Kalter Krieg

 

Nach dem 2. Weltkrieg (1939-1945) herrschte in Europa ein halbes Jahrhundert lang Frieden, obwohl der Westen und der Osten zutiefst verfeindet waren. Wer jedoch meint, die Menschen seien nach zwei verheerenden Weltkriegen endlich zur Besinnung gekommen, der irrt. Sie trauten sich nur nicht mehr. Denn beide Seiten hatten Atomraketen, mit denen sie sich gegenseitig in Schach hielten. Die Sprengkraft dieser Waffen hätte ausgereicht, um alle Städte der Welt siebenmal zu zerstören. Diesen Zustand nannte man das „Gleichgewicht des Schreckens”. Bezeichnenderweise ist die Zeit auch nicht als „Langer Frieden” sondern als „Kalter Krieg” in die Geschichte eingegangen.

KAPITALISMUS GEGEN KOMMUNISMUS

Während des 2. Weltkrieges hatten die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich gemeinsam mit der Ostmacht Sowjetunion (UdSSR) als Alliierte (Verbündete) auf derselben Seite gegen Hitler-Deutschland gekämpft. Aber schon bald nach dem Krieg zerfiel das Bündnis zwischen Westmächten und Ostmacht. Nicht nur die alten weltanschaulichen Gegensätze machten sich wieder bemerkbar: hier die kapitalistisch-marktwirtschaftlich orientierten Demokratien, dort die kommunistische Diktatur des brutalen Machtmenschen Jossif Stalin. Auch die außenpolitischen Interessen waren zu unterschiedlich.

SOWJETISIERUNG OSTEUROPAS

Nach dem Krieg hatte die Sowjetunion 25 Millionen Tote zu beklagen und war wirtschaftlich am Boden zerstört. Deshalb ging es ihr als Besatzungsmacht in Deutschland zunächst einmal darum, sich für den Wiederaufbau im eigenen Land zu entschädigen. Die sowjetische Rote Armee hatte bei ihrem verlustreichen Vorstoß nach Deutschland Osteuropa von den deutschen Eroberern befreit, und die Sowjetunion betrachtete Osteuropa nun als ihren Machtbereich. Stalin verhalf dort überall treu ergebenen kommunistischen Diktaturen zur Herrschaft und schuf so entlang der sowjetischen Grenze einen Sicherheitsgürtel aus abhängigen Staaten. Außerdem sah sich die Sowjetunion immer noch als Vorkämpferin einer kommunistischen Weltrevolution.

AMERIKANISIERUNG WESTEUROPAS

Die westliche Führungsmacht USA hatte im 2. Weltkrieg „nur” etwa 300 000 Soldaten verloren. Zerstörungen im eigenen Land gab es keine, und die amerikanische Wirtschaft lief auf Hochtouren. Das Hauptinteresse der USA galt dem raschen Wiederaufbau Europas, denn Europa war für sie einer der wichtigsten Absatzmärkte. Um ihren europäischen Partnern wieder auf die Beine zu helfen, legte die US-Regierung großzügige Hilfsprogramme wie z. B. den Marshallplan auf. Daraus zogen vor allem auch die westlichen Besatzungszonen in Deutschland großen Nutzen. Die USA leisteten gleichzeitig Militärhilfe, denn es bestand die Sorge, die Sowjetunion könnte es auch auf die westlichen Besatzungszonen in Deutschland und schließlich auf den Rest Europas abgesehen haben.

Amerikanische Wirtschaftshilfe
Stalin verbot den Ostblockstaaten die Teilnahme an amerikanischen Wiederaufbauprogrammen wie dem Marshallplan. Er sah darin einen hinterhältigen Versuch des Westens, sie auf die Seite des Kapitalismus zu ziehen. Stattdessen mussten die industriell rückständigen Länder Osteuropas ihrerseits große Mengen Lebensmittel, Rohstoffe und Waren für den Wiederaufbau der Sowjetunion liefern. Die westlichen Besatzungszonen bzw. die Bundesrepublik dagegen verdankten dem Marshallplan ihren raschen wirtschaftlichen Wiederaufstieg und das „Wirtschaftswunder” der fünfziger Jahre.

