Kommunismus

und

Sozialismus

 

Die Ideen, die dahinter stecken, sind zu schön, um wahr zu sein. Sozialismus und Kommunismus versprechen ein besseres Leben, fast schon das Paradies auf Erden. Doch wo sie verwirklicht wurden, bescherten sie oft Elend und Unterdrückung. Damit Sozialismus und Kommunismus nämlich richtig funktionieren, müssten die Menschen wahrscheinlich Heilige sein. Da das aber die wenigsten sind, waren diese Ideen bisher stets zum Scheitern verurteilt. Schon die beiden Begriffe deuten darauf hin, worum es geht. Sie leiten sich von den lateinischen Wörtern socialis für „gesellschaftlich” und communis für „gemeinsam, gemeinschaftlich” her. Gemeint ist im Grunde das Gleiche, wobei Sozialismus eher den Weg und Kommunismus das Ziel beschreibt.

ARM UND REICH, GLEICH UND UNGLEICH

Zu allen Zeiten waren die Güter und der Reichtum unter den Menschen ungleich verteilt und deshalb auch die Chancen für ein sorgenfreies Leben; immer gab es Arme und Reiche, Rechtlose und Mächtige. In früheren Zeiten nahmen die benachteiligten und rechtlosen Menschen ihr Schicksal als göttliche Prüfung hin, aber das änderte sich im Zeitalter der Aufklärung. Plötzlich wurde klar, dass die Ungerechtigkeit nicht gottgegeben, sondern ein ganz und gar weltlicher Missstand war. Abhilfe versprach man sich von Gleichberechtigung und Menschenrechten. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”, so lautete die Losung der Französischen Revolution von 1789. Sie gab das Startsignal zum Umsturz der alten Gesellschaftsordnung.

Utopischer Sozialismus
Anklänge an den Kommunismus finden sich bereits in antiken Sagen von einem goldenen Zeitalter und in den Werken griechischer Philosophen wie Platon. Im Spätmittelalter gab es Bauernbewegungen und religiöse Strömungen, die sich nach Gerechtigkeit sehnten und nach einer Gesellschaftsordnung, in der es keine Gegensätze mehr gibt zwischen Arm und Reich. Bemerkenswert ist der so genannte utopische Sozialismus. Sein Name geht auf Das goldene Buch über die beste Staatsordnung und über die neue Insel Utopia von 1516 zurück. Der Autor, der englische Humanist und Staatsmann Sir Thomas More (1478-1535), beschreibt darin das Ideal einer Gesellschaftsordnung, in der es keine Armut, keinen Luxus, kein Privateigentum gibt. Jeder hat dort die Möglichkeit, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen. Arbeit, Erziehung und Güterverteilung werden vom Staat organisiert. Die Bewohner Utopias haben viel Freizeit, die sie den Wissenschaften und den Künsten widmen. Das Lebensnotwendige erhalten sie ohne Bezahlung. Den utopischen Sozialisten zugerechnet werden u. a. Graf von Saint-Simon (1760-1825), Charles Fourier (1772-1837) und Robert Owen (1771-1858). Ihr Werk und Wirken übten großen Einfluss auf den Marxismus aus.

INDUSTRIELLE REVOLUTION UND KAPITALISMUS

Doch es zeigte sich bald, dass Menschen- und Freiheitsrechte allein noch nicht vor Ungerechtigkeit schützen. Unübersehbar wurde dies während der industriellen Revolution. Sie begann bei uns im 19. Jahrhundert, als das Handwerk von Fabriken verdrängt wurde, in denen die Waren von Maschinen hergestellt wurden. Sie stürzte massenweise Menschen ins Elend. Um nicht zu verhungern, waren die Menschen gezwungen, sich als Industriearbeiter von eigennützigen Fabrikbesitzern ausbeuten zu lassen. Von Gleichheit und Brüderlichkeit war keine Spur mehr – im Gegenteil. Die Eigentumsverhältnisse spalteten die Gesellschaft in zwei Klassen: auf der einen Seite die Klasse der wenigen reichen Fabrikanten, die man auch Kapitalisten nannte, da sie allein im Besitz des Kapitals (Fabriken, Geld) waren; auf der anderen Seite die Masse der armen Lohnarbeiter, auch Proletarier genannt, die nichts besaßen als ihre Arbeitskraft.

