Menschenrechte

 

„Die Würde des Menschen ist unantastbar”, so beginnt der erste Artikel des Grundgesetzes (der Verfassung) der Bundesrepublik Deutschland. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” Damit wird die Menschenwürde zur obersten Richtschnur rechtlichen und politischen Handelns. Zugleich bildet sie die Grundlage der Menschenrechte, vor allem des Rechts auf Leben.

Menschenrechte sind grundlegende Rechte, die jedem Menschen zustehen, ganz gleich welchem Volk, Staat, Geschlecht oder welcher Religion er angehört – und auch unabhängig davon, ob er gut oder böse ist. Es sind ewig gültige angeborene Rechte, die jedem Menschen allein wegen seines „Menschseins” zukommen. Sie dürfen ihm nicht genommen werden, und sie sollen ihn vor Übergriffen der Staatsgewalt schützen. In den meisten Rechtsstaaten werden die Menschenrechte als Grundrechte in der Verfassung garantiert.

MENSCHENUNWÜRDIG

Die Menschenrechtsidee geht auf die Philosophie der Aufklärung zurück. So nennt man eine geistige Bewegung im 17. und 18. Jahrhundert, die den Menschen sozusagen aus der Dunkelheit jahrhundertelanger Unwissenheit und Gottesgläubigkeit in das Licht von Wissen und Vernunft führen wollte. Zwar wurde auch schon in der Antike über die Gleichheit der Menschen philosophiert. Und auch die christliche Vorstellung vom Menschen als „Kind Gottes” oder sogar „Ebenbild Gottes” ließe Ungleichheit und Rechtlosigkeit eigentlich gar nicht zu. Doch in Wirklichkeit fristeten große Teile der Menschheit über Jahrtausende ein menschenunwürdiges Dasein als Sklaven, Leibeigene und Untertanen. Und dies unter Machthabern, die sich manchmal selbst für Götter hielten oder zumindest glaubten, durch „Gottes Gnaden” zur Herrschaft berufen zu sein. Damit sollte es aber nun endgültig vorbei sein.

GEGEN DIE ALTE ORDNUNG

Das erste Aufbegehren gegen die alte Ordnung gab es in England. Dort trotzten aufständische Adlige dem König bereits 1215 die Magna Charta Libertatum („Große Urkunde der Freiheiten”) ab. Und 1628 sicherten sich auch die englischen Bürger durch die Petition of Right („Bittschrift um Recht”) mehr Rechtssicherheit und 1679 durch die Habeas-Corpus-Akte dann auch erste Grundrechte.

FREI GEBOREN

Den Durchbruch brachte jedoch erst eine Veränderung des Menschenbildes. Und dafür sorgte das so genannte Naturrechtsdenken des 17. Jahrhunderts. Philosophen wie der Engländer John Locke wollten nicht mehr daran glauben, dass die Stellung des Menschen in der Gesellschaft von Gott vorherbestimmt sei. Locke ging vielmehr davon aus, dass die Menschen im Naturzustand alle gleich und mit gleichen Rechten ausgestattet waren, vor allem mit dem Recht auf Leben, auf Freiheit und auf Eigentum. Und dasselbe forderte Locke auch für den Menschen, der mit anderen in einem Staat zusammen lebte. Denn der Staat sei das Ergebnis eines freiwilligen Gesellschaftsvertrages zwischen freien Menschen. Sie hätten ihn geschlossen, um in Frieden und Sicherheit leben zu können, und nicht, um ihre Rechte aufzugeben.

AUFSTAND DER RECHTLOSEN

Solche Ansichten fanden beim rechtlosen Volk großen Anklang. Und als die Obrigkeit keine Anstalten machte, ihm freiwillig volle Rechte zu gewähren, holte sie sich das Volk schließlich mit Gewalt. Den Auftakt bildeten dabei die Amerikanische Revolution von 1776 und in Europa die Französische Revolution von 1789. Die USA und Frankreich waren es auch, die sich als Erste Verfassungen gaben, in denen die Staatsgewalt zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet wurde. Sie wurden damit zum Vorbild für viele andere. Doch es dauerte noch gut 200 Jahre, bis die Idee der Menschenrechte in ganz Europa politisch und rechtlich in die Tat umgesetzt war.

