Revolution von 1848

 

„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, danach lasst uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Blüh im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland.” Dieser Text aus der Feder des deutschen Dichters Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), gesungen zu einer Melodie aus dem Kaiserquartett des österreichischen Komponisten Joseph Haydn (1732-1809), und dazu die Flagge mit den Farben Schwarz-Rot-Gold – das sind bekanntlich die Erkennungszeichen der Bundesrepublik Deutschland. Doch was hat das alles mit der Revolution von 1848 zu tun? Mehr als so manchem Deutschen bekannt sein dürfte!

NATIONALE SEHNSUCHT

Die Napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts und insbesondere die Siege über Napoleon in den Jahren 1813 bis 1815 hatten das Nationalbewusstsein und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen gewaltig gestärkt. Nun wollten sie sich nicht mehr damit abfinden, auf zig größere und kleinere Einzelstaaten verteilt zu sein und von verschiedenen Herrscherhäusern regiert zu werden. Sie wollten endlich in einem gemeinsamen Nationalstaat vereinigt sein. Und sie wollten die Ideen der Französischen Revolution verwirklicht sehen. Die Revolution hatte unter der Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” die Rechtlosigkeit des Volkes beendet und für die Teilhabe der Bürger an der Regierung gesorgt.

DIE ALTEN MÄCHTE KOMMEN ZURÜCK

Man war enttäuscht über die Ergebnisse des Wiener Kongresses 1814/15. Nach dem Ende der Herrschaft Napoleons über weite Teile Europas hatte auf dieser Versammlung Europa neu geordnet werden sollen. Doch statt für die lange ersehnte Einheit Deutschlands zu sorgen, hatte man nur einen „Deutschen Bund” geschaffen. Das war eine lose Verbindung von 39 Einzelstaaten mit zwei führenden Großmächten: Preußen und Österreich. Von Mitbestimmung für die Bürger keine Spur. Klemens Fürst von Metternich, der österreichische Staatskanzler und mächtige Mann im Staat, hatte das Schreckgespenst der französischen Volksherrschaft an die Wand gemalt, die in Chaos und Terror ausgeartet war und einen Mann wie Napoleon erst möglich gemacht hatte. So war schließlich die alte Ordnung aus der Zeit vor Napoleon wieder hergestellt worden, die man längst für überwunden glaubte: Die Fürsten kamen in Amt und Würden zurück und regierten alleine und ohne das Volk über das eigene Schicksal mitbestimmen zu lassen.

DER FUNKE DER FREIHEIT GLIMMT WEITER

Die Masse der Bevölkerung nahm am politischen Leben wenig Anteil – sie war es nicht anders gewohnt. Deshalb waren es vor allem Dichter, Künstler, Gelehrte und Studenten, die keine Ruhe gaben. Beim Wartburgfest 1817 in der Nähe von Eisenach, an dem 600 Burschenschaftler (Mitglieder von Studentenvereinigungen) teilnahmen, wurden aufrührerische Reden gegen die Fürsten und für ein einiges Vaterland geschwungen. Ähnliches wiederholte sich 1832 beim „Fest der deutschen Nation” auf dem Hambacher Schloss. Dieses Hambacher Fest wurde mit 30 000 Teilnehmern aus allen Bevölkerungsschichten zur größten Kundgebung, die man je erlebt hatte. 1833 schließlich stürmten Studenten die Hauptwache in Frankfurt am Main, um einen Aufstand auszulösen.

Nun griff die Staatsmacht hart durch: Es kam zu einer Welle von Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Schauprozessen, in denen sogar Todesurteile verhängt wurden. Viele der „Rebellen” suchten ihr Heil in der Flucht nach Frankreich oder Amerika. Seit 1819 stöhnte die Bevölkerung in den deutschen Ländern unter der so genannten Demagogenverfolgung (Demagoge bedeutet „Volksverhetzer”), in der die Staatsmacht alle freiheitlichen und nationalen Regungen unterdrückte. Nun wütete die Demagogenverfolgung wie nie zuvor.

