Napoleon Bonaparte

 

Kaum eine Gestalt in der Geschichte Europas hat die Geister derart geschieden wie Napoleon. Und er war in der Tat eine zwiespältige Persönlichkeit. Einerseits schwang er sich – übrigens mit Zustimmung des Volkes – zum Alleinherrscher und „Kaiser der Franzosen” auf und führte blutige Eroberungskriege; andererseits kämpfte er durchaus für die Ideen der Französischen Revolution. Kein Wunder, dass er auf seinen Eroberungszügen vom Volk als Befreier begrüßt wurde – am Anfang jedenfalls …

Napoleon und Deutschland
Napoleon veränderte Deutschland in 20 Jahren mehr als alle deutschen Kaiser und Könige in Jahrhunderten zuvor. Die kirchlichen Fürstentümer wurden säkularisiert, d. h. verweltlicht. Es verschwanden insgesamt 112 Reichsbistümer, Reichsabteien und Reichsstädte sowie 350 Reichsritterschaften von der politischen Landkarte. Drei Millionen Menschen wechselten ihre Herren. Höhepunkt war die Gründung des Rheinbundes am 12. Juli 1806, der das Ende des Heiligen Römischen Reiches nach sich zog.

KINDHEIT

Napoleone Buonaparte, so sein richtiger Name, kam am 15. August 1769 in Ajaccio auf der Insel Korsika zur Welt. Er entstammte einem adligen Elternhaus und war das vierte von zwölf Kindern. Im Alter von neun Jahren schickte ihn sein Vater nach Frankreich auf die Militärschule. Napoleone war ein düsterer und empfindsamer Knabe. Spiele verachtete er, und seine Kameraden hänselten ihn wegen seines korsischen Akzents und seiner Kleinwüchsigkeit. Selbst im Erwachsenenalter brachte er es nur auf knapp eineinhalb Meter. Er war ein mittelmäßiger Schüler, aber ein begabter Mathematiker. Er las viel, träumte von literarischem Ruhm und interessierte sich für Geschichte. Besonders Julius Caesar beeindruckte ihn.

MILITÄRISCHE ERFOLGE

Seine militärische Laufbahn begann Napoleone im Oktober 1785 als Kanonier bei der königlichen Artillerie. Nach 1789 machte er in den Kriegen gegen die Feinde der Französischen Revolution rasch Karriere. Ein gewitzter Plan zur Rückeroberung des südfranzösischen Marinestützpunktes Toulon aus der Hand der Royalisten (Königstreuen) hatte ihm schon mit 24 Jahren eine Beförderung zum Brigadegeneral eingebracht. Durch weitere Siege stieg er 1795 zum Befehlshaber der „Armee des Innern” auf. Im Jahr darauf übernahm er das Kommando der französischen Armee in Italien. Obwohl seine Soldaten in der Minderzahl waren, schlug er dort in vier Schlachten die österreichischen Heere und zwang Österreich einen Friedensvertrag auf, der Frankreich große Gebiete in Italien und eine hohe Kriegsbeute einbrachte.

Joséphine und Marie Louise
1796 vermählte sich Napoleon mit Joséphine de Beauharnais. Die Heirat mit der adeligen Dame eröffnete ihm den Zugang zur herrschenden Gesellschaftsschicht. Doch die Ehe war ziemlich turbulent. 1809 ließ sich Napoleon von Joséphine scheiden und heiratete 1810 die Habsburgerin Marie Louise, Tochter von Kaiser Franz I. Damit hatte er nun in eine der ältesten und mächtigsten Herrscherfamilien Europas eingeheiratet. Marie Louise schenkte ihm seinen einzigen Sohn, den späteren Herzog von Reichstadt. Nach Napoleons erster Abdankung 1814 ging sie wieder an den Hof ihres Vaters in Wien. Napoleon sah Frau und Sohn niemals wieder.

STAATSSTREICH UND KAISERTUM

Diese Tat machte Napoleon Bonaparte – inzwischen hatte er seinen Namen „französisiert” – zum Nationalhelden. Als im Volk die Unzufriedenheit mit den chaotischen Regierungen der Französischen Revolution wuchs, nutzte er 1799 seine Beliebtheit und stürzte in einem Staatsstreich die Regierung. Anschließend machte er sich im Range eines Ersten Konsuls zum Regierungschef und ließ sich dieses Amt 1802 auf Lebenszeit übertragen. Am 2. Dezember 1804 krönte er sich selbst in der Kathedrale Notre-Dame in Paris zum erblichen Kaiser der Franzosen und ließ sich anschließend vom Papst weihen. Amt und Titel wurden ihm durch eine Volksbefragung bestätigt.

