Holocaust
In der Menschheitsgeschichte hat es zu allen Zeiten schlimme Verbrechen gegeben. Immer wieder sind Gestalten in Erscheinung getreten, die sich mit Mord und Totschlag ihren Weg zur Macht bahnten oder andere Völker mit blutigen Eroberungskriegen überzogen. Doch das Ausmaß der Verbrechen, die unter Adolf Hitler begangen wurden, blieb bisher beispiellos in der Geschichte. Als vom Volk abgöttisch verehrter Führer beging er einen millionenfachen Massenmord an völlig unschuldigen Menschen, die weder ihm noch seiner Stellung noch dem Staat gefährlich werden konnten. Die Rede ist von der planmäßigen Vernichtung von etwa sechs Millionen Juden, die unter der Bezeichnung Holocaust in die Geschichte eingegangen ist. Das Wort Holocaust kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Brandopfer”. KRANKHAFTER RASSENWAHN Der organisierte Massenmord war Folge des krankhaften Rassenwahns, der Hitlers Weltbild beherrschte. Er beruhte auf abwegigen Theorien aus dem 19. Jahrhundert, die die Menschen jüdischen Glaubens zu Angehörigen einer minderwertigen Rasse, nämlich der semitischen, erklärten. Die Anhänger dieses „Antisemitismus” unterstellten den in vielen Ländern verstreut lebenden Juden, dass sie sich verschworen, um die angeblich überlegene „arisch-nordische” Rasse zu unterwandern und zu schwächen und selbst die Weltherrschaft zu übernehmen. Zu dieser „arisch-nordischen” Rasse zählten sich als Nachfahren der Germanen vor allem die Deutschen. POLITIK DES ANTISEMITISMUS Aus seinem Hass gegen die Juden hatte Hitler nie einen Hehl gemacht. Seine Ansichten über den angeblich natürlichen, erbarmungslosen Überlebenskampf zwischen den Rassen stehen haarklein in seinem Buch Mein Kampf. Schon im Mai 1923 verkündete Hitler bei einer Rede im Münchner Zirkus Krone: „Der Jude ist wohl Rasse, aber nicht Mensch. Er kann gar nicht Mensch im Sinne des Ebenbildes Gottes, des Ewigen, sein. Der Jude ist das Ebenbild des Teufels. Das Judentum bedeutet Rassentuberkulose der Völker.” Mit solchen Äußerungen fand er durchaus Zustimmung. Zwar waren die Juden in Europa schon seit Jahrhunderten unterdrückt, angefeindet und verfolgt worden. Zum wesentlichen Bestandteil der Regierungspolitik wurde der Antisemitismus aber erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland am 30. Januar 1933. Und mit der Machtübernahme setzte eine bisher völlig beispiellose Verfolgung der Juden ein. SCHIKANEN UND GEWALT Das Unheil nahm seinen Lauf mit einem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte (also der Aufforderung, nicht mehr in jüdischen Geschäften einzukaufen) am 1. April 1933, den die Schlägertrupps der SA (Sturmabteilung) durchsetzten. Als Nächstes folgten die Nürnberger Gesetze von 1935: Das Reichsbürgergesetz erkannte den Juden die deutsche Staatsbürgerschaft ab, und das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (kurz: Blutschutzgesetz) verbot Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Deutschen und Juden. Nachdem am 7. November 1938 ein Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris ermordet hatte, schlug der ständig gepredigte Hass in offene Gewalt um: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden überall in Deutschland jüdische Synagogen (Gebets- und Versammlungshäuser), Häuser und Geschäfte zerstört. Die Nationalsozialisten erklärten diesen Pogrom (Ausschreitungen gegen eine religiöse oder nationale Gruppe) zu einer spontanen Äußerung der Bevölkerung gegen die Juden; in Wahrheit aber waren diese Ausschreitungen von den Nationalsozialisten organisiert. Wegen der unzähligen zu Bruch gegangenen Fensterscheiben nannten sie diese Nacht der Gewalt verharmlosend „Reichskristallnacht”. Mindestens 91 Juden wurden in dieser Nacht getötet, rund 30 000 verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Außerdem wurde den Juden infolge der „Reichskristallnacht” eine „Sondersteuer” in Höhe von insgesamt einer Milliarde Reichsmark auferlegt, was für viele den Ruin bedeutete. Ihre Geschäfte wurden „zwangsarisiert”, das heißt enteignet und an „Arier”, also „reinrassige” Deutsche, übergeben oder zu Spottpreisen an Arier verkauft. Und als weitere Schikanen folgten ein Führerschein- und Fahrverbot für Juden, der Ausschluss aus den Universitäten, ein abendliches Ausgangsverbot und später die Verpflichtung, sich durch das Tragen eines gelben Sterns auf der linken Brust als Jude zu erkennen zu geben. Schon vor der „Reichskristallnacht” waren 130 000 Juden aus Deutschland ausgewandert; nun kehrten weitere 80 000 Juden ihrem Heimatland den Rücken. DIE GEPLANTE VERNICHTUNG Mit Beginn des 2. Weltkrieges am 1. September 1939 artete die Judenverfolgung immer mehr aus. Im besiegten Polen mit seinem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil kam es bereits im Dezember 1939 zu ersten Massendeportationen (Zwangsverschleppungen). In den Städten wurden streng bewachte Judenviertel, so genannte Ghettos, eingerichtet. Überall im Land entstanden neue Konzentrationslager. Mit dem Krieg gegen die Sowjetunion (ab dem Juni 1941) begann die planmäßige Ausrottung der Juden im gesamten deutschen Einflussbereich. Zentrum des Massenmordes wurde Polen. Im Dezember 1941 nahmen dort die ersten Vernichtungslager ihren industriellen Tötungsbetrieb auf. Auf der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 stellten die führenden Organisatoren des Massenmordes ein Programm auf zur reibungslosen Abwicklung der „Endlösung der Judenfrage” – wie sie die geplante Vernichtung der europäischen Juden bezeichneten. Im Vernichtungslager Culm (Chelmno) in Polen fanden ab Herbst 1941 erste Massentötungen in einem Gaswagen statt. Im November 1941 wurde das Vernichtungslager Belzec in Betrieb genommen, im März 1942 Sobibór und im Mai 1942 Treblinka – alle in Polen. Das größte Konzentrations- und Vernichtungslager aber war Auschwitz, ebenfalls in Polen, in dessen Gaskammern täglich bis zu 12 000 Menschen starben. Das Stammlager war bereits zwischen Mai und Juli 1940 erbaut worden. 1941/42 wurde etwa drei Kilometer entfernt das Lager Auschwitz-Birkenau errichtet, wo die meisten Gefangenen eingesperrt und getötet wurden. 1941 wurde in der Nähe das Zwangsarbeitslager Auschwitz-Monowitz gebaut. Außerdem gehörten zu Auschwitz noch mehr als 40 Außen- und Nebenlager. In Auschwitz wurden von Ende 1941 bis Ende 1944 schätzungsweise 1,1 Millionen Juden ermordet, außerdem noch zehntausende Roma und Sinti sowie andere Minderheiten und politische Gegner.
