Stadt

 

Was eine Stadt ist, weiß jedes Kind, das mit offenen Augen durch die Welt geht. Man könnte sie als eine größere Ansammlung von Häusern beschreiben mit Wohnungen, Geschäften und Büros. Es finden sich dort Handwerks- und Industriebetriebe, Ämter und Behörden, Schulen, Krankenhäuser, Kultur- und Vergnügungsstätten wie Theater, Museen, Kinos und Sportanlagen. Zu einer Stadt gehören bei uns auch unbedingt ein Rathaus, mindestens eine Kirche und ein Marktplatz. In und um Städte gibt es viele Straßen und Bahnlinien, manchmal Flugplätze und Häfen. Auffällig ist, dass viele Städte an Flüssen oder am Meer liegen. Diese Städte existieren meistens schon sehr lange und sind über Jahrhunderte gewachsen. Sie haben ein Zentrum mit alten Gebäuden, manchmal sogar noch eine Stadtmauer, und zum Rand hin werden die Stadtviertel immer jünger. Eine andere Art von Städten trifft man häufig in Gegenden an, wo bestimmte Bodenschätze wie Kohle, Erze oder Mineralien vorkommen. Sie machen einen wesentlich jüngeren und vor allem gleichförmigeren Eindruck und haben große Industriegebiete. Denn sie sind erst im vorletzten oder letzten Jahrhundert entstanden, als man begann, die Bodenschätze in großem Umfang abzubauen, und sie lebten nahezu ausschließlich von diesen Bodenschätzen.

DIE ERSTEN STÄDTE DER WELT

Um zu ergründen, warum es Städte überhaupt gibt und wie sie sich entwickelt haben, muss man weit in die Menschheitsgeschichte zurückblicken. Vor etwa 10 000 Jahren haben die Menschen ihre Lebensweise geändert. Statt wie bisher auf der Suche nach Nahrung umherzuziehen, ließen sie sich nun als Bauern und Viehzüchter nieder. Um sich besser verteidigen zu können und sich die handwerkliche Arbeit zu teilen, rückten sie zusammen. So entstanden aus einzelnen Gehöften Siedlungen und aus Siedlungen Dörfer. Wo Ackerbau, Handwerk, Kunst und Handel als Erstes aufblühten, gab es auch die ersten richtigen Städte, in denen Tausende von Menschen lebten. Zum Beispiel bei den alten Sumerern und Ägyptern schon vor über 5 000 Jahren.

Jericho, die älteste Stadt der Welt
Die biblische Oasenstadt Jericho im Westjordanland gilt als die älteste Stadt der Welt. Bei Ausgrabungen fanden sich Siedlungsspuren, die bis in die Zeit zurückreichen, als der Mensch sesshaft wurde.

DIE ERSTEN STÄDTE EUROPAS

In Europa entstanden die ersten Städte vor rund 4 000 Jahren im alten Griechenland. Um sich in unsicheren Zeiten des Krieges besser verteidigen zu können, verließen die Adligen ihre einzeln gelegenen Güter und ließen sich um die Burgen ihrer Könige nieder. Handwerker und Händler folgten nach, und eine Stadt nahm Gestalt an. Umgeben von einer hohen Mauer, stand in ihrem Mittelpunkt eine Akropolis, bestehend aus Königspalast, Heiligtümern und Versammlungsplatz. Vor etwa 2 800 Jahren begannen griechische Seefahrer, andere Länder zu bereisen. Sie gründeten überall an den Küsten des Mittelmeeres Handelsniederlassungen und Siedlungen, die zu Städten anwuchsen. Viele dieser griechischen Kolonien in Sizilien, Unteritalien, Kleinasien (dem Westen der heutigen Türkei) und Südrussland (am Schwarzen Meer) stiegen zu erfolgreichen Handels- und Seemächten auf und dienten der einheimischen Bevölkerung als Vorbilder für eigene Stadtgründungen. Neapel in Süditalien und Marseille in Südfrankreich sind beispielsweise solche griechischen Gründungen.

Die antiken Stadtstaaten bildeten die Keimzelle für Flächenstaaten. Das beste Beispiel ist wohl Rom, das aus verschiedenen Siedlungen zu einer Stadt zusammenwuchs und zu einem Weltreich aufstieg, das die gesamte weitere europäische Geschichte bestimmte. Überall in den eroberten Gebieten gründeten die Römer Städte, von denen aus sie ihre Herrschaft ausüben konnten. Nicht selten entwickelten sich auch aus befestigten römischen Militärlagern bedeutende Städte. Köln, Mainz, Trier und Worms z. B. sind aus Römerfestungen hervorgegangen. Das macht sich heute noch in den Stadtbildern bemerkbar.

STÄDTE IM MITTELALTER

Bei uns lebten bis ins hohe Mittelalter hinein nur wenige Menschen in Städten, und die wenigen Städte, die es gab, hatten sich hauptsächlich um herrschaftliche Burgen oder Klöster herum gebildet. Als jedoch zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert das Geschäft mit Waren und Gütern aus nah und fern zunahm, entstanden an den Kreuzungen wichtiger Handelswege, an Flussübergängen oder an günstigen Schiffsanlegestellen immer mehr Siedlungen, die rasch zu Städten anwuchsen. Umgeben von einer Stadtmauer wurden sie zu geschützten Mittelpunkten für Handel und Gewerbe.

Die Entwicklung der Städte
Vor 1 000 Jahren gab es bei uns höchstens 50 Städte mit über 1 000 Einwohnern. Nur jeder zehnte Deutsche lebte nicht auf dem Land. 500 Jahre später gab es bereits 3 000 Städte. Die meisten waren nicht größer als heute manche Dörfer. Nur 15 hatten über 10 000 Einwohner, u. a. Köln, Lübeck, Straßburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt, Regensburg und Augsburg.