SOZIALE UNGERECHTIGKEIT

Im Lauf der Zeit hatte es sich aber auch gezeigt, dass Menschenrechte oder bürgerliche Freiheitsrechte allein noch nicht vor Ungerechtigkeiten schützen. Zum Beispiel vor den schreienden sozialen Ungerechtigkeiten, die die Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit sich brachte: Millionen Menschen waren gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken zu arbeiten. Sie hatten keinerlei rechtlichen Schutz und bekamen gerade so viel Lohn, dass sie nicht verhungerten. Um diesen unmenschlichen Zuständen und den Ungerechtigkeiten einen Riegel vorzuschieben, wurde der Sozialstaat entwickelt. Die Grundrechte in der Verfassung des Sozialstaates verpflichten die Staatsgewalt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Menschenrechte durch Fehlentwicklungen und soziale Ungerechtigkeit bedroht werden.

Die Grundrechte eines modernen Sozialstaates, wie auch die Bundesrepublik Deutschland einer ist, setzen sich in der Regel folgendermaßen zusammen.

1. Persönlichkeitsrechte: Sie bilden den Kern der Menschenrechte und sollen dafür sorgen, dass die Menschenwürde unangetastet bleibt. Sie umfassen unter anderem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Persönlichkeitsrechte haben beispielsweise dazu geführt, dass heute Folter, Sklaverei oder auch nur die körperliche Züchtigung unzulässig geworden sind. Vor wenigen Jahrzehnten war es durchaus noch üblich, dass Lehrer ihre Schüler bei schlechtem Benehmen mit Schlägen bestraften.

2. Politische Rechte und Bürgerrechte: Sie stellen sicher, dass jeder Mensch ungehindert am politischen Leben im Staat teilnehmen kann. Ein wichtiges Recht in diesem Zusammenhang ist die Meinungsfreiheit. Sie sorgt auch für die Pressefreiheit. Und diese ermöglicht es Journalisten, den Politikern kritisch auf die Finger zu schauen und Missstände öffentlich in Zeitungen oder im Rundfunk anzuprangern. Genau so wichtig sind in diesem Zusammenhang aber auch das Recht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau oder das Verbot der Benachteiligung wegen Rasse, Sprache, Herkunft oder Glauben.

3. Soziale und ökonomische Rechte: Sie sollen sicherstellen, dass jeder Mensch wenigstens mit den grundlegenden Dingen des Lebens versorgt ist. Sie enthalten aber auch das Recht auf Bildung. Und dieses Recht ist die Voraussetzung dafür, dass es jedermann im Leben zu etwas bringen kann, wenn er will. Auch das Recht auf Eigentum wird gewährleistet. Aber der Eigentümer wird zugleich dazu verpflichtet, es zum Wohle der Allgemeinheit zu verwenden.

ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN, ANDERES RECHT?

Die Menschenrechte haben, wie wir gesehen haben, ihre Wurzeln eindeutig in der Kultur des Abendlandes, d. h. in Europa und den europäisch geprägten USA. Gleichzeitig beanspruchen sie allumfassende, also auch weltweite Gültigkeit. Da kann es natürlich leicht zu Problemen kommen, wenn man die Menschenrechte auf andere Kulturen übertragen will, also auf Völker mit völlig anderen geschichtlichen Erfahrungen, Wertvorstellungen und Menschenbildern. Dennoch hat man es versucht. Vor allem nach den schlimmen Erfahrungen des 2. Weltkrieges. Denn man wollte verhindern, dass es noch einmal zu solch schrecklichen Menschenrechtsverletzungen kommt, wie sie die Deutschen unter der Führung von Adolf Hitler im 2. Weltkrieg planmäßig verübt hatten.

