Franz Joseph I.

 

Man kennt ihn als „Franzl”, den backenbärtigen Zausel an der Seite der schönen Kaiserin Sisi. Dabei herrschte Franz Joseph I. 68 Jahre lang über Österreich-Ungarn, ein riesiges Reich, in dem Deutsche, Ungarn, Tschechen und noch viele andere Nationalitäten lebten. Nur mühsam gelang es Franz Joseph, die Eifersüchteleien und Unabhängigkeitsbestrebungen in diesem Vielvölkerstaat unter Kontrolle zu halten. Für zusätzliche Unruhe sorgte sein Anspruch auf Alleinherrschaft ohne Beteiligung des Volkes. In die turbulente Zeit seiner Regentschaft fielen so einschneidende historische Ereignisse wie die Revolution von 1848, die Niederlage gegen Preußen im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland, die Entstehung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – und nicht zuletzt der 1. Weltkrieg, den Franz Joseph sogar mit auslöste. Trotzdem ist er als schlichter und liebenswürdiger Kaiser bis heute in guter Erinnerung geblieben. Nicht zuletzt deshalb, weil er sein Schicksal, das ihn hart prüfte, so tapfer ertrug.

DER HOFFNUNGSTRÄGER

Franz Joseph wurde am 18. August 1830 im Wiener Schloss Schönbrunn geboren. Er war der älteste Sohn von Erzherzog Franz Karl, dem jüngeren Bruder des Kaisers Ferdinand I. Seine gebieterische und strenge Mutter Sophie war eine Tochter des bayerischen Königs. Als Kaiser Ferdinand I. in den Wirren der Revolution von 1848 abdankte, brachte Sophie ihren Gemahl (den eigentlichen Thronfolger) dazu, zugunsten seines Sohnes auf die Nachfolge zu verzichten. Und so bestieg der erst 18-Jährige am 2. Dezember 1848 als Franz Joseph I. den Thron. Seinen zweiten Namen legte er sich in Erinnerung an seinen Urgroßvater Joseph II. zu, der als Volkskaiser sehr beliebt war. Dies und die freisinnige Thronrede des jungen Kaisers nährten die Hoffnung der Untertanen auf Erneuerung und ein Ende der Rechtlosigkeit.

RÜCKKEHR ZUR ALTEN HERRSCHAFT

Doch der wahre Herrscher war Franz Josephs Mutter Sophie. Unter ihrem Einfluss machte der Kaiser die wenigen Zugeständnisse seines Vorgängers an das Volk rückgängig und kehrte zur absoluten Herrschaft zurück – als Kaiser von Gottes Gnaden und Beschützer der römisch-katholischen Kirche. Sophie war auch für die Bevorzugung der Deutschen im Habsburgerreich verantwortlich. Die anderen Nationalitäten des Vielvölkerstaates, wie Tschechen, Polen, Ukrainer, Rumänen, Italiener und andere mehr, waren damit unzufrieden. Vor allem die Ungarn, die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe, drängten auf mehr Eigenständigkeit.

SISI UND FRANZL

Einzig die Heirat mit der bayerischen Prinzessin Elisabeth, genannt Sisi, im Jahr 1854 ließ sich Franz Joseph von seiner Mutter nicht verbieten. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, doch Sisi und Franz Joseph wurden sich mit der Zeit fremd. Kaisermutter Sophie mischte sich in die Ehe ein und riss die Erziehung der Enkelkinder an sich. Zudem war Franz Joseph in das strenge Zeremoniell am Wiener Hof eingebunden und konnte Sisi seine Zuneigung nur selten zeigen; Sisi hasste dieses Zeremoniell und entfloh dem Wiener Hof, sooft es nur irgendwie ging.

