Vereinte Nationen

 

Es wäre zu schön gewesen. Als es um die Jahrtausendwende endlich zur Aussöhnung zwischen Ost und West gekommen war, blickte man in aller Welt voller Zuversicht einem neuen und besseren Zeitalter entgegen. Der ewige Frieden, von dem die Menschen schon seit ebenso ewigen Zeiten träumen, schien erstmals zum Greifen nahe. Doch dann kam das böse Erwachen. Am 11. September 2001 startete eine Hand voll islamischer religiöser Fanatiker einen Terrorangriff auf die USA. Diese selbstmörderische Wahnsinnstat war nicht nur Ausdruck eines abgrundtiefen Hasses auf die letzte verbliebene Supermacht. Nein, sie richtete sich gegen die Werte und die Lebensart der westlichen Welt insgesamt, der neben Amerika auch wir in Europa angehören.

Vorbei war der kurze Traum von einer geeinten Menschheit. Nicht wenige hatten insgeheim schon die Hoffnung auf einen Weltstaat gehabt, in dem es Sicherheit, Wohlstand, Freiheit und Gerechtigkeit für jedermann gibt. Doch dies hatte sich schon einmal als Luftschloss erwiesen. Das war Ende des 2. Weltkrieges 1945 bei der Gründung der Vereinten Nationen, weltweit besser bekannt unter ihrer englischen Bezeichnung United Nations Organization, kurz UNO oder UN. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaft zur Pflege der freundschaftlichen Beziehungen und zur Sicherung des Friedens zwischen den Völkern, der heute 191 Staaten der Erde angehören. Nur der Vatikanstaat und die nicht allgemein anerkannten Staaten Taiwan und Westsahara sind nicht Mitglieder der Organisation.

WELTFRIEDENSORGANISATION STATT QUASSELBUDE

Schon nach den schrecklichen Erfahrungen des 1. Weltkrieges (1914-1918) war unter verantwortungsbewussten Staatsmännern die Einsicht gewachsen, dass die internationale Politik und die Beziehungen zwischen den Völkern unbedingt neu gestaltet werden müssen, damit ein Krieg wie dieser nie wieder ausbrechen kann. Deshalb wurde 1919 der Völkerbund geschaffen. Er sollte eigentlich die erste Weltfriedensorganisation in der Menschheitsgeschichte werden, aber er funktionierte nicht. Zum einen standen sich die ehemaligen Kriegsgegner in Europa noch viel zu unversöhnlich gegenüber und verfolgten hauptsächlich eigennützige Interessen. Zum anderen waren wichtige Staaten wie die USA und die Sowjetunion nicht dabei. So konnte der Völkerbund, den viele nur für eine unnütze Quasselbude hielten, nicht verhindern, dass Deutschland den 2. Weltkrieg (1939-1945) vom Zaun brach.

Aber aus Schaden wird man ja bekanntlich klug. Und so kam es, dass der Präsident der USA, Franklin D. Roosevelt, schon während des Krieges über eine bessere und wirksamere Weltfriedensorganisation nachdachte. Zusammen mit Großbritannien und der Sowjetunion, seinen Hauptverbündeten gegen Deutschland und Japan, arbeitete er den Plan für die Vereinten Nationen aus. 51 Staaten machten von Anfang an mit, und die Weltfriedensorganisation konnte 1946 in New York ihre Arbeit aufnehmen.

Neue Mehrheiten
Der größte Unterschied zwischen Völkerbund und Vereinten Nationen besteht in ihrer Zusammensetzung. Im Völkerbund hatten die europäischen Staaten die Übermacht. Da die Entwicklung der UNO mit der Auflösung der Kolonialreiche zusammenfiel, haben heute die Staaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika die Mehrheit.

WER HAT WAS ZU SAGEN?

Die Vereinten Nationen ähneln in ihrem Aufbau einem demokratischen Staat mit Parlament (UN-Vollversammlung), Regierung (UN-Sicherheitsrat) und Präsident (UN-Generalsekretär). Doch das eigentliche Sagen hat hier nicht die Vollversammlung, in der die Abgesandten sämtlicher Mitgliedsländer sitzen. Dort werden lediglich die allgemeine Weltlage und die Probleme einzelner Länder beraten und Empfehlungen ausgesprochen. Die Entscheidungen fallen im Sicherheitsrat, in dem 15 Staaten vertreten sind. Fünf von ihnen haben dort einen ständigen Sitz: die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China. Sie werden auch Veto-Mächte genannt, weil sie jede Mehrheitsentscheidung durch Einspruch blockieren können. Die übrigen zehn Mitglieder werden von der Vollversammlung für jeweils zwei Jahre gewählt. An der Spitze der UNO steht der Generalsekretär, der zwar wenig Macht, aber wegen seines hohen Ansehens viel Einfluss hat. Er übernimmt in Streitfällen die Rolle eines Vermittlers.

