Wladimir Iljitsch Lenin

 

Wie kaum ein anderer hat er der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts einen dauerhaften Stempel aufgedrückt. Lenin verband ein Höchstmaß an Intelligenz mit Tatkraft und Durchsetzungsvermögen. Als politischer Theoretiker entwickelte er die kommunistische Lehre von Karl Marx weiter und passte sie den Verhältnissen seiner Zeit in Russland an. Als revolutionärer Praktiker beteiligte er sich am Sturz des Zaren und riss mit Gewalt die Macht in Russland an sich, um seinen Marxismus-Leninismus in die Tat umzusetzen. In seinen letzten Lebensjahren legte er den Grundstein der Sowjetunion, die in den 70 Jahren ihres Bestehens zur Weltmacht aufsteigen und die politische Landschaft der Erde grundlegend verändern sollte.

KINDHEIT

Sein richtiger Name war Wladimir Iljitsch Uljanow, und er wurde am 22. April 1870 in Simbirsk an der Wolga geboren. Er war das dritte von sieben Geschwistern, von denen jedoch eines im Säuglingsalter starb. Sein Vater war der Volksschulinspektor Ilja Nikolajewitsch Uljanow, seine Mutter Maria Alexandrowna Blank, eine kultivierte Arzttochter mit deutschen Vorfahren.

Der kleine „Wolodja” – wegen seiner stämmigen und kleinen Statur auch „Kubyschka” (Fässchen) genannt – schien anfangs ein wenig zurückgeblieben. Doch etwas verspätet entwickelte er sich zu einem Rabauken, der kaum zu bändigen war. Im Gymnasium glänzte er durch seine überdurchschnittliche Auffassungsgabe und sein schriftstellerisches Talent. Durch seine Kindheit unter den veramten Wolgabauern bildeten sich bei Wladimir schon früh Sympathien für das arbeitende Volk und ein gewisser Hass gegen das Zarentum heraus, das er als Ursache der Missstände erkannte.

Lenin würde sich im Grab umdrehen…
…wenn er denn eines hätte! Denn auf Befehl Stalins wurde der Leichnam Lenins mumifiziert. Bis heute ist Lenins lebensfrisch wirkender Körper in einem Mausoleum auf dem Moskauer Roten Platz ausgestellt. Obwohl ihm zeitlebens jegliche Verherrlichung zuwider war, wurde Lenins Grabmal zum Zentrum eines beispiellosen Personenkults. Nach dem Zerfall der Sowjetunion forderten viele Leute, Lenin endlich zu beerdigen.

POLITISCHES ERWACHEN

Doch zum prägendsten Erlebnis wurde für Wladimir die Hinrichtung seines älteren Bruders Aleksandr im Jahr 1887 wegen Teilnahme an einer Verschwörung gegen den Zaren. Aleksandr, der sich schon als Schüler vom christlichen Glauben abgewandt hatte, war stets Wladimirs großes Vorbild gewesen. Um ihm zu gefallen, hatte sich Wladimir auch schon früh mit revolutionären Ideen und den Schriften von Karl Marx beschäftigt. Nun wandte er sich ebenfalls vom Glauben ab und erklärte dem Zaren insgeheim den Krieg. Während des Studiums schloss er sich marxistischen Zirkeln an, knüpfte Kontakte zu russischen Sozialdemokraten und beteiligte sich an Studentenprotesten, was ihm eine vorübergehende Haftstrafe einbrachte.

FÜHRENDER KOPF DER ARBEITERBEWEGUNG

Als frisch gebackener Rechtsanwalt ging Wladimir Uljanow 1893 nach Sankt Petersburg, damals die Hauptstadt und das politische Zentrum Russlands. Doch statt in seinem Beruf zu arbeiten, machte er sich in der verbotenen revolutionären Arbeiterbewegung einen Namen. 1895 reiste er in die Schweiz und knüpfte dort politische Kontakte zu führenden Kommunisten und Sozialdemokraten. Darunter waren auch viele Russen, die auf der Flucht vor der zaristischen Polizei ins Ausland gegangen waren. Sie ermutigten ihn zum Aufbau einer revolutionären Organisation in Russland.

JAHRE IM EXIL

Nach seiner Rückkehr im Herbst 1895 vereinigte Uljanow die marxistischen Gruppen von Sankt Petersburg zum „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse”. Wegen seiner Aktivitäten wurde er verhaftet und 1897 nach Sibirien verbannt. Dort heiratete er Nadeschda Krupskaja, die seine engste Mitarbeiterin wurde. Nach seiner Freilassung im Juli 1900 tauchte er im Ausland unter. Er lebte u. a. in München, von wo aus er die revolutionäre Zeitung Iskra („Funke”) herausgab. Um 1901 nahm er den Decknamen Lenin an.

