Sklaverei

 

„Zuerst wurden wir angewiesen, uns sorgfältig zu waschen und zu rasieren. Dann wurden wir neu eingekleidet, billig, aber sauber. Die Männer reihte man der Größe nach an einer Seite der Markthalle auf, die Frauen an der anderen. Als die Kunden eintrafen, pries ein Händler überschwänglich unsere Qualitäten an. Er ließ uns den Kopf heben und schnell vor- und zurückmarschieren, während die Kunden unsere Hände, Arme und Körper abtasteten. Sie drehten uns herum, fragten nach unseren Fähigkeiten und ließen sich unsere Zähne zeigen. Ab und zu wurde ein Mann oder eine Frau in ein kleines Haus im Hinterhof geführt, ausgezogen und noch eingehender betrachtet. Narben auf dem Rücken wurden als Ausdruck eines rebellischen oder unruhigen Geistes gewertet und erschwerten den Verkauf.” – So beschreibt ein Schwarzer die erniedrigenden Erlebnisse auf einem Sklavenmarkt in Jamestown im US-Bundesstaat Virginia.

AUFTAKT DER SKLAVEREI IN NORDAMERIKA

Diese Szene spielte sich 1859 ab. 240 Jahre zuvor war in derselben Stadt erstmals ein holländisches Schiff vor Anker gegangen, das 20 Gefangene aus Afrika mitbrachte. Dieses Ereignis im Jahr 1619 gilt als Beginn der Sklaverei im Süden der späteren USA. Millionen Sklaven mussten diesen ersten 20 Gefangenen auf ihrem tränenreichen Weg nachfolgen. In Afrika wurden sie irgendwo im Hinterland brutal zusammengetrieben, dann zu Tausenden über den Atlantik verschifft und schließlich in Amerika an die Landbesitzer verkauft. Denn diese Großgrundbesitzer hatten einen ungeheuren Bedarf an billigsten Arbeitskräften für ihre riesigen Baumwollplantagen. Während ihre Besitzer in prächtigen, weiß getünchten Herrenhäusern mit unzähligen Zimmern wohnten, hausten die Sklaven wie Vieh dicht gedrängt in Blockhütten und mussten sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Feldern abschuften.

LINCOLNS SKLAVENBEFREIUNG

Diese Zustände waren eines zivilisierten, demokratischen Staats eigentlich unwürdig. Eine Änderung kam erst in Sicht, als Abraham Lincoln 1860 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde – Lincoln war ein erklärter Gegner der Sklaverei. Aber die Südstaaten der USA hatten es vor allem durch die Sklavenhalterwirtschaft zu Wohlstand und Reichtum gebracht, und den wollten sie sich durch eine Abschaffung der Sklaverei nicht nehmen lassen. Also schlossen sich zunächst sieben, dann elf dieser Südstaaten zu einem Staatenbund zusammen, lösten sich aus der Verbindung mit den Nordstaaten und gründeten die „Konföderierten Staaten von Amerika”.

Die Folge war ein erbitterter Krieg zwischen dem Norden und dem Süden, der so genannte Sezessionskrieg (1861-1865). Am Ende des Krieges war der Süden besiegt und die alte Union der Nord- und Südstaaten wieder hergestellt. Noch während des Bürgerkrieges hatte Lincoln 1863 in einer feierlichen Erklärung alle Sklaven in den Südstaaten in die Freiheit entlassen – allein das betraf schon über drei Millionen Menschen. Nach Kriegsende wurde die Sklaverei in den USA vollends abgeschafft. Aber es sollte noch über 100 Jahre dauern, bis den Schwarzen in den USA die gleichen Bürgerrechte wie den Weißen zugestanden wurden.

Die Emanzipationserklärung von 1863
Abraham Lincolns „Emanzipationserklärung” von 1863 setzte auf einen Schlag über drei Millionen Sklaven frei. Doch da diese Sklaven über keinerlei Besitz und Schulbildung verfügten, blieb den meisten nichts anderes übrig, als in den Diensten ihrer ehemaligen Herren zu bleiben oder sich mit niederen Hilfsarbeiterjobs durchs Leben zu schlagen.

HOCHKULTUREN DURCH SKLAVEREI

Die Sklaverei als die schlimmste Form der Knechtschaft ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. In sämtlichen großen Kulturen des Altertums hat es sie gegeben: in Mesopotamien, Indien und China ebenso wie in Ägypten, Griechenland und Rom. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass manch eine dieser Hochkulturen ohne Sklaven gar nicht zur Blüte gelangt wäre. All die Pyramiden, Tempel und anderen riesigen antiken Bauwerke waren zumeist das Werk kostenloser Arbeitssklaven. Ein jeder konnte in der Antike der Sklaverei zum Opfer fallen, sie war das ganz normale Schicksal von Kriegsgefangenen oder von Angehörigen eroberter Völker. Nehmen wir die Griechen: Jahrhundertelang führten sie dank ihrer Sklaven ein Leben in Muße und Wohlstand. Dann kamen die Römer und machten Griechenland zu einer Provinz ihres Reiches. Nun galt es bei den reichen Römern als schick, sich für die Erziehung ihrer Kinder gebildete griechische Haussklaven zu halten. Aus einer Gesellschaft von Sklavenhaltern wurde auf diese Weise ein Volk von Sklaven.