Der Vormärz
Besonders die deutschen Dichter und Schriftsteller waren es, die in ihren Werken unermüdlich die Sehnsüchte nach Einheit und Freiheit im Volk schürten. Als besonders unbequeme Störenfriede taten sich beispielsweise Georg Herwegh (1817-1875) und Heinrich Heine (1797-1856) hervor. Leute wie sie sind gemeint, wenn von den „Dichtern des Vormärz” die Rede ist. Die Epoche im Vorfeld der Revolution vom März 1848 ist nämlich als „Vormärz” in die Literaturgeschichte eingegangen.

EUROPA ERHEBT SICH

1847 war allgemein ein Jahr des Hungers und der Not, wofür man den Landesherren die Schuld gab. Auch in Frankreich wuchs die Unzufriedenheit mit König Louis Philipp, dessen Herrschaft immer strenger geworden war. Im Februar 1848 brach in Paris eine Revolution aus, in der erstmals Arbeiter und Bürger Seite an Seite gegen die Regierung kämpften, und schon bald griffen die Unruhen auf fast ganz Europa über.

Im März 1848 kam es in sämtlichen Hauptstädten des Deutschen Bundes zu Revolutionen, am heftigsten in Wien und Berlin, den Hauptstädten Österreichs und Preußens. Neben dem Bürgertum, dem es um die nationale Einheit und politische Rechte ging, meldeten sich nun auch Handwerker, Arbeiter und Bauern lautstark zu Wort. Sie forderten grundlegende Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse, gerechte Löhne, ein Ende der Ausbeutung und die Abschaffung der Abhängigkeit der Bauern von den adligen Grundherren.

Schwarz-Rot-Gold
Das verbotene Symbol der deutschen Einheitsbewegung war die Flagge Schwarz-Rot-Gold. Nach dem (vorübergehenden) Sieg der Revolution wehte sie über allen Dächern. Um seine Haut zu retten, grüßte der geistesschwache österreichische Kaiser Ferdinand I. am 13. März 1848 unter der schwarz-rot-goldenen Fahne das jubelnde Volk. Acht Tage später ritt in Berlin der preußische König Friedrich Wilhelm IV. samt Prinzen, Generälen und Ministern mit schwarz-rot-goldener Armbinde durch die Stadt und zog vor den Särgen gefallener Revolutionäre ehrfürchtig den Hut.

ENDLICH AM ZIEL?

Nicht zuletzt, weil sie um ihr nacktes Leben bangten, sahen sich die Fürsten zunächst gezwungen, zahlreiche Zugeständnisse zu machen. So leisteten sie auch keinen Widerstand, als allgemeine und geheime Wahlen ausgeschrieben wurden. Am 18. Mai 1848 zogen unter dem Jubel des Volkes 585 gewählte Volksvertreter in die Frankfurter Paulskirche ein und traten dort zur ersten Deutschen Nationalversammlung zusammen. Ihre Aufgabe war es, eine Verfassung für einen deutschen Gesamtstaat zu erstellen.

Die Zusammensetzung dieser Versammlung war jedoch alles andere als repräsentativ, das heißt, sie spiegelte nicht die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse wider: Die meisten Abgeordneten stammten aus dem Bildungsbürgertum, während Handwerker und Bauern kaum und Arbeiter überhaupt nicht vertreten waren. Es saßen 223 Richter und Rechtsanwälte, 106 Professoren, 104 Fabrikanten und Kaufleute, aber nur vier Handwerker und ein Bauer in der Versammlung. Deshalb wurde sie auch als Honoratiorenparlament, als Parlament der Großbürger, bezeichnet.

Berühmtheiten in der Nationalversammlung
Unter den Volksvertretern in der Frankfurter Nationalversammlung befanden sich auch einige berühmte Persönlichkeiten wie der Märchensammler Jacob Grimm (1785-1863) von den Brüdern Grimm, die Dichter Ernst Moritz Arndt (1769-1860) und Ludwig Uhland (1787-1862) sowie der „Turnvater” Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852).

