Nationalsozialismus

und

Drittes Reich

 

„Deutsches Volk, gib uns vier Jahre, und ich schwöre dir: So, wie wir und so wie ich in dieses Amt eintrat, so will ich dann gehen. Ich tat es nicht um Gehalt und nicht um Lohn, ich tat es um deiner selbst wegen. Ich habe es gewagt, weil ich der Überzeugung bin, dass endlich unser Volk doch wieder zur Besinnung kommen wird. Und dass, wenn es auch heute uns ungerecht beurteilt und wenn Millionen uns verfluchen mögen, einmal die Stunde kommt, da sie doch hinter uns marschieren werden, da sie einsehen werden: Sie haben wirklich nur das Beste gewollt. Ich hege felsenfest die Überzeugung, dass eben doch dann einmal die Stunde kommt, in der die Millionen, die uns heute verfluchen, hinter uns stehen und mit uns begrüßen werden dann das gemeinsam geschaffene, mühsam erkämpfte, bitter erworbene neue Deutsche Reich der Größe und der Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen!” Mit dieser schwülstigen Rede eröffnete Adolf Hitler zehn Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 seinen letzten Wahlkampf.

DER TRAUM VOM TAUSENDJÄHRIGEN REICH

Die Tage der Weimarer Republik, der ersten Demokratie auf deutschem Boden, waren bereits gezählt. Denn Hitler hatte die Übernahme der Regierung bereits als „Machtergreifung” gefeiert. Und in der Tat errichteten die Nationalsozialisten unter seiner Führung binnen kürzester Zeit eine totalitäre, also allumfassende Diktatur. Statt der erbetenen vier Jahre ging es ihnen um tausend Jahre. Denn so lange würde das „Dritte Reich”, das sie aufbauten, ihrer Meinung nach überdauern. Doch am Ende führte Hitlers Größenwahn dazu, dass Deutschland bereits zwölf Jahre später in Schutt und Asche versank.

Das Dritte Reich
Mit der Bezeichnung „Drittes Reich” wollten sich die Nationalsozialisten in die Tradition des Heiligen Römischen Reiches (Erstes Reich) und des Deutschen Kaiserreiches (Zweites Reich) stellen.

HITLERS PHANTASIEN

Aus seinen Absichten hatte Hitler nie ein Geheimnis gemacht. In unzähligen Reden war er immer wieder gegen Demokraten, Juden und Kommunisten zu Felde gezogen. Seine Vorstellungen von Führerstaat und Volksgemeinschaft, vom arisch-nordischen Herrenmenschenvolk, vom Großgermanischen Reich und von der Eroberung neuen „Lebensraumes” waren schwarz auf weiß in seinem Buch Mein Kampf nachzulesen. Das Erstaunlichste aber war das atemberaubende Tempo, das die Nationalsozialisten an den Tag legten, um die Phantasien ihres Führers zu verwirklichen. Die Partei, in der die Nationalsozialisten zusammengeschlossen waren, war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Hitler hatte sie 1920 mitbegründet, und er bestimmte praktisch alleine das Programm und die Politik der Partei.

Sozialismus im Nationalsozialismus
Weltanschaulich und wirtschaftspolitisch hatte der Nationalsozialismus wenig mit Sozialismus zu tun. Großunternehmen und Privateigentum blieben weitgehend unangetastet. Hitler machte sich aber auch stark für die Belange der sozial Schwachen und die Arbeiter, also die traditionelle Anhängerschaft von KPD und SPD. Führungsstil, Propaganda und Massenorganisation fanden eindeutig in der stalinistischen Sowjetunion ihre Vorbilder.