KLASSENKAMPF

Aus Empörung über die Zustände und die schreiende Ungerechtigkeit im Kapitalismus entstand eine politische Bewegung, die zur Enteignung der Kapitalisten durch eine Revolution aufrief – und zwar durch eine „proletarische” Revolution, eine Revolution der Arbeiter also im Gegensatz zu der bürgerlichen Französischen Revolution. Diese Bewegung forderte den Sozialismus. Das ist die Verstaatlichung oder Vergesellschaftung (die „Sozialisierung”) allen Eigentums, um es dem gesamten Volk zugute kommen zu lassen. Grund, Boden und Fabriken sollten allen gehören. Dann würde es keine Reichen und Armen mehr geben. Die wichtigsten Vordenker der neuen Bewegung waren Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895). Ihre Lehre vom Sozialismus und Kommunismus nennt man Marxismus.

Opium des Volks
Religion ist das Opium des Volks, meinte Karl Marx. Im Glauben sah er ein Instrument der herrschenden Klasse zur Unterdrückung. Erziehung zur Frömmigkeit war für ihn gleichbedeutend mit Gehirnvernebelung, gibt doch der Glaube an Gott und an die Erlösung den Menschen einen Lebenssinn und hilft ihnen, ihr Elend ohne Murren zu ertragen. Deshalb der Vergleich mit der Rauschdroge Opium, die Schmerzen lindert und ein Gefühl von Wohlbehagen auslöst.

MARXISMUS

In der klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus wären alle Menschen gleich, und niemand würde mehr fremdbestimmt werden. „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen”, lautet das Motto. Das heißt, in der kommunistischen Gesellschaft müsste jeder seine Arbeitskraft ganz nach seinen Fähigkeiten selbstlos in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Als Gegenleistung würde er entsprechend seinen Bedürfnissen alles erhalten, was er zum Leben braucht.

ÜBER DEN SOZIALISMUS ZUM KOMMUNISMUS

Die Übergangszeit zwischen Kapitalismus und Kommunismus wird im Marxismus als Sozialismus bezeichnet. In dieser Phase könne noch keine Demokratie herrschen, heißt es. Die Klassenunterschiede seien nur durch Zwang zu beseitigen – welcher Reiche und Mächtige gibt schon freiwillig seinen Reichtum und seine Macht ab? Deshalb sei in der Übergangszeit eine Alleinherrschaft der Arbeiter nötig, eine „Diktatur des Proletariats”. Gesetzgebende Gewalt und Regierungsgewalt, die in den heutigen Demokratien strikt getrennt sind, müssten in dieser Phase in einer Hand liegen, nämlich in der des Proletariats. Ist dann die klassenlose Gesellschaft des Kommunismus erreicht, würde der Staat überflüssig werden. Denn nach Marx dient der Staat ausschließlich zur Unterdrückung, und zwar zur Unterdrückung durch die herrschende Klasse.

DER DEMOKRATISCHE SOZIALISMUS

Die ausgebeutete Arbeiterschaft in Europa und Amerika war begeistert von diesen Ideen, versprachen sie doch ein besseres Leben. Doch Revolutionen zur Beseitigung der Klassengegensätze blieben in den Industriestaaten aus. Das hatte verschiedene Gründe. Getrieben von einem schlechten Gewissen oder christlicher Nächstenliebe entdeckten manche Unternehmer ihre Fürsorgepflicht für die mittellosen Arbeiter. Ermutigt von Marx und Engels bildete sich daneben eine Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung heraus, die den Kampf für soziale Gerechtigkeit mit friedlichen Mitteln aufnahm. Und um einer möglichen Revolution vorzubeugen, begann auch der Staat, die Proletarier vor der schrankenlosen Ausbeutung zu schützen. Neuartige Grundrechte in den Verfassungen verpflichten seitdem die Regierungen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Menschenrechte durch soziale Ungerechtigkeit bedroht werden. Es entwickelte sich das, was man heute den Sozialstaat nennt.

Sozialismus oder Sozialdemokratie?
Der Streit um den richtigen Weg zur gerechten Gesellschaft spaltete die Arbeiterbewegung in gemäßigte Reformsozialisten und revolutionäre Kommunisten. Aus der reformsozialistischen Strömung ist die Sozialdemokratie hervorgegangen. So warben z. B. die führenden Köpfe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) darum, den revolutionären Kampf gegen den Staat aufzugeben und sich stattdessen an seiner politischen Mitgestaltung zu beteiligen, um Verbesserungen für die Arbeiterklasse herbeizuführen. Damit waren die Linksradikalen in der Partei nicht einverstanden. Sie spalteten sich von der SPD ab und gründeten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

REVOLUTIONÄRER SOZIALISMUS

Zum Durchbruch gelangte der revolutionäre Sozialismus ausgerechnet da, wo es die wenigsten vermutet hätten: in Russland. Denn dort waren die Voraussetzungen für eine proletarische Revolution, wie Marx sie dargelegt hatte, kaum gegeben: Der Kapitalismus befand sich erst in den Kinderschuhen, und ein Arbeiterproletariat in einem nennenswerten Umfang gab es in der bäuerlich geprägten russischen Gesellschaft auch noch nicht. Führender Kopf der siegreichen sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 war Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924). Er hatte den Marxismus an die Verhältnisse in Russland angepasst und zum Leninismus weiterentwickelt.

