Goldrausch

 

Vielleicht kennst du das Märchen von der Goldenen Gans oder sogar die Legende von König Midas, der alles in Gold verwandeln konnte? Das wertvolle Edelmetall Gold hat schon immer die Phantasie der Menschen beflügelt; seit jeher übt es einen magischen Reiz, um nicht zu sagen eine magnetische Anziehungskraft auf die Menschen aus. Gold ist der Inbegriff für Glanz und Reichtum. Die Gier nach Gold trieb Zigtausende Menschen in weit entfernte Länder, löste Kriege aus und forderte zahllose Menschenleben. Reine Goldgier war es, die die Europäer zum Aufbruch in die „Neue Welt” Amerika bewog. Im Auftrag des spanischen Königs eroberten die Konquistadoren auf der Suche nach dem sagenhaften Eldorado Südamerika und radierten ganze Indianerstämme aus. Das Wort „Eldorado” kommt übrigens aus dem Spanischen und bedeutet „das vergoldete (Land)”.

Im 19. Jahrhundert fanden Pioniere in Kanada und Alaska Gold. Tausenden von Glücksrittern brachte der beschwerliche Weg in den frostigen Norden den Tod. Die ergiebigsten Goldminen der Welt befinden sich in Südafrika. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei der Förderung des Goldes kosteten dort noch im 20. Jahrhundert Zehntausende schwarze Arbeiter das Leben.

DER KALIFORNISCHE GOLDRAUSCH

Schon manches Mal in der Weltgeschichte lockte die Entdeckung von Gold scharenweise Goldsucher und Abenteurer an. Es brach also ein regelrechter Goldrausch aus – sogar in Deutschland, wo der Goldberg bei Goldkronach (im Nordosten von Bayern) wie ein Schweizer Käse von Stollen durchlöchert ist, in denen vom Mittelalter bis 1920 nach Gold geschürft wurde. Doch wenn vom Goldrausch die Rede ist, denken die meisten zuerst an den „Golden State”, den Goldstaat Kalifornien in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieser reichste Staat der USA verdankt seine Entstehung ausschließlich dem gelben Metall Gold. Der „Kalifornische Goldrausch” von 1849, der zu einem festen Begriff in der Geschichte geworden ist, war ein Ereignis von großer Tragweite. Und er zeigt besonders anschaulich, was Goldrausch eigentlich bedeutet.

Es begann exakt am 24. Januar 1848 auf der Baustelle einer Sägemühle am American River am Fuße der Sierra Nevada. Der Bauleiter James W. Marshall beschrieb den bedeutendsten Moment in der kalifornischen Geschichte später so: „Eines Morgens im Januar – es war ein klarer kalter Morgen; ich werde diesen Morgen nie vergessen – ging ich nach dem Schließen der Wasserschleuse wie gewöhnlich am Graben entlang, als mein Auge ein Funkeln auf dem Grund wahrnahm. Das Wasser stand noch einen Fuß hoch. Als ich mit meiner Hand hinunterfasste und es aufhob, bekam ich heftiges Herzklopfen, denn ich war mir sicher, dass es Gold ist.” Der Grundstückseigentümer John Sutter wollte den Fund eigentlich geheim halten. Doch stromabwärts stießen bereits einige Tage später Leute, die eine Getreidemühle bauten, beim Graben im Flussbett auf Goldkörner in rauen Mengen.

Goldwaschen
Durch das „Goldwaschen” lässt sich Gold mit dem geringsten Aufwand gewinnen. Dazu wird der goldhaltige Flusssand in eine runde flache Schale gefüllt. Dann lässt man Wasser in die Schale laufen und schwenkt sie vorsichtig in kreisförmigen Bewegungen. Der leichte Flusssand wird dabei fortgeschwemmt, und das schwerere Gold sammelt sich am Boden der Schale. Das Goldwaschen mit Maschinen geschieht nach demselben Prinzip, aber mit größeren Gerätschaften, nämlich mit Schaufelbaggern und mit starken Wasserspritzen, die Sand und Kies zertrümmern.

