Weltwirtschaftskrise
Amerika ist die Lokomotive der Weltwirtschaft und das Erdöl ihr Schmierstoff. Deutlich wurde dies einmal mehr nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, die die Börsen rund um den Globus kräftig durchrüttelten und das Wirtschaftsleben lähmten. Als die USA zum weltweiten Kampf gegen den Terror bliesen, dann aber den unbeteiligten Irak angriffen, war für Kritiker sofort klar: Den Amerikanern geht es wieder einmal nur ums Öl. Der Verdacht drängte sich deshalb auf, weil in der Außenpolitik der USA traditionell die Sicherung der Energieversorgung von allerhöchster Wichtigkeit ist und der Irak viele Ölquellen hat. Wie verwundbar die westlichen Industrieländer sind, zeigte sich erstmals, als während des Nahostkrieges von 1973 (des Jom-Kippur-Krieges) die arabischen Staaten das Erdöl als „Waffe” entdeckten: Als sie die Ölhähne zudrehten, geriet die Wirtschaft in den USA und Europa ins Stocken. In Deutschland konnte man auf den Autobahnen sogar Fahrrad fahren, weil die Autos am Sonntag in der Garage bleiben mussten, um Benzin zu sparen. Die zweite Ölkrise von 1979, die durch eine drastische Ölpreiserhöhung ausgelöst wurde, führte zu einer weltweiten Wirtschaftsflaute. Doch all diese Krisen konnten gemeistert werden, ehe sie größeren politischen Schaden anrichteten. Dass es aber auch schlimmer kommen kann, beweist die unheilvolle Geschichte der Weltwirtschaftskrise von 1929.
SCHWARZER FREITAG Es begann am 25. Oktober 1929. An diesem „Schwarzen Freitag” kam es zum „Krach” an der Börse in New York (USA). Überraschende Aktienverkäufe von Berufsspekulanten – das sind Glücksspieler an der Börse – führten zu schweren Kurseinbrüchen, d. h., die Aktien verloren drastisch an Wert. Die Börse glich einem Tollhaus. Wilde Gerüchte, dass bekannte, große Banken die Zahlungen einstellen würden, verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Panikverkäufe von Aktien führten zur Katastrophe: Die Kurse fielen ins Bodenlose. Ruinierte Geschäftsleute stürzten sich aus dem Fenster. Der Zusammenbruch riss alle Industrieländer mit sich – ausgenommen die Sowjetunion, die sich von der Weltwirtschaft abgekoppelt hatte. „Wenn Amerika niest, bekommt der Rest der Welt Schnupfen”, lautet eine altbekannte Börsenweisheit. Was es dann bedeutet, wenn Amerika eine schlimme Grippe hat, kann man sich ausmalen. Der 1. Weltkrieg (1914-1918) hatte Europa in ein Trümmerfeld, aber die USA in eine große Wirtschaftsmacht verwandelt. Das Amerika der Nachkriegsjahre war außerordentlich geschäftig. „Noch besser, noch größer, noch schneller”, das war die Devise. Alles wuchs: Industriekonzerne, Banken, Städte, Straßen, Häuser, Autos. Amerikanische Banken verliehen großzügig Geld in alle Welt – bis zum Börsenkrach im Oktober 1929.
DIE FOLGEN Doch dieses Land im Aufschwung hatte auch seine Schattenseiten: Rassengegensätze, Armut in den Slums der Vorstädte, keine soziale Absicherung. Die riesigen Vermögen befanden sich im Besitz nur weniger einflussreicher Personen. Der Börsenkrach offenbarte nun die Fehlentwicklungen in der amerikanischen Wirtschaft. Die Kaufkraft der breiten Masse war hinter der ständig wachsenden Warenproduktion zurückgeblieben. Arbeiter, Farmer und kleine Angestellte verdienten zu wenig Geld; viele lebten vom Existenzminimum. Die amerikanischen Unternehmen fanden nicht mehr genügend Käufer für ihre Produkte. Industriebetriebe mussten geschlossen, Löhne gekürzt und Beschäftigte entlassen werden. Besonders hart traf es verschuldete Farmer: Überproduktion bei sinkender Nachfrage ließ die Lebensmittelpreise fallen. Infolgedessen blieb in Europa mit einem Mal der warme Geldregen aus den USA aus, und die Amerikaner forderten die bereits gewährten Kredite zurück. Das führte in immer mehr Ländern zur Lähmung der Wirtschaft, insbesondere in den hoch verschuldeten Ländern Deutschland und Frankreich. Anstatt jedoch in dieser Situation zusammenzuarbeiten und nach einer gemeinsamen Lösung der Krise zu suchen, glaubte jedes Land, seine eigenen Märkte verteidigen zu müssen. Die Einfuhrzölle wurden erhöht und die Ausfuhren beschränkt, um Geld im Land zu halten. Dies bedeutete das Ende des Freihandels.