SKLAVEREI IM ALTEN ROM

Die Römer gingen weniger pfleglich mit ihren Sklaven um als einst die Griechen. Das fing schon damit an, dass die Eigentümer völlig frei über Leben und Tod ihrer Sklaven entscheiden konnten. Zwar gab es vor allem unter den Haussklaven viele, die ein angenehmes Leben führten. Sie durften sich frei bewegen und waren in den Straßen Roms rein äußerlich kaum von einfachen Bürgern zu unterscheiden. Sie erhielten zum Teil Lohn, und manchen von ihnen gelang es, sich von ihren Ersparnissen freizukaufen und dann selbst zu Wohlstand zu gelangen. Und auch viele Posten in der Verwaltung waren mit Sklaven besetzt, und manch einer dieser Sklaven verfügte über mehr Macht und Einfluss als selbst die höchstgestellten Römer.

Doch die Mehrheit der Zehntausenden von Sklaven, die alljährlich von den Eroberungszügen nach Rom mitgebracht wurden, hatten ein Leben voller Mühsal und Qual vor sich. Sie wurden als Knechte und Mägde auf den riesigen Landgütern ausgebeutet, schufteten in den Silberminen, ruderten Kriegsgaleeren und gingen im schlimmsten Fall mit ihnen unter, und sie kämpften zur Belustigung des Volkes als Gladiatoren in den Arenen. Selbst die einfachsten Leute hielten sich einen Sklaven, die Reichen mitunter 500 oder noch mehr. Sklaven putzten, kochten, schmiedeten Waffen, webten Stoffe, gerbten Leder, formten Töpfe, bauten Häuser, legten Straßen und Kanalisationen an.

Sklavenaufstände im alten Rom
In der Zeit von 200 bis 70 v. Chr. kam es im Römischen Reich zu mehreren Sklavenrevolten. Berühmt wurde der Aufstand unter der Führung des Gladiators Spartakus im Jahre 73 v. Chr. Spartakus stellte eine Armee von 40 000 Mann auf, die von kampferprobten Gladiatoren trainiert wurden. Er besiegte zunächst die römischen Truppen, doch 71 v. Chr. unterlag er schließlich der Übermacht einer riesigen Armee unter dem Kommando von Crassus. Auf dessen Befehl hin wurden zur Abschreckung 6 000 der besiegten und gefangenen Sklaven entlang der Hauptstraße nach Rom gekreuzigt.

AFRIKANISCHER SKLAVENHANDEL

Die römischen Sklaven gehörten zu den Ersten, die sich zum Christentum bekehrten – das Christentum versprach den Mühseligen und Beladenen ein besseres Leben im Paradies. Viele von ihnen fielen deshalb der Christenverfolgung durch die römischen Kaiser zum Opfer. Als sich das Christentum schließlich durchsetzen konnte und im Römischen Reich zur Staatsreligion wurde, ebbte die Sklaverei vorübergehend ab.

Im 15. Jahrhundert lebte die Sklaverei wieder auf, als christliche Portugiesen auf der Suche nach Beute in Westafrika eine neue Handelsware fanden: Menschen. Diese Handelsware hatten freilich die Araber in Ostafrika schon viel früher für sich entdeckt. Es dauerte nicht lange, bis sich Seefahrer aus Spanien, England, Frankreich, Dänemark und Holland ihren Anteil an diesem neuen gewinnträchtigen Geschäft sicherten. Um die Wette belieferten sie von da an die europäischen Siedler in den Kolonien in Amerika mit billigen Arbeitskräften, die an heißes Klima gewöhnt waren. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert wurden zwischen 20 und 100 Millionen Afrikaner gefangen genommen und in die „Neue Welt”, nach Nord- und Südamerika, verkauft. Im Westen Afrikas verödeten durch die Beutezüge der Sklavenfänger ganze Landstriche.

Gewinnbringender Handel
Es entwickelte sich ein gewinnbringender Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika: Die Schiffe starteten von europäischen Häfen mit billigen Gewehren, Glasperlen, Branntwein und Stoffen an Bord. Damit wurden die afrikanischen Küstenbewohner geködert, die zum Tausch Eingeborene aus dem Landesinneren besorgten. Mit der Menschenware an Bord fuhren die Schiffe nach Amerika. Nachdem dort die Sklaven verkauft waren, konnten die Schiffe die begehrten Güter aus den Kolonien - Zucker, Tabak, Baumwolle, Rum, Früchte, Silber - laden und damit nach Europa zurückkehren.

NOCH IMMER KEIN ENDE?

Im Laufe des 18. Jahrhunderts empörten sich mehr und mehr Menschen in Europa über den menschenverachtenden Sklavenhandel. Als erstes Land schaffte Dänemark 1792 den Sklavenhandel ab, 1807/08 folgten England und die USA. Doch geschmuggelt wurden Sklaven noch bis Ende des Jahrhunderts. Die Sklaverei selbst wurde erst später abgeschafft: Die französischen Sklaven z. B. erhielten 1848 die Freiheit, die niederländischen 1863 und die Sklaven in den USA, wie du schon gelesen hast, 1865. In Brasilien wurde die Sklaverei 1888 abgeschafft; in einigen Ländern erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Und in manchen Ländern scheint sie gerade jetzt wieder aufzuleben: Im Frühjahr 2001 wurde der Weltöffentlichkeit bekannt, dass in verschiedenen Ländern Westafrikas Kinder als Sklaven verkauft werden. In Ländern wie Togo, Mali und Benin werden jährlich bis zu 200 000 Mädchen und Jungen entführt und verkauft. Diese Kinder müssen dann auf Plantagen an der Elfenbeinküste, aber auch in Nigeria und Kamerun ohne Lohn täglich bis 18 Stunden als Arbeitssklaven schuften.

Allgemeines Verbot der Sklaverei
Die Annahme der Antisklavereiakte durch den Völkerbund im Jahr 1926 war ein großer Fortschritt. Dieses Abkommen verbot die Sklaverei in jeder Form. Dieses Verbot wurde mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1948 erneut bekräftigt.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)