STÄDTE UND BÜRGER

In dieser Zeit kam es auch in der Gesellschaft zu einschneidenden Veränderungen. Ursprünglich waren die Städte nämlich das Eigentum der adligen Grundherren – Grafen oder Herzöge – oder der Kirche, auf deren Ländereien sie erbaut waren. Durch den blühenden Handel wurden aber immer mehr Kaufleute, Handwerksmeister und Bankiers reicher als ihre Herren. Neben der Masse der Bauern und den wenigen Adligen entstand nun als dritter Stand eine Art bürgerlicher „Geldadel”. Und dieser hatte bald die Bevormundungen durch die arbeitsscheuen Edelmänner satt, die es sich auf seine Kosten gut gehen ließen. Immer selbstbewusster forderten die Bürger die Selbstherrschaft ein. In vielen Fällen konnten sie sie erkaufen, in anderen holten sie sie sich mit Gewalt.

So entstanden die „freien Reichsstädte”, die nur mehr dem Reich bzw. dem König, dem Herrscher des Reiches, unterstanden. Die neuen Stadtväter – „Patrizier”, wie sie sich nannten – bauten ihre Städte zu prachtvollen Handelsmetropolen aus. Beste Beispiele dafür sind die vielen norddeutschen Küstenstädte, die sich unter Führung von Lübeck und Hamburg zur Hanse zusammenschlossen. Und italienische Städte wie Venedig, Pisa oder Genua wurden durch den Handel mit dem Orient unermesslich reich und mächtig.

Anders als heute bezeichnete man im Mittelalter ausschließlich Stadtbewohner, die sich sozusagen im Schutz einer Burg geborgen fühlen konnten, als Bürger. Im Gegensatz zu den leibeigenen Bauern waren die Bürger persönlich frei und unabhängig von den Adligen. Sie durften beispielsweise Wohnort und Beruf frei wählen und über Eigentum und Grundbesitz frei verfügen. Daher kommt das Sprichwort „Stadtluft macht frei”.

In der mittelalterlichen Stadt lebten aber auch viele Menschen, die keine Bürger waren und keine Rechte hatten. Zu ihnen gehörten diejenigen, die keinen „ehrlichen” Beruf ausübten – zum Beispiel Henker oder Totengräber – oder keinen Besitz hatten. Letztere arbeiteten als Knechte und Mägde bei Kaufleuten und Handwerkern oder mussten betteln gehen.

Erst die „Marktfreiheit” machte im Mittelalter eine vollwertige Stadt aus. Der Landesherr stellte Freibriefe zur Abhaltung von Märkten aus, die dann an bestimmten Feiertagen nach dem Gottesdienst auf Kirchplätzen stattfanden. Daher kommt die Bezeichnung „Messe”, die sich für große Verkaufsausstellungen bis heute erhalten hat.

Das frühe Stadtleben hatte viele Schattenseiten. Toiletten, Müllabfuhr oder Kanalisation gab es nicht. In den engen Gassen tummelten sich Hühner und Gänse, und die Schweine suhlten sich im Schmutzwasser, das einfach in den Rinnstein gekippt wurde. Überall lag Unrat herum, ein idealer Nährboden für Ratten und Krankheitserreger. Massenweise wurden die auf engstem Raum lebenden Städter im Mittelalter von Seuchen wie Pest und Cholera dahingerafft.

Hansestädte
Die Hanse war ursprünglich ein Schutzbündnis von Fernhändlern gegen Piraten und Straßenräuber. Die Kaufleute unterhielten gemeinsame Handelsstützpunkte überall an den Nord- und Ostseeküsten. Später entwickelte sich die Kaufmannshanse zur Städtehanse, der nahezu alle norddeutschen und rheinischen Städte angehörten.

STÄDTE UND ARBEIT

Das Gesicht der modernen Großstädte unserer Tage ist vor allem eine Folgeerscheinung der so genannten industriellen Revolution. Sie begann vor gut 150 Jahren, als das Handwerk von Fabriken verdrängt wurde, in denen nun Maschinen die Gebrauchsgüter herstellten. Für den Betrieb der Dampfmaschinen in den Fabriken, aber auch für Eisenbahnen und Schiffe brauchte man nun viel Kohle und Stahl. Zum Abbau dieser Bodenschätze wurden Bergwerke in die Erde getrieben. In Fabriken und Bergwerken entstanden neue Arbeitsplätze und mit ihnen neue Städte und Ballungsräume. Denn immer mehr Menschen, die auf dem Land kein Auskommen mehr fanden, drängten in die Stadt. Sie hatten die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Stadt.

Und so ist es im Grunde bis heute geblieben. Tag für Tag pendeln Millionen von Menschen von ihren Wohnorten aus dem Umland zur Arbeit in die Städte und abends wieder nach Hause. Und noch immer unterscheiden sich die Städter grundlegend von der Landbevölkerung. In der Stadt leben wesentlich mehr Beamte und Angestellte, mehr Handwerker und Arbeiter, mehr Rechtsanwälte und Ärzte, mehr Alleinstehende und Alte.

Bevölkerungsexplosion und Landflucht
Um 1800 lebten in Europa etwa 180 Millionen Menschen, drei Viertel davon auf dem Land. Durch bessere Nahrungsmittelversorgung und Medizin gab es bis 1900 eine regelrechte Bevölkerungsexplosion auf rund 400 Millionen Menschen, und es setzte eine wahre Landflucht in die Industriestädte ein.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)