Demokratie
Schon der Name sagt, dass ihre Wiege im alten Griechenland stand. Denn das Wort „Demokratie” kommt aus dem Griechischen, und wörtlich übersetzt heißt es „Volksherrschaft”. Die Demokratie erlebte vor fast 2 500 Jahren im Stadtstaat Athen ihre erste Blüte. Zu verdanken war dies vor allem dem großen Staatsmann Perikles. Von ihm stammt der Ausspruch: „Wir sehen in demjenigen, der am öffentlichen Leben keinen Anteil nimmt, nicht einen Ruhe liebenden Bürger, sondern ein faules und unnützes Glied des Staates.” DIE ANFÄNGE IM ALTEN GRIECHENLAND Um den Machtmissbrauch der Adligen und Reichen zu beenden und alle Athener für ihren Staat zu begeistern, hatte Perikles zuvor die „kleinen Leute” zu Vollbürgern gemacht. Damit bekamen auch Handwerker, Bauern, Kaufleute und Händler das Recht, über alle wichtigen politischen Entscheidungen direkt abzustimmen. Ziel war es, dass jeder für sein Vaterland die gleiche Sorge entwickelt wie für seine Familie. Die Athener sollten sich um die Angelegenheiten des Staates genauso kümmern wie um ihre eigenen. Jeder sollte stolz auf seine Stadt sein und in ihrem Ruhm sein eigenes Werk erkennen. Die Athener nahmen ihr Recht zur politischen Teilhabe sehr ernst. Wenn Entscheidungen anstanden, strömten sie auf den Versammlungsplatz, die Agora. Um sich ein Urteil zu bilden, lauschten sie vor der Abstimmung gespannt den unterschiedlichen Meinungen der Politiker zum Thema. Dabei muss es teilweise hoch hergegangen sein. Merkten die Bürger etwa, dass der Redner nichts von der Sache verstand, lachten und pfiffen sie ihn aus oder jagten ihn schon mal vom Podium. Aber Vorsicht: Die Demokratien des Altertums werden heute nur sehr eingeschränkt mit den modernen Demokratien verglichen. Getadelt wird vor allem, dass es in den griechischen Staatswesen große Mengen an völlig rechtlosen Sklaven gab. Noch weniger demokratisch ging es bei den alten Römern zu: Bei ihnen war die Gesellschaft in Klassen mit unterschiedlichen Rechten eingeteilt, außerdem stellten auch hier die rechtlosen Sklaven einen Großteil der Bevölkerung. Gerne übersehen wird hingegen, dass es auch in den USA, einem der Mutterländer der modernen Demokratie, lange Zeit Sklaverei und Rassenunterdrückung gab. DIE MEHRHEIT ZÄHLT Die Zeiten der „direkten Demokratie”, in denen die Regierenden und Regierten sozusagen ein und dieselben Personen waren, sind längst vorbei. Überschaubare Gemeinwesen, in denen dies funktionieren könnte, sind sehr selten geworden. In einem großen Staat mit Millionen von Menschen ist es für den einzelnen Bürger einfach unmöglich geworden, sich mit all den Problemen zu befassen, die tagtäglich zu lösen sind. Deshalb wählen sie sich heutzutage Vertreter, die in ihrem Sinne handeln und abstimmen sollen. Diese Volksvertreter werden als Abgeordnete in ein Parlament (das kommt vom französischen Wort parler für „reden”) entsandt, wo sie die Probleme besprechen. Nach eingehender Beratung stimmen sie schlussendlich über Maßnahmen ab. Diese können damit Gesetz werden und müssen von allen Bürgern befolgt werden. Wegen der Vielfalt unterschiedlicher Meinungen und Interessen ist eine Lösung, mit der alle einverstanden sind, schwierig. Deshalb gilt in der Demokratie die Regel: Die Mehrheit setzt sich durch. Demokratie gilt als die schwierigste Form staatlicher Gemeinschaft. Mehrheiten müssen immer wieder neu errungen werden. Kaum eine Idee lässt sich unverändert durchsetzen. Und mehr als jeder andere ist der demokratische Staat auf den guten Willen und die Einsicht des Volkes angewiesen. Der englische Staatsmann Winston Churchill sagte einmal: „Demokratie ist eine furchtbar schlechte Regierungsform, aber ich kenne keine bessere.” HERRSCHAFT AUF ZEIT In regelmäßigen Abständen müssen sich die Volksvertreter Neuwahlen stellen. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Denn ihre Wiederwahl hängt davon ab, wie zufrieden die Bürger mit ihrer Arbeit waren. Die Volksvertreter werden auch Repräsentanten (das kommt vom lateinischen Wort repraesentare für „vergegenwärtigen, darstellen”) genannt, deshalb nennt man diese Form der Demokratie auch „repräsentative Demokratie”. Man kann sagen, dass es sich dabei um Herrschaft auf Zeit mit Zustimmung des Volkes handelt. MITGESTALTUNG STATT GEHORSAM Das bedeutet freilich nicht, dass sich die demokratische Teilhabe des Bürgers nur auf die im mehrjährigen Abstand stattfindenden Wahlen beschränkt. Denn jeder hat in der Demokratie das Recht, auch zwischen den Wahlen Einfluss auf die politischen Entscheidungen zu nehmen. Am wirkungsvollsten tut er das, wenn er sich mit anderen Bürgern zu Gruppen zusammenschließt, z. B. zu Bürgerinitiativen. Er kann auch Mitglied in einer Partei werden, oder er stellt sich selbst als Volksvertreter zur Wahl. In einer Demokratie soll der Bürger kein Untertan sein, sondern Mitgestalter des Gemeinwesens.
DEMOKRATIE ALS LEBENSFORM Demokratie ist aber nicht nur eine Regierungsform – in erster Linie ist sie eine Lebensform. Ein demokratischer Staat lebt davon, dass unterschiedliche Menschen mit unterschiedlicher Erfahrung und Sachverstand gleichberechtigt, frei und verständnisvoll zusammenwirken. Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Bürger andere Meinungen achten. Sie müssen bereit sein, Mehrheitsentscheidungen anzuerkennen, auch wenn diese für sie persönlich keinen Vorteil bringen. Auch wenn der Bürger in der Demokratie kein Untertan mehr ist, hat er den für alle geltenden Gesetzen zu gehorchen, selbst wenn sie ihm persönlich nicht passen oder er sie als ungerecht empfindet. Aber er hat die Chance, dass seine Meinung mehrheitsfähig werden könnte. Es muss ihm nur gelingen, die dafür notwendige Zustimmung bei seinen Mitbürgern zu gewinnen.
RECHTE UND PFLICHTEN Oberster Grundsatz in der Demokratie ist, dass der Einzelne in seinen persönlichen Angelegenheiten Freiheit genießt und die Gesellschaft sich nur einmischen darf, wenn sie sich durch sein Tun verletzt fühlt. Sollte dies aber einmal der Fall sein, wird sich ein echter Demokrat ohne Murren fügen. Denn der Zusammenschluss und das Zusammenwirken mit seinen Mitmenschen bringt ihm viel mehr Nutzen als Nachteile. Und ein echter Demokrat weiß, dass eine solche Vereinigung ohne Regeln nicht bestehen kann. Demokratie bedeutet also nicht nur Rechte für alle, sondern auch eine Menge Pflichten.
Für Kinder und
Jugendliche (© cpw, 2007) |