EINFALL DER GLÜCKSRITTER

Am 15. März 1848 hatte Sutters Geheimnis San Francisco erreicht, das damals noch ein verschlafenes Nest war. Eine winzige Zeitungsmeldung über den Fund auf der letzten Seite der Zeitung Californian hatte noch keine Auswirkungen. Das Goldfiebervirus brachte erst Wochen später Sam Brannan in die Stadt, als er mit einer Flasche voller Goldstaub durch die Straßen taumelte und rief: „Gold! Gold! Gold vom American River!” Beinahe über Nacht war San Francisco wie ausgestorben. Bevor er den Betrieb seiner Zeitung einstellte, beschrieb der Herausgeber des Californian die Situation folgendermaßen: „Die meisten unserer Leser und Anzeigenkunden haben ihre Pforten und Geschäfte geschlossen und die Stadt verlassen. Von San Francisco bis Los Angeles, von der Küste bis zur Sierra Nevada hallt das Land vom schauderhaften Schrei ,Gold! Gold!! GOLD!!!‘ wider. Überall liegen die Äcker halb bestellt und die Häuser halb gebaut da. Das Einzige, was noch zählt, sind Schaufeln und Pickel.” Schrieb es und machte sich aus dem Staub, um selbst sein Glück zu suchen.

Goldfieber
Die Schilderung eines vom Goldfieber Gepackten gibt einen lebhaften Eindruck vom Rauschzustand, den der Anblick von Gold beim Menschen auslösen kann: „Der Irrsinn bemächtigte sich meiner Seele: Meine Beine machten sich selbständig und vollführten Sprünge wie bei einer Polka. Vor meinem geistigen Auge erstanden reich verzierte Marmorschlösser mit Tausenden von Sklaven, die sich auf meinen Wink oder Zuruf verbeugten. Scharen von Jungfrauen wetteiferten darum, meine Liebe zu gewinnen. Die steinreichen Rothschilds, Girards und Astors erschienen mir plötzlich wie arme Schlucker. Kurz gesagt: Ich wurde Opfer einer heftigen Goldfieberattacke.”

VERRÜCKT NACH GOLD

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde ostwärts. Die Zeitungen schürten die Goldhysterie nach Kräften. Anfang 1849 wurde das Goldfieber zur Epidemie. Tausende Menschen legten ihre Arbeit nieder, ließen Haus und Hof im Stich, schlossen ihre Läden und zogen westwärts nach Kalifornien, um dort die Flussbetten zu durchsieben und die Erde zu durchwühlen. Die meisten kamen über Land. Sie durchquerten die Prärie und die Rocky Mountains auf dem berüchtigten Oregon-California-Trail, den bereits die ersten Siedlertrecks genommen hatten. Andere machten sich auf den gefährlichen Seeweg rund um die Südspitze von Südamerika, um Kap Hoorn. Wieder andere unterbrachen ihre Schiffsreise und nahmen zu Fuß die Abkürzung über Panamá oder Mexiko.

Egal welche Route sie wählten, die Anreise war stets mühevoll und entbehrungsreich. Und so mancher ließ schon unterwegs sein Leben. Die Glücksritter des Kalifornischen Goldrausches wurden „Fortyniners” („Neunundvierziger”) genannt nach dem Jahr des Goldrausches 1849. Es waren aber nicht nur Amerikaner. Der Kalifornische Goldrausch war ein Ereignis von Weltrang und zog Abenteurer aus aller Herren Länder an: Mexikaner ebenso wie Chinesen, Deutsche, Franzosen, ja sogar Türken.

RUNTER VON MEINEM CLAIM, FREMDER!

Endlich am Ziel angekommen, war die Enttäuschung bei vielen „Fortyniners” groß. Die ergiebigsten Claims (Landstücke mit Schürfrecht) waren längst abgesteckt. Und als einzelner Goldgräber hatte man ohnehin kaum eine Chance auf Reichtum. Wollte man reich werden, musste man Gold im großen Stil abbauen, und dafür brauchte man Geld. Deshalb legten viele Goldgräber ihre Ersparnisse zusammen und gründeten Organisationen. Im Lauf der Zeit wurden die Goldgräber von Bergbaugesellschaften verdrängt, die das Gold mit industriellen Methoden abbauten. Je rarer das Gold wurde, desto tiefer trieb man die Schächte in die Erde. Die Stollen mancher Minen reichten meilenweit in jede Richtung – oft mit katastrophalen Folgen für die Goldgräber. Doch allein im Jahr 1852 wurden über 81 Millionen US-Dollar erwirtschaftet.