ZERSCHLAGUNG DER DEMOKRATIE

Schon vor den letzten freien Wahlen der Weimarer Republik am 5. März 1933 nutzten die Nationalsozialisten ihre neue Machtstellung, um sich Zeitungen und Rundfunk gefügig zu machen. Und die SA, die halbmilitärische „Sturmabteilung” der NSDAP, machte Hatz auf politische Gegner. Am 27. Februar 1933 ging der Berliner Reichstag, der Sitz des deutschen Parlaments, in Flammen auf. Obwohl wahrscheinlich die „Nazis” selbst den Brand legten, erklärte Hitler die Tat zum kommunistischen Umsturzversuch. Mit einer Verordnung zum Schutz von Volk und Staat setzte er unverzüglich praktisch alle Grundrechte außer Kraft, und zwar angeblich „zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte”. Diese Verordnung wurde nie mehr aufgehoben und begründete den permanenten Ausnahmezustand im Dritten Reich.

ERRICHTUNG DER DIKTATUR

Bei den Wahlen am 5. März 1933 erreichte die NSDAP nur 43,9 Prozent, also keine eigene Mehrheit. Hitler zwang nun dem Reichstag das Ermächtigungsgesetz (eigentlich Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) auf. Dies Gesetz ermöglichte es ihm, ohne die Zustimmung des Reichstages Gesetze zu erlassen. Die demokratische Verfassung der Weimarer Republik war damit praktisch aufgehoben. Die notwendige Zustimmung von zwei Dritteln der Reichstagsabgeordneten zu dem Ermächtigungsgesetz hatte Hitler recht einfach bekommen: Die 81 kommunistischen Abgeordneten hatte Hitler verhaften lassen, einige sozialdemokratische Abgeordnete saßen ebenfalls im Gefängnis, andere waren geflohen, und Schlägertrupps der SA schüchterten manchen noch schwankenden Abgeordneten ein.

Durch das Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich wandelte Hitler dann den deutschen Bundesstaat in einen zentral gelenkten Einheitsstaat um. Die Ministerpräsidenten der Länder ersetzte er durch Reichsstatthalter, die ihm selbst unterstellt waren und die nationalsozialistische Politik in den Ländern durchzusetzen hatten. Politische Parteien wie die Sozialdemokraten und die Kommunisten wurden verboten; anderen legte man die freiwillige Selbstauflösung nahe. Und durch das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien blieb allein die NSDAP als zugelassene Partei übrig. Durch eine blutige Säuberungsaktion brachte Hitler sie ganz auf seine Linie.

Nach dem Tod von Reichspräsident Paul von Hindenburg übernahm Hitler am 2. August 1934 einfach auch noch dessen Amt. Er wurde damit zugleich Oberbefehlshaber der Reichswehr, die er zusätzlich mit einem Treueeid auf seine Person – und nicht wie bisher üblich auf den Staat – einschwor. Das Wohlwollen der Offiziere, die Hitler zu einem großen Teil ablehnten, gewann er durch die Aufrüstung der Armee zu einer schlagkräftigen „Wehrmacht”.

Röhm-Putsch
In der Nacht zum 1. Juli 1934 ließ Hitler den nach mehr Macht strebenden SA-Führer Ernst Röhm ermorden. Als Grund schob er vor, dass Röhm angeblich einen Putsch gegen ihn plante. Gleichzeitig nutzte Hitler die Gelegenheit, sich einer Vielzahl weiterer missliebiger Personen in- und außerhalb der Partei zu entledigen. In dieser „Nacht der langen Messer” wurden nach Darstellung der NSDAP 77 Menschen hingerichtet. In Wirklichkeit dürften es mehrere hundert gewesen sein.

GLEICHSCHALTUNG

Um einen dauerhaften Einfluss auf alle und alles sicherzustellen, betrieben die Nationalsozialisten die „Gleichschaltung” sämtlicher Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Das begann mit der Gleichschaltung der Länder und setzte sich fort im Verbot aller Parteien mit Ausnahme der NSDAP. Außerdem überzogen die Nationalsozialisten das Land mit einem dichten Netz von Organisationen, das jeden Deutschen erfasste, auch wenn er nicht der NSDAP angehörte. Alle Arbeitenden, egal ob „Arbeiter der Faust” oder „Arbeiter der Stirn”, wurden in der Deutschen Arbeitsfront und ihren Unterorganisationen zusammengefasst. Solche Unterorganisationen waren z. B. der Reichsstand des deutschen Handwerks für die Handwerker, der Reichsnährstand für die Bauern und der NS-Rechtswahrerbund für Richter und Rechtsanwälte. Sportler waren im Reichsbund für Leibesübungen zusammengeschlossen und so fort. Presse, Rundfunk und alle Bereiche der Kunst und Kultur waren ebenfalls gleichgeschaltet und wurden vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, beaufsichtigt.