VERFEINDETE BLÖCKE

Auf diese Weise entstanden zwei Machtblöcke: ein westlicher unter der Führung der USA und ein östlicher unter der Führung der Sowjetunion. Sie standen sich politisch und ideologisch (weltanschaulich) feindselig gegenüber. Aber ihren Kampf um Vormacht und die Verteidigung ihrer Interessen fochten sie nicht mit Waffengewalt aus, sondern mit Drohungen und Propaganda – deshalb sprach man von einem „Kalten Krieg”.

RÜSTUNGSWETTLAUF

Zum Garanten dafür, dass dieser Kalte Krieg nicht in einen heißen Krieg umschlug, wurde ausgerechnet die fürchterlichste Waffe, die die Menschheit jemals erfunden hat: die Atombombe. Sie war zuerst in den USA entwickelt und von den Amerikanern auch gleich erprobt worden: Im August 1945 zerstörten sie mit zwei Atombomben die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki und zwangen damit Japan zur Kapitulation im 2. Weltkrieg. 1949 testete die Sowjetunion ihre erste Atombombe. 1952 zündeten die Amerikaner ihre neueste Errungenschaft, die Wasserstoffbombe mit einer Sprengkraft, die 250-mal größer war als die der Hiroshima-Bombe. 1954 explodierte die erste sowjetische Wasserstoffbombe.

GLEICHGEWICHT DES SCHRECKENS

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten stets die USA im Rüstungswettlauf die Nase vorne. Umso größer war der Schock, als die Sowjetunion 1957 mit dem Sputnik den ersten Satelliten ins Weltall schoss. Damit hatte sie bewiesen, dass sie über Raketen verfügte, die auch in der Lage waren, Atomsprengköpfe auf den amerikanischen Kontinent tragen zu können. Bisher hatten sich die Amerikaner vor Angriffen der Sowjetunion sicher gefühlt. Von nun an wäre ein Angriffskrieg für beide Seiten reiner Selbstmord gewesen.

Der Sputnik und seine Folgen
Die gesamte Raumfahrt mit all ihren technischen Errungenschaften vom Satelliten bis hin zu bemannten Raumstationen ist eine Folgeerscheinung des Kalten Krieges. Nach dem „Sputnik-Schock” am 4. Oktober 1957 entbrannte ein regelrechter Wettlauf zwischen den Supermächten um die Eroberung des Alls. Zu Beginn der achtziger Jahre begannen die USA sogar mit der Entwicklung eines Raketenabwehrsystems im Weltraum.

NATO UND WARSCHAUER PAKT

Das Wettrüsten der beiden Supermächte wurde begleitet vom Aufbau militärischer Bündnisse. 1949 schlossen die USA mit Kanada sowie den zehn europäischen Staaten Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Island, Belgien, Niederlande, Luxemburg und Portugal den so genannten Nordatlantikpakt, der die NATO (North Atlantic Treaty Organization) begründete. 1952 traten ihr die Türkei und Griechenland bei, 1955 die Bundesrepublik Deutschland und 1982 Spanien. 1955 schuf sich die Sowjetunion mit dem Warschauer Pakt ein militärisches Gegenbündnis. Daran beteiligt waren neben der Sowjetunion die DDR, die Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Albanien.

FRONTSTAAT DEUTSCHLAND

Ein bevorzugter Schauplatz der Machtproben zwischen der UdSSR und den USA war Deutschland, durch das die Front des Kalten Krieges mitten hindurchführte. Vor allem Berlin im Herzen der Sowjetischen Besatzungszone, aus der 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) entstand, wurde immer wieder die Ursache von Krisen. Westberlin, das unter dem Schutz der Amerikaner und ihrer Verbündeten Großbritannien und Frankreich stand, war der Sowjetunion ein Dorn im Auge, weil es wie eine Insel mitten in ihrem Machtbereich lag.

AN DER SCHWELLE ZUM HEISSEN KRIEG

Trotz der gewaltigen Risiken stand der Kalte Krieg wiederholt auf der Kippe zum heißen Krieg. Erstmals 1950, als das kommunistische Nordkorea, das von der Sowjetunion und China unterstützt wurde, nach Grenzstreitigkeiten Südkorea überfiel. Die USA werteten dies als Angriff des Kommunismus auf die gesamte „freie Welt” und führten Truppen in einen dreijährigen Krieg nach Korea. Sogar der Einsatz der Atombombe wurde erwogen. Ebenso 1962, als die Sowjetunion auf der Karibikinsel Kuba direkt vor der amerikanischen Küste heimlich Truppen und Atomraketen stationierte, von denen sich die USA bedroht fühlten.