Der Code civil
Innenpolitisch sorgte Napoleon für umfassende Reformen von Verwaltung, Justiz und Erziehungswesen und verwandelte Frankreich in einen zentralistischen Staat. Er führte den Code civil (auch Code Napoléon genannt) ein, das erste moderne bürgerliche Gesetzbuch. Durch Napoleons Eroberungszüge fand der Code civil in weiten Teilen Europas Verbreitung und brachte vielen Völkern erstmals eine rechtsstaatliche Ordnung. Teilweise ist der Code civil heute noch in Kraft.

NAPOLEONISCHE KRIEGE

Es folgte eine Reihe militärischer Auseinandersetzungen mit anderen europäischen Mächten, die als Napoleonische Kriege in die Geschichte eingegangen sind. Mit seinem Sieg über die vereinten Armeen Preußens und Russlands in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 hatte Napoleon die uneingeschränkte Vorherrschaft in Mitteleuropa gewonnen. Die Wende in Napoleons politischem und militärischem Schicksal leitete 1812 der Feldzug nach Russland ein. Napoleon stieß mit seiner Armee bis nach Moskau vor, musste dann jedoch unverrichteter Dinge umkehren. Auf dem Rückweg nach Frankreich kam der größte Teil seiner Armee durch Hunger, Kälte und ständige Angriffe um.

Napoleon und England
Der einzige Gegner, an dem sich Napoleon wirklich die Zähne ausbiss, war England. Schon 1798 unternahm er in Ägypten den vergeblichen Versuch, die englischen Truppen zu schlagen. Seine Pläne einer Invasion Englands musste er 1805 fallen lassen, als ihn österreichische und russische Truppen zur Dreikaiserschlacht von Austerlitz zwangen. Dann versuchte er es mit einer Wirtschaftsblockade, der so genannten Kontinentalsperre. Die Weigerung Russlands, sich daran zu beteiligen, führte letztlich zum Krieg gegen Russland, und dieser Krieg leitete das Ende der napoleonischen Herrschaft ein.

DAS ENDE

Der sieglose und verlustreiche Rückzug seiner Truppen aus Russland steigerte die Unzufriedenheit in der französischen Bevölkerung. Die andauernde Plünderung der Staatskassen für die Feldzüge und die Polizeiherrschaft hatten das Ansehen des Kaisers schon seit längerem schwinden lassen. Und auch die Völker in den besetzten Gebieten hatten vergeblich auf mehr politische Rechte gewartet. Der sinkende Stern Napoleons rief seine europäischen Gegner auf den Plan.

In der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 musste sich das napoleonische Heer der Übermacht der verbündeten Armeen von Preußen, Russland, Österreich und Schweden beugen. Am 6. April 1814 wurde Napoleon vom eigenen Land zum Abdanken gezwungen und auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt. Nach einer abenteuerlichen Flucht kehrte er im März 1815 zwar noch einmal nach Paris zurück. Doch es sollte nur eine „Herrschaft der Hundert Tage” werden. Sie wurde am 18. Juni 1815 von preußischen und englischen Truppen in der Schlacht von Waterloo beendet. Diesmal wurde Napoleon auf die winzige englische Insel Sankt Helena weitab im Südatlantik verbracht. Dort starb er am 5. Mai 1821 an Magenkrebs.

Familienpolitik
Napoleon besetzte die meisten wichtigen Staatsämter mit Mitgliedern seiner Familie und anderen treu Ergebenen. 1806 eroberte er das Königreich Neapel und setzte seinen älteren Bruder Joseph Bonaparte als König ein. Im selben Jahr wandelte er die Batavische Republik in das Königreich Holland um, das sein Bruder Louis Bonaparte erhielt. In Westfalen setzte er 1807 seinen Bruder Jérôme als König ein. 1808 geriet Spanien unter französische Herrschaft, und Joseph Bonaparte wechselte auf den spanischen Königsthron. Den Thron in Neapel bekam Napoleons Schwager Joachim Murat.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)