NICHTS ALS SCHÖNE WORTE?

Diesem Zweck diente unter anderem die Gründung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) im Jahr 1945, der inzwischen fast alle Staaten der Welt beigetreten sind. So enthält bereits die UN-Charta (die Satzung der Vereinten Nationen) in Artikel 1 das Gebot, die „Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache und der Religion zu fördern und zu festigen”. Am 10. Dezember 1948 wurde überdies die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verkündet. Sie enthält in 30 Artikeln alle nur denkbaren Menschenrechte, Grundfreiheiten, Rechtschutzgarantien, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Das Problem ist nur, dass die Vereinten Nationen keine Möglichkeiten haben, diese Rechte auch wirklich durchzusetzen. Inzwischen folgten noch einige zusätzliche Verträge nach; außerdem gibt es bei den Vereinten Nationen Abteilungen, deren Mitarbeiter weltweit die Einhaltung der Menschenrechte überwachen sollen. Doch auch sie können zumeist nur hilflos zusehen, wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Die Rechte des Kindes
Als schwächste und hilfloseste Mitglieder der Gesellschaft haben Kinder immer wieder unter schweren Menschenrechtsverletzungen zu leiden. Deshalb haben die Vereinten Nationen am 20. November 1959 eine gesonderte „Erklärung der Rechte des Kindes” verabschiedet. Der 20. November ist seither der Tag der Kinderrechte. Im Vorwort dieser Erklärung steht der Satz: „Die Menschheit schuldet den Kindern das Beste, das sie zu geben hat.”

DER KAMPF GEHT WEITER

In den vergangenen Jahrzehnten sind auch zahlreiche nichtstaatliche Organisationen (so genannte Nichtregierungsorganisationen, kurz: NGO von englisch Non-governmental Organization) mit weltumspannenden Netzwerken aus mutigen Menschenrechtlern entstanden. Sie veröffentlichen regelmäßig Berichte, in denen sie Verstöße gegen die Menschenrechte anprangern. Sie sind bei Machthabern in Unrechtsstaaten nicht gerne gesehen.

WICHTIGE MENSCHENRECHTSORGANISATIONEN

amnesty international (ai): 1961 in England gegründete Organisation mit Sektionen in 58 Staaten der Welt. Sie tritt vor allem für politische Gefangene ein, die keine Gewalttaten verübt haben, und sie kämpft gegen Folter, Todesstrafe und menschenunwürdige Behandlung. amnesty international wurde für seine Arbeit bereits mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Human Rights Watch (HRW): 1978 gegründete Organisation mit Sitz in New York. Human Rights Watch ist die größte amerikanische Menschenrechtsvereinigung mit Zweigstellen in Europa, Russland und China. Sie geht Menschenrechtsverletzungen auf den Grund und arbeitet weltweit mit mehr als 180 Anwälten, Journalisten und anderen Experten zusammen.

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM): 1972 in Frankfurt am Main gegründete Organisation mit Zweigstellen in 25 Staaten der Welt. Sie unterstützt Menschen, die sich gewaltlos für die Verwirklichung der Grundrechte in ihren Ländern einsetzen und deswegen verfolgt werden.

Verletzung der Menschenrechte
Im Jahr 2002 gab es in mindestens 34 Staaten politische Gefangene, die ausschließlich wegen der friedlichen Ausübung ihrer grundlegenden Menschenrechte inhaftiert wurden. In 106 Staaten wurden Menschen während ihrer Haft gefoltert oder misshandelt, viele starben an den Folgen der Folter oder den unmenschlichen Haftbedingungen. In 54 Staaten waren Menschen willkürlich oder ohne Anklage und Verfahren in Haft. In mindestens 42 Staaten wurden Menschen Opfer von Hinrichtungen ohne gesetzliche Grundlage. Das sind die Zahlen und Fälle, die amnesty international 2002 bekannt geworden sind. Die tatsächliche Zahl der Menschenrechtsverletzungen dürfte sehr viel höher liegen.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)