Azteken

 

Eine alte Legende der Azteken erzählt vom Gott Quetzalcoatl, der über Mexiko geherrscht haben soll. Quetzalcoatl wurde von seinem Erzfeind Tezcatlipoca, dem Gott des Nachthimmels, vertrieben. Doch einst, so die Legende weiter, würde Quetzalcoatl wiederkommen – mit weißer Haut und einem langen Bart. Als der spanische Eroberer Hernán Cortés 1519 ins Land der Azteken kam, glaubte deren König Moctezuma II., die Prophezeiung habe sich erfüllt. Er hielt Cortés für den Gott Quetzalcoatl und öffnete ihm bereitwillig alle Tore. Das war der Anfang vom Ende des aztekischen Reiches.

DIE LETZTE INDIANISCHE HOCHKULTUR

Die Azteken, die sich selbst Mexica nannten, bildeten die letzte große indianische Hochkultur in Mittelamerika. In nicht einmal 200 Jahren hatten sie ein mächtiges Reich geschaffen, das ungefähr im heutigen mittleren Mexiko liegt. In der kurzen Blütezeit ihres Reiches – etwa von 1450 bis 1520 – vollbrachten sie erstaunliche Leistungen, vor allem in der Baukunst. Dennoch war der technische Entwicklungsstand der Azteken eher niedrig. Sie kannten beispielsweise weder das Rad noch die Töpferscheibe. Und obwohl sie Schmuckstücke aus Metallen wie Gold und Kupfer fertigten, benutzten sie Werkzeuge und Waffen aus Stein oder Obsidian, einem vulkanischen Glas. Auch die Schrift, welche die Azteken von anderen Völkern übernommen hatten, war nur mäßig entwickelt. Der Kalender, den sie benutzten, stammte von den Maya. Und eine ganze Reihe weiterer Errungenschaften hatten sie von den Tolteken übernommen, die vor den Azteken im Hochtal von Mexiko lebten.

Beeindruckte Eroberer
Tenochtitlán, die Hauptstadt der Azteken, beeindruckte die spanischen Eroberer zutiefst: „Wir marschierten wie im Traum durch diese Herrlichkeiten”, schrieb Bernal Díaz del Castillo aus dem Gefolge des Hernán Cortés. „Neue Städte tauchten auf. Sie lagen an den Ufern und mitten im See. Wir zogen weiter über große Brücken, bis sich schließlich vor uns die Hauptstadt ausbreitete in all ihrer Pracht. Alles war so schön, dass man sich gar nicht satt sehen konnte.”

ADLER, SCHLANGE, KAKTUS

Die Azteken selbst nennen das mythische Azatlán als ihre Heimat – daher kommt auch ihr Name „Azteken”. Vieles deutet darauf hin, dass ihre Vorfahren aus Nordamerika stammten, und zwar aus der Gegend um den Großen Salzsee im heutigen US-Bundesstaat Utah. Ihre Sprache, das Náhuatl, hat viele Gemeinsamkeiten mit Sprachen, die von Indianern im Nordwesten von Nordamerika gesprochen werden. Sie waren diesen auch äußerlich ähnlich: mit mittelgroßem Körperbau, brauner Hautfarbe, leicht vorspringenden Wangenknochen, flacher Stirn und großer unterer Gesichtshälfte.

Nach 130 Jahren Wanderschaft ließen sich die Azteken im Jahr 1325 auf einer Insel im Texcocosee im Hochtal von Mexiko nieder. Nach einer Legende sollen die Götter selbst den Azteken durch ein Zeichen ihre neue Heimat angewiesen haben: durch einen Adler mit einer Schlange im Schnabel, der auf einem Kaktus sitzt. Er wurde später zum Wappentier ihrer Hauptstadt. Wahrscheinlich war es aber eher so, dass das Tal von Mexiko schon von anderen Einwanderergruppen besiedelt war und es keinen anderen Platz mehr gab als auf der Insel. Heute findet man Adler, Schlange und Kaktus auf den mexikanischen Geldscheinen wieder.

EINE SCHWIMMENDE STADT

Im Texcocosee errichteten die Azteken auf mehreren Inseln eine gewaltige Stadt: Tenochtitlán – eine Art indianisches Venedig. Die Straßen und Kanäle waren rechtwinklig angeordnet, so dass der Grundriss der Stadt aussah wie ein Schachbrett. Drei breite Dämme verbanden die Stadt mit dem Ufer des Sees, setzten sich als Straßen in Tenochtitlán fort und teilten die Stadt in gleichmäßige Viertel auf. Im Zentrum der Stadt befanden sich der königliche Palast und ein heiliger Bezirk. Inmitten von 78 religiösen Gebäuden erhob sich dort der Templo Mayor, eine gewaltige Pyramide, die von zwei Tempeln gekrönt war. Diese waren dem höchsten Gott Huitzilopochtli und dem Regengott Tlaloc geweiht. Im Lauf der Zeit wuchs Tenochtitlán mit der Nachbarstadt Tlatelolco zusammen. Bis zu ihrem Untergang im Jahr 1521 lebten rund eine viertel Million Menschen in den beiden Städten. Besonders eindrucksvoll müssen die schwimmenden Gärten, die so genannten Chinampas gewesen sein, die die Stadt umgaben. Auf ihnen wurde Getreide, Obst und Gemüse angebaut. Noch heute gibt es in Mexiko-Stadt Chinampas. Mexiko-Stadt, die Hauptstadt Mexikos, wurde auf den Ruinen von Tenochtitlán erbaut.

STAAT UND GESELLSCHAFT

Die Azteken waren ein sehr kriegerisches Volk. Sie unterwarfen zahlreiche andere Volksgruppen oder machten sie zu ihren Verbündeten. Dadurch schufen sie ein Reich, das sich von Zentralmexiko bis zur Grenze des heutigen Guatemala erstreckte.

