Katharina II.,

die Große

Sie war eine Tochter aus einem nicht allzu bedeutenden deutschen Adelshaus, die sich auf abenteuerliche Weise des russischen Zarenthrons bemächtigte. Die rätselhafte Ermordung ihres Ehemannes, ihre zahlreichen Liebschaften und nicht zuletzt die Härte, mit der sie am Ende ihr Riesenreich gegen die Ideen der Französischen Revolution verteidigte, haben zeitweise ihre Leistungen verdeckt. Doch sie trägt ihren Beinamen nicht umsonst. Mit Tatkraft und scharfem Verstand hat Katharina die Große das Werk von Zar Peter dem Großen vollendet. Sie führte eine Fülle von Neuerungen ein und verwandelte das russische Reich in eine Großmacht. Das katharinäische Zeitalter gilt als Russlands goldenes Zeitalter.

BRAUT DES RUSSISCHEN THRONFOLGERS

Katharina wurde am 2. Mai 1729 in Stettin als Sophie Friederike Auguste, Prinzessin von Anhalt-Zerbst, geboren. Ihr Vater war Kommandant im Dienst des Preußenkönigs Friedrich II., des Großen. Dieser war es auch, der das Mädchen der russischen Zarin Elisabeth empfahl. Denn Elisabeth suchte eine Braut für ihren Neffen Peter, den sie zum Thronfolger bestimmt hatte. Gehorsam tat Sophie, was man von ihr verlangte. Sie trat zum russisch-orthodoxen Glauben über, nahm den Namen Katharina (auf Russisch: Jekatarina Aleksejewna) an und bereitete sich ernsthaft auf ihre künftige Rolle an der Seite des Zaren Peter vor. 1745 heirateten Katharina und Peter – sie war gerade einmal 16 Jahre alt, er 17.

VERNACHLÄSSIGTE EHEFRAU

Der kindische Peter hatte keine Augen für die Schönheit seiner Gemahlin Katharina. Er spielte lieber mit Zinnsoldaten oder veranstaltete Saufgelage. Katharina war ihm überlegen: eine gebildete junge Frau, die sich schon früh mit den Denkern der Aufklärung und mit Fragen der Staatsführung beschäftigte – und damit bei Peter Minderwertigkeitsgefühle verursachte. Schon bald sah sich Katharina nach anderen Liebhabern um. Als sie 1754 einen Sohn gebar – Peter war nicht der Vater –, riss ihn die Zarin Elisabeth sofort an sich und erklärte ihn zum ehelichen Kind. Katharinas Geliebter musste verschwinden. Ähnliches wiederholte sich drei Jahre später bei der Geburt ihrer Tochter.

STAATSSTREICH UND AUFSTIEG ZUR ZARIN

Nach dem Tod der Zarin Elisabeth am 3. Januar 1762 wurde ihr Neffe als Peter III. zum Nachfolger ausgerufen. Nun konnte er endlich machen, was er wollte. Besonders Katharina hatte unter seinen Demütigungen und Schikanen zu leiden. Sie erwartete ihr drittes Kind, das jedoch kurz nach der Geburt starb. Vater war ein hoher Offizier der zaristischen Garde. Mit seiner Hilfe brachte Katharina die Truppen auf ihre Seite. So konnte sie den Bischof von Petersburg zwingen, sie in der Nacht des 9. Juli 1762 als Zarin zu vereidigen. Anschließend nahm sie mit ihrem Sohn Paul an der Hand die Huldigungen des begeisterten Volkes entgegen. Der völlig überrumpelte Peter wurde zur Abdankung gezwungen und auf ein Landgut abgeschoben, wo er fünf Wochen später unter ungeklärten Umständen zu Tode kam.

 

Rätselhafter Zarenmord
 
Über die Umstände des Todes von Zar Peter III. gibt es viele Gerüchte. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass er entweder bei einem Verhör oder bei einem Streit in einem seiner Landhäuser umgebracht wurde, wo er sich der Trunksucht und dem Vergnügen hingab. Wie weit seine Gattin Katharina ihre Hand im Spiel hatte, ist ungeklärt.
 