ENTSPANNUNGSPOLITIK UND RÜSTUNGSKONTROLLE

Die Erfahrungen aus dem Koreakrieg, der Kubakrise und den Berlinkrisen zeigten, dass gegenseitige Bedrohung allein noch keine Garantie für den Frieden war. Um einen Atomkrieg auszuschließen, bedurfte es der Zusammenarbeit und des Respekts vor den gegenseitigen Machtsphären. Zur Eindämmung der Krisengefahr leiteten die beiden Supermächte in den sechziger Jahren eine Entspannungspolitik ein, die zu einer Reihe von Vereinbarungen über Rüstungskontrollen führte:

  • 1963, ein Jahr nach der Kubakrise, wurde der so genannte „heiße Draht” eingerichtet, eine ständige telefonische Verbindung zwischen der sowjetischen Führung im Moskauer Kreml und dem US-Präsidenten im Weißen Haus in Washington D.C. Eine vertragliche Vereinbarung verbot Atomwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser.
  • 1968 verpflichteten sich mehrere Staaten im Atomwaffensperrvertrag, Atomwaffen nicht an Länder weiterzugeben, die noch keine besaßen.
  • 1972 begrenzten die Supermächte ihre Raketenabwehrsysteme sowie die Anzahl ihrer Interkontinental- und U-Boot-Raketen.
  • 1975 verpflichteten sich in Helsinki in der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) die USA, die Sowjetunion, Kanada sowie 33 europäische Staaten zum Gewaltverzicht und zur Schaffung eines Klimas des Vertrauens. Außerdem wurden die in Europa nach dem 2. Weltkrieg gezogenen Grenzen als rechtsgültig anerkannt.

STELLVERTRETERKRIEGE

Diese Politik der Vernunft war aber auch starken Belastungsproben ausgesetzt. Beispielsweise als die Amerikaner 1964 in den Vietnamkrieg eingriffen oder sowjetische Truppen 1968 der Reformbewegung in der Tschechoslowakei, dem Prager Frühling, ein gewaltsames Ende setzten. Auch darf nicht übersehen werden, dass in vielen Ländern der Welt – ob im Nahen Osten, in Asien oder Afrika – Kriege und Bürgerkriege geführt wurden, in denen die Supermächte sozusagen verdeckt im Hintergrund die Strippen zogen.

„REICH DES BÖSEN”

Die Europäer, die sich an der Entspannungspolitik aktiv beteiligten, erlebten bis Ende der siebziger Jahre eine Zeit relativer Sicherheit. So lange, bis der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan 1979 den Kalten Krieg neu anheizte. Nun läutete US-Präsident Ronald Reagan, der in der Sowjetunion das „Reich des Bösen” sah, ab 1981 einen neuen beispiellosen Rüstungswettlauf ein. Durch den Rüstungswettlauf wollte Reagan die Sowjetunion an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit treiben und ihren Zusammenbruch erzwingen. Diese riskante Strategie nährte weltweit die Furcht vor einem kriegerischen Befreiungsschlag der in die Enge getriebenen Sowjetführung.

DAS ENDE EINER SUPERMACHT

Als Segen erwies sich in dieser brenzligen Situation die Machtübernahme durch Michail Gorbatschow in der Sowjetunion 1985. Er zeigte sich von Anfang an verhandlungsbereit, machte Zugeständnisse und war zur Abrüstung bereit. Es begann eine ganz neue Phase der Zusammenarbeit und Abrüstung zwischen der Sowjetunion und den USA. In mehreren Verträgen wurde vereinbart, atomare Lang-, Mittel- und Kurzstreckenraketen abzubauen und chemische Waffen zu verbieten. Gleichzeitig räumte Gorbatschow den Menschen im sowjetischen Einflussbereich nie gekannte Freiheiten ein. Diese führten letztlich ab Ende der achtziger Jahre zum Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft im gesamten Ostblock. Das sowjetische Imperium löste sich auf, und der Kalte Krieg war beendet.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)