LENINISMUS UND BOLSCHEWISMUS

Lenin hatte erkannt, dass die Arbeiter und Bauern in ihrem täglichen Überlebenskampf keine Zeit hatten, ein politisches oder gar revolutionäres Bewusstsein zu entwickeln. Deshalb wollte er eine Partei schaffen mit einem Kern aus Berufsrevolutionären, die das Proletariat zur Revolution, zum Sozialismus und schließlich zum Kommunismus führen sollte. Diese Vorstellungen suchte Lenin mit der Partei der Bolschewiki (russisch für „Mehrheitler”) in die Tat umzusetzen. Dies brachte dem russischen Sozialismus den Namen Bolschewismus ein. Aus Lenins Partei ging später die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) hervor. Sie wurde zum Vorbild für sämtliche sozialistischen Staatsparteien der Welt.

Wo bleibt der „neue Mensch”?
Bereits Lenin setzte beim Aufbau des Kommunismus seine ganze Hoffnung auf einen „neuen Menschen”. Geprägt von Gerechtigkeitssinn, Wahrheitsliebe und Schlichtheit sollte er sein und gewissenhaft seine Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit verrichten. Doch als sich dieser „neue Mensch” nicht freiwillig einstellen wollte, griff man in den meisten Ländern des „real existierenden Sozialismus” zu den Mitteln der Zwangsherrschaft und des Polizeistaates.

REAL EXISTIERENDER SOZIALISMUS

Im Unterschied zu Marx und Engels war für Lenin die Diktatur des Proletariats von entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Sozialismus. Die Anwendung diktatorischer Gewalt gegen die „Ausbeuterklasse” hielt er für unerlässlich. So ist es kein Wunder, dass der Aufbau des neuen „Paradieses der Werktätigen” von Verfolgung und Terror begleitet war. Nach der Oktoberrevolution von 1917 und dem anschließenden Bürgerkrieg wurde aus Russland die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR). Nach dem 2. Weltkrieg (1939-1945) brachte die UdSSR ganz Osteuropa in ihren Einflussbereich und sorgte dafür, dass auch in diesen Ländern kommunistische Regimes entstanden. Auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war ein auf die UdSSR ausgerichteter und von ihr abhängiger Staat mit einer sozialistischen Einheitspartei. Allerdings hatte der so genannte real existierende Sozialismus in der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten nicht mehr allzu viel mit den ursprünglichen Ideen von Marx und Engels zu tun.

Die Ideen des Sozialismus und Kommunismus fanden vor allem in den Ländern der Dritten Welt großen Anklang, da dort die Kluft zwischen der Masse der Armen und den wenigen Reichen besonders groß ist. Immer wieder entstanden revolutionäre kommunistische Bewegungen, die oft gewaltsam die Macht übernahmen. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 befanden sich 39 Prozent der Erdoberfläche und 42 Prozent der Weltbevölkerung unter sozialistischer Herrschaft. China, mit etwa 1,3 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt, wird heute noch von einer Kommunistischen Partei beherrscht.

Gescheiterte Planwirtschaft
Die russischen Kommunisten hatten sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die kapitalistischen Länder wirtschaftlich einzuholen und sogar zu überflügeln. Dies blieb jedoch ein Wunschtraum. Nach gewaltigen Anfangserfolgen geriet die sowjetische Wirtschaft und Entwicklung zunehmend ins Stocken. Mehr und mehr offenbarten sich die Schwächen der Planwirtschaft, der Wirtschaftsordnung des Kommunismus. Da es keine wirtschaftliche Konkurrenz gab, gab es auch keinen anspornenden Wettbewerb, und oft fehlte den Menschen auch der Arbeitsanreiz. Der Lohn war niedrig, das Warenangebot knapp. Und für die Deckung der Grundbedürfnisse sorgte ohnehin der Staat – auch ohne dass man sich besonders anstrengte.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)