JUGEND UNTER DEM HAKENKREUZ

Das Hauptaugenmerk richteten die Nationalsozialisten auf die Erziehung. Sie wollten die noch leicht zu beeinflussenden Kinder und Jugendlichen möglichst frühzeitig für ihre Ziele gefügig machen. Denn Hitler wünschte sich „eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend, vor der sich die Welt erschrecken wird”. Dazu bedienten sich die Nationalsozialisten neben dem Schulunterricht vor allem parteieigener Organisationen. Alle Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren mussten – wenigstens ab 1939 – Mitglied der Hitler-Jugend (HJ) sein.

Die HJ war natürlich streng nach Geschlechtern getrennt und zusätzlich nach Alter aufgeteilt. So waren Jungen zwischen 10 und 14 Jahren im Deutschen Jungvolk organisiert, die gleichaltrigen Mädchen in den Deutschen Jungmädeln. Die 14- bis 18-jährigen Jungen waren die eigentliche Hitler-Jugend, und die 14- bis 18-jährigen Mädchen waren im Bund deutscher Mädel (BDM) zusammengefasst. All diese Jugendgruppen lockten die Kinder und Jugendlichen mit attraktiven Freizeitangeboten wie Sportveranstaltungen, Ausflügen, Ferienlager, und sie steckten ihre Mitglieder in schicke Uniformen. Bei den Jungen wurden Disziplin und Kampfgeist durch Märsche, Geländespiele und Mutproben gestärkt.

Nach der Hitler-Jugend, also ab 18 Jahren, winkte der Reichsarbeitsdienst. Die jungen Männer wurden vornehmlich in der Landwirtschaft, aber auch beim Bau von Straßen, Kanälen oder Befestigungsanlagen eingesetzt. Die jungen Frauen wurden als „Arbeitsmaiden” zu Hilfsdiensten in kinderreichen Familien oder auf Bauernhöfen abkommandiert. Für die Jungen schloss sich ab 1936 ein zweijähriger Militärdienst bei der Wehrmacht an. Ebenso wie die Hitler-Jugend nutzten die Nationalsozialisten auch den Arbeitsdienst, um die jungen Leute in ihrem Sinne zu beeinflussen und sich gefügig zu machen.

Nationalsozialistische Erziehung
Und so beschrieb Adolf Hitler selbst, wie die Kinder und Jugendlichen im nationalsozialistischen Sinne erzogen werden sollen: „Und wenn diese Knaben, diese Mädchen mit zehn Jahren in unsere Organisationen hineinkommen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend. Und dort behalten wir sie wieder vier Jahre. Und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger. Sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei und in die Arbeitsfront, in die SA und SS. Und wenn sie dort zwei Jahre oder eineinhalb Jahre sind und noch nicht ganze Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs oder sieben Monate geschliffen, alle mit einem Symbol: dem deutschen Spaten. Und was dann noch an Klassenbewusstsein oder Standesdünkel da oder da vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf drei Jahre. Und wenn sie zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS und so weiter. Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben, und sie sind glücklich dabei.”

DER TOTALE STAAT

Zur Absicherung der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Deutschland in einen Polizei- und Überwachungsstaat verwandelt. Um Widerstand bereits im Keim ersticken zu können, mischten sich ganze Heerscharen von Spitzeln unters Volk. Zuständig für die Polizeiorganisation war Heinrich Himmler, Chef der berüchtigten SS (Schutzstaffel), einer besonders kaltblütigen Elitetruppe. Daneben gab es noch die gefürchtete Gestapo (Geheime Staatspolizei) und den SD (Sicherheitsdienst). Jedes unüberlegte Wort konnte zur Verhaftung und Einweisung in ein Konzentrationslager führen.

Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
Um rasche Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorweisen zu können, ließ Hitler im großen Stil Instandsetzungsarbeiten durchführen und gewaltige Bauprojekte in Angriff nehmen. Reichsarbeitsdienst und die Wiedereinführung der Wehrpflicht taten ein Übriges, um die Arbeitslosenzahlen gegen null zu führen.

EIN VOLK, EIN REICH, EIN FÜHRER

Doch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den neuen Machthabern hielt sich ohnehin in Grenzen. Die meisten waren froh, dass endlich wieder ein starker Mann an der Regierung war, der für Recht und Ordnung sorgte. Der Abbau der bedrückenden Arbeitslosigkeit und die außenpolitischen Erfolge steigerten die Beliebtheit des Führers ins Unermessliche. Immer weniger Deutsche stellten kritische Fragen. Nur wenige kümmerte das Schicksal der Menschen, die verhaftet wurden und verschwanden. Die innenpolitischen Gegner waren verstummt oder abgetaucht. Und dass die verhassten Juden zum Freiwild erklärt wurden, kam vielen gerade recht. In vorauseilendem Gehorsam stellten sich Millionen strammer Nationalsozialisten in der Bevölkerung in Wort und Tat freiwillig in den Dienst des Führers.

Wie kaum ein anderer verstand es Hitler, sich die Massen gefügig zu machen. Mit durchschlagendem Erfolg vermittelte er den Deutschen das Gefühl, Teil einer innigen Volksgemeinschaft zu sein, die zu Höherem berufen sei. Seine Vermutung, dass der Führerstaat der deutschen Eigenart am ehesten entspreche, bewahrheitete sich. Die Massen wollen nicht überzeugt, sondern mitgerissen werden, war die Devise. Und so entfesselte Propagandaminister Goebbels einen bis dahin beispiellosen Kult um den Führer. Und es wimmelte nur so von bombastischen Festen und Veranstaltungen mit Massenaufmärschen und Paraden, deren Wirkung man sich nur schwer entziehen konnte.

Und so kam es, dass ein großer Teil der Bevölkerung vor den beispiellosen Verbrechen der Nationalsozialisten, allen voran vor dem Holocaust, die Augen verschloss und Hitler selbst dann noch die Treue hielt, als ihre Heimat im Bombenhagel des 2. Weltkrieges unterging.

Deutscher Gruß
Besonders augenfällig wurde der Führerkult im „Dritten Reich” durch den „Deutschen Gruß”: Man grüßte nun mit ausgestrecktem rechten Arm und dem Zuruf „Heil Hitler!”. Ab 1933 war dieser Gruß im amtlichen Verkehr vorgeschrieben, und wer ihn verweigerte, riskierte eine Verhaftung.

WIDERSTAND

Trotz Überwachung, Verfolgung und Terror regte sich von Anfang an auch Widerstand gegen die Diktatur und die Verbrechen der Nationalsozialisten. Zuerst von Seiten der Kommunisten und Sozialdemokraten, doch nach und nach gesellten sich auch Menschen aus anderen Gesellschaftsschichten hinzu. So wollten sich etwa etliche Geistliche, sowohl katholische als auch evangelische, nicht mit den schwachen Protesten ihrer Kirchenführungen abfinden und begehrten auf. Ebenso Jugend- und Studentengruppen wie z. B. die Münchner „Weiße Rose” um die Geschwister Hans und Sophie Scholl. Sie versuchten die Bevölkerung mit Flugblattaktionen wachzurütteln und wurden dafür hingerichtet. Als der Krieg so gut wie verloren war, schmiedete man auch innerhalb der Wehrmacht Umsturzpläne. Einen von vielen vergeblichen Versuchen, Hitler durch ein Attentat zu beseitigen, unternahm Oberst Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944. Ebenso wie er und seine Mitstreiter mussten viele Widerstandskämpfer ihren Mut mit dem Leben bezahlen.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)