GROSSE DEPRESSION UND NEW DEAL Arbeitslosigkeit und Verarmung trafen die Amerikaner besonders hart, da sie keine soziale Absicherung hatten. Inmitten des Überflusses kam es zu regelrechten Hungersnöten. Zehntausende wurden aus ihren Wohnungen und von ihren Farmen vertrieben, weil sie Mieten und Darlehen nicht mehr bezahlen konnten. Einer damals herrschenden Überzeugung folgend, vertraute der amerikanische Präsident Herbert Clark Hoover, ein Republikaner, auf die „Selbstheilungskräfte” des Marktes. Da es ihm nicht gelang, das Land aus der Krise zu führen, wurde er 1932 abgewählt. Der neue Präsident Franklin Delano Roosevelt, ein Demokrat, bekämpfte die Krise mit staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft und das Sozialsystem. Mit seiner Politik des „New Deal” (new deal ist ein Ausdruck aus dem Kartenspiel und heißt so viel wie „Neuverteilung der Karten”) gelang es ihm ohne Rechtsbruch und Diktatur, die Wirtschaft zu festigen und den Massen wieder Arbeit zu verschaffen.
UNHEIL FÜR DEUTSCHLAND Ganz anders sah es in Deutschland aus. Hier war in der jungen Weimarer Republik die demokratische Ordnung noch alles andere als gefestigt. Deshalb weitete sich hier die wirtschaftliche zu einer politischen Krise aus – mit schlimmen Folgen. Weil die Amerikaner die Kredite, die sie Deutschland gewährt hatten, zurückforderten, brach das deutsche Bankwesen zusammen. Die Ausfuhr deutscher Industriegüter, von der jeder dritte Arbeitsplatz abhing, sank von 1929 bis 1933 um fast zwei Drittel. Zahllose Firmen gingen bankrott, und die Arbeitslosigkeit stieg: Schon im Winter 1928/29 hatte man in Deutschland mehr als zwei Millionen Arbeitslose gezählt. 1932 überschritt ihre Zahl die Sechs-Millionen-Grenze. Das bedeutete Not und Elend für rund 20 Millionen Menschen. Um die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen, setzte die deutsche Reichsregierung mit Hilfe von Notverordnungen die Gehälter, Löhne, Mieten und Zinsen herab und senkte die Staatsausgaben deutlich. Aber zu einer Gesundung der Wirtschaft kam es auf diesem Wege der Schrumpfung (Deflation) nicht. Infolge von Firmenpleiten wurden riesige Vermögen vernichtet. Die deutsche Industrieproduktion halbierte sich. Die große Not in Deutschland machten sich radikale Parteien, besonders die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf Hitlers zunutze, die stets die richtigen Sündenböcke und einfache Lösungen zur Hand hatten. Sie erhielten jetzt wachsenden Zulauf, besonders seit das Regierungsbündnis aus SPD und bürgerlichen Parteien an der Krise zerbrochen war und sich im Parlament keine klaren Mehrheiten mehr bildeten. Die Reichskanzler gingen dazu über, mit Notverordnungen zu regieren, und stützten sich auf die Vollmachten des übermächtigen Reichspräsidenten. Dies bedeutete den Niedergang des demokratischen Staates in Deutschland, dem Adolf Hitler 1933 schließlich den Todesstoß versetzte.
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