Die aztekische Gesellschaft war in Klassen gegliedert. An der Spitze stand der erbliche Adel. Aus ihm gingen auch die Könige und die Priester hervor. Jeder, der sich im Krieg verdient machte, konnte in den Adelsstand aufsteigen. Die Masse der Bevölkerung zählte zum gemeinen Volk. Es setzte sich aus Bauern, Handwerkern und Händlern zusammen und gliederte sich in Sippen, von denen jede ihr eigenes Stadtviertel bewohnte, ein eigenes Stück Land bewirtschaftete, eigene Tempel besuchte und im Krieg eigene Kampfeinheiten bildete. Ganz unten in der Gesellschaft standen die Sklaven und die Leibeigenen, die dem Adel dienten. Es gab verschiedene Arten von Sklaven: Kriegsgefangene, die für den Opfertod bestimmt waren, Verbrecher, Schuldner und auch Kinder, die von ihren Eltern verkauft wurden.

HERZEN FÜR DIE GÖTTER

Das religiöse Leben der Azteken drehte sich fast ausschließlich um das grausame Opferritual. Für die Krieger war es die höchste Ehre, in der Schlacht ihr Leben für die Götter hinzugeben oder als Freiwillige an den Menschenopfern teilzunehmen. Meistens aber wurden den Göttern Kriegsgefangene als Opfer dargebracht. Die Auserwählten schritten die Stufen einer Tempelpyramide hinauf, legten sich oben auf einen gewölbten Stein, und Priester schnitten ihnen mit einem Feuersteinmesser bei lebendigem Leib die Herzen heraus. Ohne diese Gaben an die Götter, so glaubten die Azteken, würde am nächsten Tag die Sonne nicht mehr aufgehen.

Massenweise Menschenopfer
Hintergrund der Menschenopfer war der Glaube, dass die Götter einst die Welt vor dem Untergang retteten, indem sie sich selbst opferten. Sie gaben ihr Herzblut, um die Sonne am Himmel zu halten und so die Menschheit zu retten. Das menschliche Blut kam nach Auffassung der Azteken von der Sonne. Und umgekehrt konnte die Sonne nur mit Menschenblut genährt werden. In der Blütezeit Tenochtitláns mussten alljährlich schätzungsweise 15 000 Menschen auf den Opfersteinen ihr Leben lassen. Es wird aber auch berichtet, dass Häuptling Ahuizotl zu Ehren des Gottes Huitzilopochtli manchmal 20 000 Menschenherzen auf einmal darbringen ließ. In vier Reihen, die jeweils vier Kilometer lang waren, mussten die Opfer anstehen und auf ihre Hinrichtung warten, während hohe Gäste aus verbündeten und unterworfenen Städten zusahen.

DER UNTERGANG DES AZTEKENREICHES

Die Spanier waren die ersten Europäer in der „Neuen Welt”, wie Amerika genannt wurde. Der Abenteurer und Entdecker Hernán Cortés (1485-1547) war besonders versessen auf die sagenhaften Reichtümer der Neuen Welt. Von der Insel Kuba aus landete er im Jahr 1519 an der mexikanischen Küste. Seine Truppe bestand aus 600 Soldaten, wenigen Pferden und noch weniger Kanonen. Cortés verbündete sich mit dem Stamm der Tlaxcalteken, mit denen die Azteken verfeindet waren, und hoffte, so die Azteken leicht besiegen zu können. Aber als er mit seiner kleinen Streitmacht deren Hauptstadt Tenochtitlán erreichte, traute er seinen Augen nicht: Die Stadt war viel größer und prächtiger und viel stärker befestigt, als er es sich vorgestellt hatte.

Doch Cortés hatte Glück, denn es ereignete sich eine der tragischsten Verwechslungen der Geschichte: Der aztekische König Moctezuma II. (um 1466 bis 1520) hielt den blassen und bärtigen Cortés für den Gott Quetzalcoatl und nahm ihn und seine Soldaten bereitwillig in Tenochtitlán auf. Moctezuma beschenkte Cortés reichlich mit Gold und Silber, aber dieser traute dem Frieden nicht und nahm Moctezuma als Geisel. Doch bald schon begannen die Azteken gegen die gewalttätige Herrschaft der Spanier aufzubegehren; es kam zu Unruhen, und als König Moctezuma seine Leute beruhigen wollte, wurde er von seinem eigenen Volk zu Tode gesteinigt. Wenig später vertrieben die Azteken die Spanier aus der Stadt. Aber Cortés gab nicht auf: Er sammelte seine Armee wieder zusammen, kehrte nach Tenochtitlán zurück, belagerte die Stadt drei Monate lang und eroberte sie schließlich 1521. Die Spanier zerstörten die einst prächtige Hauptstadt der Azteken und gründeten auf ihren Ruinen Mexiko-Stadt, die heutige Hauptstadt Mexikos. Innerhalb von nur wenigen Jahren fiel nun der Großteil des Volkes der Azteken der brutalen spanischen Herrschaft und Krankheiten wie Pocken oder Masern, die die Europäer eingeschleppt hatten, zum Opfer.

DIE NACHFAHREN DER AZTEKEN

Die Spanier zerstörten die Kultur der Azteken weitgehend. Die Trümmer ihrer alten Hauptstadt Tenochtitlán liegen unter Mexiko-Stadt begraben, in der heute 13 Millionen Menschen leben. Ihre Nachfahren haben dennoch bis heute Merkmale der aztekischen Lebensweise bewahrt. Zum Teil sprechen sie auch noch Náhuatl, die Sprache der alten Azteken.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)