie in Bonn, Hannover und Wien. Er arbeitete am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, ist seit 2005 für Germanwatch tätig, hat an zahlreichen UN-Klimakonferenzen teilgenommen und leitet seit September 2011 das Team Internationale Klimapolitik. Zudem ist er seit 2008 Koordinator der Anpassungsarbeitsgruppe im Climate Action Network International und seit 2009 Sprecher der Klima-AG, des Dachverbands entwicklungspolitischer NRO in Deutschland (VENRO).

Link: Sven Harmeling bei Germanwatch

Dieses Gespräch oder eine Version erschien erstmalig auf der Website des Goethe-Instituts e.V. unter www.goethe.de...>>weiter
 

November 2011  (© cpw Medien- und Publikationsdienste)