1902 schrieb Lenin zusammen mit seiner Frau das Werk Was tun? Es enthält die wesentlichen Züge des Leninismus, u. a. die Forderung nach dem Aufbau einer Partei aus Berufsrevolutionären, die die Vorhut der Revolution bilden sollten. Er schrieb: „Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Russland aus den Angeln heben.”

Früh vollendet
Bereits in seiner Studentenzeit in Samara galt Wladimir Uljanow als absolute Respektsperson in den marxistischen Kreisen. „Er wurde dort fast ebenso vergöttert wie in der Familie”, schrieb einer seiner Genossen. Der erst 22-Jährige „machte den Eindruck eines politisch absolut vollendeten und gefestigten Menschen”.

REVOLUTION UND LENINISMUS

Nach dem Ausbruch der Russischen Revolution von 1905 kehrte Lenin sofort in seine Heimat zurück, um die Gunst der Stunde zu nutzen. Doch der Umsturzversuch missglückte, und Lenin floh abermals nach Westeuropa. Während des 1. Weltkrieges (1914-1918) lebte Lenin in der Schweiz. Als es im Februar 1917 erneut zu Aufständen gegen den Zaren kam, wurde Lenin mit deutscher Hilfe nach Russland gebracht. Denn Deutschland erhoffte sich von Lenin einen politischen Umsturz in Russland und damit ein rasches Ende des Krieges im Osten. Der Plan ging auf.

In der Oktoberrevolution übernahm Lenins Partei der Bolschewiki am 25. Oktober 1917 (nach dem damals in Russland gültigen julianischen Kalender; nach unserem Kalender am 7. November) die Macht, und Lenin selbst stellte sich an die Spitze der Regierung. Er versuchte nun zu errichten, was man im Marxismus als „Diktatur des Proletariats” bezeichnet, und zwar mit den Mitteln des Leninismus, also unter der Führung einer straff organisierten Partei, die der Arbeiterklasse als Vorhut auf dem Weg zum Sozialismus und Kommunismus voranschreiten sollte.

Bolschewiki und Menschewiki
1903 kam es auf dem zweiten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), der Lenin seit 1899 angehörte, zum Streit und zur Spaltung. Lenin fand mit seiner Forderung nach einer straffen Organisation der Partei unter der Führung von Berufsrevolutionären eine Mehrheit (russisch: bolschinstwo). Seine Anhänger bezeichneten sich seitdem als Bolschewiki, „Mehrheitler”. Die Minderheit (russisch: menschinstwo), die sich für eine Partei der Volksmassen ausgesprochen hatte, nannte man von nun an Menschewiki, „Minderheitler”. 1912 spalteten sich die Bolschewiki von der SDAPR ab und wurden eine eigene Partei. Aus ihr ging später die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) hervor.

AUFBAU DER SOWJETHERRSCHAFT

Die Oktoberrevolution stürzte Russland in einen blutigen Bürgerkrieg, in dem die revolutionäre Rote Armee gegen die antibolschewistischen Weißen kämpfte. Durch den Sieg über die Weißen konnte Lenin 1920 die Alleinherrschaft der Bolschewiki endgültig durchsetzen und sich an den Aufbau des Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparates machen. Doch 1922 setzten zwei Schlaganfälle innerhalb weniger Monate Lenins Eifer ein jähes Ende. Er starb am 21. Januar 1924 in Gorki bei Moskau. Bei der Trauerfeier für Lenin trat erstmals Jossif W. Stalin öffentlich als Parteiführer auf. Lenin hatte schon Jahre zuvor seine Partei nachdrücklich vor dem machtbesessenen und rücksichtslosen Stalin gewarnt – zurecht, wie sich bald herausstellen sollte.

Staatsterror durch die Geheimpolizei
Nach der Revolution arbeiteten die Bolschewiki noch eine Zeit lang mit den Menschewiki zusammen. Aber im Verlauf des Jahres 1918 schalteten sie alle politischen Rivalen aus und errichteten eine Diktatur. Häufig wird behauptet, erst unter Stalin sei die Sowjetherrschaft zur Gewaltherrschaft verkommen. Doch es war Lenin, der bereits am 20. Dezember 1917 eine so genannte außerordentliche „Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution und der Spekulation” einsetzte. Unter dem Namen Tscheka wurde diese Geheimpolizei zum Inbegriff des Staatsterrors. Ihre Nachfolgeorganisation war der berüchtigte KGB.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
 Roland Detsch

(© cpw, 2007)