VERNICHTUNG DURCH GIFTGAS Da sich Massenerschießungen als zu langsam erwiesen, verfiel man auf die grauenhafte Idee, die Menschen in großem Stil zu vergasen. Zu diesem Zweck wurden die Vernichtungslager mit Gaskammern und Krematorien ausgestattet. Von überall aus dem Deutschen Reich und den besetzten Gebieten wurden nun die Juden in die Vernichtungslager nach Polen deportiert. Zusammengepfercht in Güter- und Viehwaggons kamen auf den zum Teil tagelangen Transporten mit der Eisenbahn schon allein Tausende durch Hitze oder Kälte, Hunger, Durst und Krankheiten um. In den Lagern wurden die Neuankömmlinge sofort nach dem Entladen nach dem Geschlecht getrennt. Dann erfolgte die „Selektion” (Auswahl) durch Ärzte der SS (Schutzstaffel), einer besonders brutalen und kaltblütigen Elitetruppe, die für Überwachung und Betrieb der Konzentrationslager zuständig war. Alte und kranke Menschen, Kinder sowie Frauen mit Babys wurden in der Regel gleich bei der Ankunft als „arbeitsunfähig” eingestuft. Ihnen wurde erklärt, dass sie geduscht und entlaust werden müssten. Sie hatten sich zu entkleiden, den Frauen wurden die Haare geschoren – das Haar wurde in der Kriegsindustrie zu allen möglichen Zwecken verwendet. Anschließend wurden sie nackt in die als Duschräume getarnten Gaskammern getrieben. Arbeitshäftlinge mussten unterdessen aus dem persönlichen Besitz der Opfer alles Brauchbare wie Schuhe, Kleidung, Wertsachen und Brillen aussortieren. Dann mussten sie die Toten nach versteckten Wertsachen durchsuchen und ihnen die Goldzähne ausbrechen. Anschließend wurden die Leichen in den Krematorien verbrannt. Ihre Asche verstreute man auf den umliegenden Feldern oder kippte sie in Flüsse und Teiche.
VERNICHTUNG DURCH ARBEIT Diejenigen, die bei der „Selektion” als arbeitsfähig eingestuft wurden – das war etwa ein Viertel der Neuankömmlinge –, kamen in die Konzentrations- und Arbeitslager. Von dort aus wurden sie unter dem Motto „Vernichtung durch Arbeit” zum Einsatz in Industriebetriebe oder Baukolonnen abkommandiert. Massenhaft starben die Arbeitssklaven an Hunger, Seuchen, Überanstrengung und den Misshandlungen durch das Wachpersonal. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Lagerhäftlinge betrug fünf Monate.
DIE TODESMÄRSCHE Als die sowjetische Rote Armee auf ihrem Vormarsch den Vernichtungslagern in Polen immer näher kam, wollte die SS ab Frühjahr 1943 alle Hinweise auf ihre Tötungsmaschinerie beseitigen. Die Lager wurden geräumt und zerstört. Als letztes wurde im November 1944 das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau aufgelöst. Die Häftlinge wurden in langen Kolonnen Richtung Westen getrieben, um dort in anderen Lagern eingesperrt zu werden. Unzählige Gefangene kamen auf diesen Todesmärschen ums Leben. DIE FAST VERGESSENEN OPFER Auch andere Minderheiten mussten im „Dritten Reich” ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Juden. Die Verfolgung richtete sich gegen alle, die nach Ansicht der Nationalsozialisten „minderwertig”, „nicht lebenswert” oder dem deutschen Volk „artfremd” waren: Behinderte, Nichtsesshafte, „Arbeitsscheue”, Angehörige von Sekten wie die Zeugen Jehovas. So sollte etwa körperlich und geistig Behinderten der „Gnadentod” gewährt werden. In einer Anordnung von 1942 befahl der Justizminister die „Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug” zur „Vernichtung durch Arbeit”. Darunter fielen auch „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen”. Da die Zigeunerstämme Sinti und Roma obendrein als „rassisch minderwertig” eingestuft wurden, fielen sie ebenfalls dem Massenmord zum Opfer. Eine halbe Million von ihnen wurde getötet.
Für Kinder und
Jugendliche (© cpw, 2007) |