Eine Liebe geht zu Bruch
Erzherzogin Sophie hatte eigentlich Sisis ältere Schwester Helene als Braut für ihren Sohn ausgesucht. Die bayerischen Prinzessinnen waren die Töchter ihrer Schwester. Doch Franz Joseph setzte 1854 die Heirat mit der erst 16-jährigen Sisi durch, in die er sich unsterblich verliebt hatte. Sisi, das wilde Naturkind, das mit sieben Geschwistern in einem Schlösschen am Starnberger See aufgewachsen war, wurde nicht gefragt. „Einem Kaiser gibt man keinen Korb”, entschied ihre Mutter. Sisi konnte sich nur schwer in das altmodische und steife Leben am Wiener Kaiserhof einfügen und hatte kein gutes Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter Sophie. Zwar schenkte sie Franz Joseph vier Kinder: Sophie, Gisela, Rudolf und Marie Valerie. Doch die Ehe war schon lange vor Sisis Tod zerrüttet. In den späteren Jahren der Ehe hatte Franz Joseph sogar ein Verhältnis mit der Schauspielerin Katharina Schratt, und Sisi hielt sich nur noch selten in Wien auf.

NEUORDNUNG DES REICHES

Nach mehreren Kriegsniederlagen musste Franz Joseph dem Verlangen nach Reformen nachgeben. Das Volk erhielt mehr Mitspracherechte, und unter dem maßgeblichen Einfluss von Sisi wurde den Ungarn die lang ersehnte Eigenständigkeit zugestanden. Dadurch entstand 1867 die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn: Die beiden Reichsteile Österreich und Ungarn waren gleichberechtigt und hatten eigene Regierungen. Für Österreich behielt Franz Joseph den Titel „Kaiser”, für Ungarn begnügte er sich mit dem „König”. Die Neuordnung des Reiches konnte die Spannungen zwischen den einzelnen Nationalitäten auf Dauer jedoch nicht beseitigen.

Kaiserlich und königlich
Kaiser Franz Joseph beugte sich 1867 dem Druck der Ungarn und stimmte der Aufteilung des Reiches in zwei Teile zu: Österreich und Ungarn. Im Gegenzug erhoben ihn die Ungarn zu ihrem König. Die Krönung Franz Josephs zum ungarischen König sollte Ungarns Stellung als eigenständiges Königreich festigen und zugleich die Unteilbarkeit des gesamten Reiches zeigen – war doch ein und dieselbe Person nun Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Die gemeinsamen Angelegenheiten wurden in der Folge als „kaiserlich und königlich” (k. u. k.) bezeichnet, die ungarischen als „königlich” (k.) und die österreichischen als „kaiserlich-königlich” (k. k.).

SCHWERES SCHICKSAL

Hinter dem hart und unnachgiebig erscheinenden Monarchen Franz Joseph verbarg sich ein schlichter und warmherziger Mensch. Er trug meist eine einfache Uniform und machte sich nichts aus Prunk und großen Festen. Die meiste Zeit verbrachte er an seinem Schreibtisch und kümmerte sich bis in die Nacht um die Belange des Reiches.

Franz Joseph musste eine ganze Reihe schwerer Schicksalsschläge hinnehmen: Sein Bruder Maximilian, der als Kaiser in Mexiko regierte, wurde 1867 von Revolutionären hingerichtet. Sein einziger Sohn, Kronprinz Rudolf, nahm sich 1889 das Leben. Sisi wurde 1898 von einem italienischen Anarchisten ermordet. Und 1914 erschoss in Sarajevo ein serbischer Attentäter seinen Neffen Franz Ferdinand, der als neuer Thronfolger vorgesehen war. Vom deutschen Kaiser Wilhelm II. aufgestachelt, ließ sich Franz Joseph daraufhin zu einer Kriegserklärung gegen Serbien hinreißen. Damit begann der 1. Weltkrieg, dessen Ende er nicht mehr erlebte. Kaiser Franz Joseph I. starb am 21. November 1916 in Schönbrunn an einer Lungenentzündung. Zwei Jahre später ging das Habsburgerreich endgültig unter.

Ein Kaiser lebt gefährlich
1853 wurde Franz Joseph beinahe selbst das Opfer eines Attentates. Bei einem seiner täglichen Mittagsspaziergänge griff ihn ein junger ungarischer Schneidergeselle namens Libenyian an und stieß ihm ein Messer in den Nacken. Es glitt aber an einer Schnalle der Halsbinde ab und hinterließ keine lebensbedrohliche Wunde. Der junge Mann wurde festgenommen und später zum Tod verurteilt. Aus Dankbarkeit für seine Lebensrettung ließ Franz Joseph eine prachtvolle Votivkirche bauen. Der Mutter des Attentäters, deren Leben ruiniert war, stellte der Kaiser übrigens eine lebenslange Rente aus.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)