WIE SOLL ES WEITERGEHEN?

Bei den Beratungen über die Verfassung ging es darum, wie ein künftiger deutscher Nationalstaat aussehen sollte. Die einen wollten eine Republik, also die völlige Abschaffung der Herrschaft von König und Fürsten. Die anderen sprachen sich für eine „konstitutionelle Monarchie” aus mit einem König an der Spitze, der beim Regieren an die Vorschriften einer Verfassung und an ein Parlament gebunden sein sollte. Dann stellte sich die Frage, ob man einen „zentralistischen Einheitsstaat” mit einer einzigen, zentralen Regierung wollte oder einen „föderalistischen Bundesstaat”, also einen Zusammenschluss teilweise selbständiger Einzelstaaten.

Uneins war man sich auch, ob man eine „großdeutsche Lösung” unter Einschluss Österreichs oder eine „kleindeutsche Lösung” unter der Führung Preußens wollte, bei der Österreich außer Betracht bliebe. Nach langem Hin und Her entschied sich die Mehrheit für die kleindeutsche Lösung und einen Bundesstaat mit einer starken Zentralgewalt in Form einer konstitutionellen Monarchie. Der König von Preußen sollte zum „Kaiser der Deutschen” ernannt werden und eine Regierung bilden. Kontrolliert werden sollte diese Regierung von einem Parlament aus gewählten Volkvertretern, dem „Reichstag”, der auch für die Gesetzgebung zuständig sein sollte. Im März 1849 verabschiedete die Frankfurter Nationalversammlung die neue Verfassung. Es war dies die erste vollständige Verfassung für einen deutschen Gesamtstaat.

EIN REIF AUS DRECK UND LETTEN

Doch als man dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anbieten wollte, ließ der die Abgeordneten abblitzen. Er betrachtete sich als Herrscher von Gottes Gnaden und wies diesen „Reif, aus Dreck und Letten gebacken” (aus Dreck und Lehm) zurück, weil ihm der „Ludergeruch der Revolution” anhafte, wie er sich ausdrückte. „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten”, soll Friedrich Wilhelm gesagt haben. Der Versuch, einen deutschen Nationalstaat durch ein halbwegs demokratisches Parlament zu schaffen, war gescheitert.

DIE ALTEN MÄCHTE SCHLAGEN ZURÜCK

Nach dieser bitteren Enttäuschung hielten viele Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung die Revolution bereits für gescheitert. Sie warfen das Handtuch und verließen das Parlament, weil sie ein böses Ende befürchteten. Denn inzwischen hatten sich die Fürsten von ihrem ersten Schock erholt und holten zum Gegenschlag aus. Als die wenigen verbliebenen Abgeordneten nach Stuttgart umziehen wollten, wurden sie von Soldaten auseinander getrieben. Um zu retten, was noch zu retten war, kam es vereinzelt noch einmal zu kleineren Aufständen. Doch der preußische König schickte den anderen deutschen Fürsten seine Soldaten zu Hilfe; die Revolten wurden überall niedergeschlagen.

„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland”, die Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinem „Lied der Deutschen” beschworen hatte, blieben weiter ein Wunschtraum. Dennoch war die Deutsche Nationalversammlung ein wichtiger Meilenstein auf dem langen Weg zum Nationalstaat und zur Demokratie in Deutschland.

Flüchtlinge und Auswanderer
Hunderte von Revolutionären wurden verhaftet, ihre Anführer standrechtlich erschossen. Zehntausende mussten fliehen. Weit über 200 000 wanderten aus, allein 80 000 aus Baden, einer der Hochburgen der Revolution. Unter den Flüchtlingen war der Komponist Richard Wagner, und ein berühmter Auswanderer war Carl Schurz, der später 1877 Innenminister der USA wurde.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)