VIELE TALENTE

Katharina führte die Regierungsgeschäfte weitgehend selbst. Sie war ihre eigene Ministerin für Inneres, Äußeres, Justiz, Wirtschaft und Finanzen. Darüber hinaus förderte sie Kultur und Künste, ließ Paläste und Kathedralen errichten, Städte und Verkehrswege ausbauen. Anfangs war Katharina eine glühende Anhängerin der Aufklärung und ihrer Vertreter Voltaire, Montesquieu, d’Alembert und Diderot, mit denen sie eifrig Briefe wechselte. Nebenbei fand sie auch noch Zeit, Gedichte und Theaterstücke zu schreiben.

 

Leibeigene unter der Knute
 
Der weitaus größte Teil der Bevölkerung Russlands zur Zeit Katharinas der Großen waren Leibeigene. Die meisten waren Bauern, und alle waren sie der Besitz ihres Herrn. Der Grundherr bestimmte über sie: Er konnte sie verkaufen, mit oder ohne den Boden, den sie bearbeiteten, und er durfte sie nach seinem Gutdünken bestrafen. Die Stellung der Leibeigenen in Russland verschlechterte sich über die Jahre und erreichte unter der Herrschaft Katharinas ihren Höhepunkt. 1773/74 wagten die Bauern einen Aufstand - den Katharina freilich blutig niederschlagen ließ.
 
„Evangelium für die Menschheit”
 
1765 legte Katharina die Große Instruktion vor. Mit diesem Werk in 22 Kapiteln und 655 Paragraphen nahm sie eine grundlegende Reform des russischen Rechts vor. Der Aufklärer Voltaire, einer der Vorkämpfer der Französischen Revolution, pries es als „Evangelium für die gesamte Menschheit”.
 

RUSSLAND DEHNT SICH AUS

Unter Katharina führte Russland erfolgreich Krieg gegen das Osmanische Reich und gewann große Teile der Schwarzmeerküste und die Halbinsel Krim. In den eroberten Gebieten ließ sie Russen ansiedeln. Einem ehemaligen Geliebten verhalf sie auf den polnischen Thron – ehe sie im Zuge der Polnischen Teilungen in den Jahren 1772, 1793 und 1795 zusammen mit Preußen und Österreich den polnischen Staat komplett auflöste. Fast die Hälfte des polnischen Staatsgebietes verleibte Katharina Russland ein, die andere Hälfte ging an Preußen und Österreich.

 

Ein weiter Weg
 
Unter Katharina der Großen waren weite Teile Russlands noch unbewohnt. Deshalb ließ sie dort Kolonisten ansiedeln. Sie rodeten die Wälder, legten Sümpfe trocken, machten das Land urbar und gründeten Dörfer und Städte. In den Jahren 1763 bis 1767 kamen auf Einladung der Zarin auch sehr viele Deutsche als Kolonisten nach Russland. Sie siedelten sich an der unteren Wolga an und werden Wolgadeutsche genannt. Heute kommen viele der Wolgadeutschen in das Land ihrer Vorfahren zurück.
 

SCHRECKEN DER FRANZÖSISCHEN REVOLUTION

Obwohl Katharina ganz im Sinne der Aufklärung eine Fülle von Neuerungen einführte, hielt sie an ihrem absoluten Herrschaftsanspruch fest. Sie versorgte den Adel sogar noch mit zusätzlichen Vergünstigungen und verschlimmerte so die Lage der leibeigenen Bauern. Aus Furcht, die Französische Revolution könne auf Russland übergreifen, ging sie in ihren letzten Lebensjahren gegen Kritiker der bestehenden Gesellschaftsordnung vor und schickte sie in die Verbannung. Wegen ihrer vielen guten Seiten ging Katharina die Große dennoch nach ihrem Tod am 17. November 1796 als eine der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeiten nicht nur in die russische Geschichte ein.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

© cpw, 2007)