WIE GEWONNEN, SO ZERRONNEN

Das romantische Bild vom Goldsucher, der geduldig mit seiner Pfanne den Flussschlamm durchwäscht, entsprach nur ganz am Anfang der Wirklichkeit. Ab 1852 schrumpfte die Ausbeute aus den Flüssen. Von nun an musste man in die Erde hineingraben. Es dauerte nicht lange, bis die Goldfunde der meisten Goldgräber gerade noch ausreichten, um die täglichen Lebensbedürfnisse zu decken – reich wurden nur die wenigsten. Die eigentlichen Gewinner des Goldrausches waren Unternehmer und Geschäftsleute, die die Goldsucher mit Ausrüstung und den Dingen des täglichen Lebens versorgten. Sie verdienten sich mit überhöhten Preisen eine goldene Nase. Die aus Bretterbuden bestehenden Goldgräberlager, die über Nacht aus dem Boden geschossen waren, verwandelten sich teilweise in Städte mit Spielhöllen und Saloons, in denen die Goldgräber ihre hart erarbeiteten Funde verprassten. In den Lagern herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Schmutz und Unrat lösten Seuchen aus. Banditen trieben ihr Unwesen, und Schießereien waren an der Tagesordnung.

Der Goldgräber Levi Strauss
Einer der bekanntesten Unternehmer, die der Goldrausch zu Millionären machte, war ein Schneider aus Buttenheim in Oberfranken. Als Einwanderer kam er genau zur Zeit des Goldrausches nach Kalifornien. Er kaufte in San Francisco Segeltuch auf und nähte daraus Zelte für die Goldwäscher. Als dem Schneider die zerschlissenen Hosen der Goldsucher auffielen, nähte er aus Baumwolle robuste Arbeitshosen, die er blau einfärbte. Sein Name ist bis heute ein Markenzeichen für Blue Jeans: Levi Strauss.

DER KATER NACH DEM GOLDRAUSCH

Der Kalifornische Goldrausch dauerte nur vier Jahre, doch er hatte erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung Kaliforniens und des amerikanischen Westens. Der rasche Zuzug von Goldsuchern und Siedlern hatte verheerende Folgen für die indianische Urbevölkerung Kaliforniens: Sie schrumpfte bis 1854 von 150 000 auf unter 30 000 Menschen. Die meisten Indianer starben an Krankheiten oder Hunger, da sie wegen der Ausbreitung der Goldgräber nicht mehr ihre alten Jagdgründe nutzen konnten, andere wurden von Goldgräbern getötet. Freilich hatte der Goldrausch nicht nur schlechte Auswirkungen. Der Wert des geförderten Goldes brachte unerhörten Reichtum; sein Wert überstieg die Höhe des damaligen amerikanischen Bundeshaushalts.

Durch den Goldrausch breiteten sich die Vereinigten Staaten von Amerika schlagartig nach Westen aus: Wegen seines Reichtums und wegen seiner gewachsenen Bevölkerung wurde Kalifornien bereits im Jahr 1850 als 31. Bundesstaat Teil der USA. Viele der gescheiterten Goldsucher versuchten ihr Glück als Farmer und blieben in Kalifornien. Im Gefolge des Goldrausches entstanden neue Städte, neue Straßen – und ein völlig neues Wirtschaftssystem: Denn die Risikofreude und der Unternehmungsgeist, die die Wirtschaft der heutigen USA auszeichnen, wurden wesentlich in der Zeit des Goldrausches geprägt.

Boomtown San Francisco
Nichts macht den Wandel und das Wachstum, den der Goldrausch mit sich brachte, so deutlich wie die Entwicklung der Stadt San Francisco. Der kleine Ort, in dem 1840 nur ein paar Hundert Leute lebten, explodierte nach der Entdeckung des Goldes förmlich. Täglich kamen durchschnittlich 30 neue Häuser und zwei Morde hinzu. Die Grundstückspreise stiegen innerhalb von 18 Monaten auf das Tausendfache, auch die Einwohnerzahl erhöhte sich rasend. Neureiche Minenbesitzer kamen regelmäßig in die Stadt, um ihren Gewinn in der neuen Metropole auf den Kopf zu hauen. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde allein in San Francisco Gold im Wert von rund einer halben Milliarde US-Dollar umgesetzt. Wer clever war, machte das Geschäft seines Lebens. Sam Brennan beispielsweise, der Mann, der mit seiner Flasche voll Goldstaub die Lawine losgetreten hatte, wurde zum reichsten Mann Kaliforniens. Ihm gehörten große Teile von San Francisco. Mit seiner Anpassungsfähigkeit und Geschäftstüchtigkeit verkörperte er den typischen neuen Kalifornier.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)