Wie setzt sich der Sicherheitsrat zusammen?
In den Vereinten Nationen spiegelt sich noch immer die Vergangenheit wider. Die ständigen Vertreter im Sicherheitsrat sind die Siegermächte im 2. Weltkrieg. Da sich ihre einstigen Feindstaaten Deutschland und Japan aber inzwischen zu den wirtschaftlich stärksten und friedliebendsten Ländern der Welt gewandelt haben, wird schon seit längerem über ihre Aufnahme in den Kreis der ständigen Mitglieder nachgedacht.

HILFE UND VERSTÄNDIGUNG

Die UNO unterhält 30 Hilfs- und Sonderorganisationen für besondere Aufgaben. Am bekanntesten sind:

UNICEF: Das Kinderhilfswerk setzt sich dafür ein, dass sich die Lebensbedingungen der Kinder auf der ganzen Welt verbessern.

UNESCO: Die Organisation fördert die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich Erziehung, Wissenschaft und Kultur, richtet aber auch Kinderdörfer ein, in denen heimatlose Kinder eine Schul- und Berufsausbildung erhalten. Und sie kümmert sich um das Kultur- und Naturerbe der ganzen Welt.

WHO: Die Weltgesundheitsorganisation setzt sich für die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Weltbevölkerung ein und unterstützt die medizinische Forschung. Ihr ist es zu verdanken, dass viele schwere Krankheiten und tödliche Seuchen wie Malaria, Tuberkulose, Cholera, Pest, Pocken oder Fleckfieber eingedämmt oder ausgerottet werden konnten.

FAO: Die Welternährungsorganisation bemüht sich um die Bekämpfung des Hungers, beispielsweise durch die Entwicklung neuer Pflanzen und Anbaumethoden.

Weltbank: Sie leiht den armen Ländern Geld zu günstigen Bedingungen.

Internationaler Gerichtshof der Vereinten Nationen: Er dient als Schiedsgericht bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten.

MACHT UND OHNMACHT

Die Hoffnungen, dass die Vereinten Nationen den Weltfrieden dauerhaft bewahren sowie der Freiheit und den Menschenrechten weltweit Geltung verschaffen könnten, haben sich leider bislang nicht erfüllt. Die traurige Wahrheit ist, dass in den 50 Jahren nach ihrer Gründung weltweit rund 190 Kriege stattfanden, an denen 105 Staaten beteiligt waren. Zwar sind die „echten” Kriege zwischen Staaten deutlich zurückgegangen. An ihre Stelle sind jedoch verdeckte Kriege, Bürgerkriege und der Terrorismus getreten.

Vergeblich hatten die Gründer der Vereinten Nationen darauf vertraut, dass die Mitgliedsstaaten der Friedensorganisation freiwillig auf die Drohung und Anwendung von Gewalt verzichten würden. Für die UNO ist es allein schon deshalb schwierig, etwas gegen Friedensbrecher zu unternehmen, weil sie über keine eigene Armee verfügt. Aus eigener Kraft kann sie höchstens kleinere Friedenstruppen aus Soldaten verschiedener Mitgliedsländer zusammenstellen. Diese UN-Soldaten, die an der blauen Farbe ihrer Helme erkennbar sind („Blauhelmsoldaten”), werden eingesetzt, um die Streitparteien nach einem Waffenstillstand dauerhaft zu trennen. Für größere Einsätze zur Sicherung und Wiederherstellung des Friedens (Friedensmissionen) müssen die Vereinten Nationen auf die Hilfe von Armeen bestimmter Mitgliedsstaaten zurückgreifen. Diese werden dann mit einem Mandat der UNO ausgestattet.

Dennoch ist es gut, dass es die Vereinten Nationen gibt. Denn wo, wenn nicht dort, haben die Staaten überhaupt die Möglichkeit, ihre Auseinandersetzungen vor der Weltöffentlichkeit friedlich auszutragen? Es ist gar nicht auszudenken, wie viel mehr Kriege es gegeben hätte, wenn die UNO nicht wäre.

Die UNO und der Kalte Krieg
Jahrzehntelang war die UNO durch die Feindschaft zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion wie gelähmt. Die unterschiedlichen Auffassungen von Demokratie, Menschenrechten und Freiheit machten eine gemeinsame Haltung gegenüber Friedensstörern unmöglich. Zwischen 1945 und 1990 wurden 279 Entscheidungen im UN-Sicherheitsrat durch ein Veto (Einspruch) von einer der beiden Seiten zu Fall gebracht.

Für Kinder und Jugendliche
verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw, 2007)