Alijew, Gejdar Ali Rsa Ogly
(1923-2003)

Staatspräsident von Aserbaidschan (1993-2003)

Geboren am 10. Mai 1923 in Nachitschewan, arbeitete Alijew nach einem abgebrochenen Architekturstudium ab 1941 für den sowjetischen Staatssicherheitsdienst. Nebenbei schloss er 1957 in Baku ein Studium der Geschichtswissenschaften ab und stieg bis 1967 zum KGB-Chef von Aserbaidschan im Rang eines Generalmajors auf (bis 1969). Seit 1966 gehörte er dem Zentralkomitee der aserbaidschanischen KP an, 1969 wurde er Vorsitzender der aserbaidschanischen KP, und ab 1971 war er zudem Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU. 1982 wurde er schließlich Vollmitglied des Politbüros der KPdSU sowie stellvertretender Ministerpräsident. In der Ära Gorbatschow verlor er zunächst all seine Posten in Staat und Partei, feierte aber 1990 als nationalistischer Abgeordneter des Obersten Sowjets von Aserbaidschan und ab 1991 als Parlamentspräsident der Autonomen Republik Nachitschewan sein politisches Comeback.

Nach dem Sturz des gewählten Präsidenten von Aserbaidschan, Abulfas Eltschibej, erhob ihn das Parlament in Baku im Juni 1993 zu seinem Präsidenten und damit zum amtierenden Staatsoberhaupt. Im Oktober 1993 wurde Alijew bei den Präsidentschaftswahlen mit 98,8 Prozent der abgegebenen Stimmen als Staatspräsident bestätigt. Im Oktober 1998 wurde er für weitere fünf Jahre gewählt, diesmal allerdings nur mit gut 76 Prozent der Stimmen, d. h. mit wenig mehr als der benötigten Dreiviertelmehrheit. Die Opposition warf ihm massiven Wahlbetrug vor, und auch die OSZE-Wahlbeobachter stellten „ernsthafte Unregelmäßigkeiten” fest. Dennoch wurde Alijew für eine zweite Amtszeit als Staatspräsident vereidigt.

Auch die Parlamentswahlen vom November 2000, die primär der Absicherung von Alijews Machtposition dienten, zeichneten sich durch umfangreiche, offensichtliche Wahlfälschungen aus, so dass der Europarat die geplante Aufnahme Aserbaidschans zunächst einmal aussetzte. Aus den Wahlen ging Alijews Partei Neues Aserbaidschan mit 71 Prozent der Stimmen als klarer Sieger hervor; Parlamentspräsident wurde Alijews Sohn Ilham Alijew. Der würde, sollte sein Vater zurücktreten oder sterben (Gejdar Alijew ist herzkrank), automatisch Staatspräsident. Gegen die Wahlergebnisse formierten sich vor allem in den Städten Baku und in Scheki massive Proteste. Im August 2002 ließ Alijew durch ein Referendum eine umstrittene Verfassungsreform, die nach Ansicht der Opposition in erster Linie die Erbfolge zugunsten Ilhams absichern und die Wahlchancen der Alijew-Gegner mindern sollte, verabschieden. Das Ergebnis des Referendums – nach Regierungsangaben 97 Prozent Zustimmung – war offensichtlich erneut durch Manipulationen und Fälschungen zustande gekommen. Laut der neuen Verfassung sollte künftig der Ministerpräsident automatisch Interimspräsident werden, sobald der amtierende Präsident sein Amt nicht mehr ausüben könnte. Im August 2003 wurde Ilham Alijew vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt (die Opposition hatte die Wahl boykottiert), nachdem der bisherige Ministerpräsident Artur Rasizade zurückgetreten war.

Der Absicherung der Macht im eigenen Land diente auch mangelnde Kompromissbereitschaft im seit Jahren schwelenden Konflikt mit Armenien um die Exklaven Nagorny-Karabach und Nachitschewan, so dass es trotz mehrerer, zum Teil durch internationale Vermittlung zustande gekommener Verhandlungsrunden zwischen Alijew und dem armenischen Präsidenten zu keiner Einigung kam.

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 15. Oktober 2003 erklärte der inzwischen todkranke Alijew, der sich zu dieser Zeit zur medizinischen Behandlung in den USA aufhielt, seinen Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur – zugunsten seines Sohnes. Und erwartungsgemäß ging Ilham Alijew aus dieser von Unregelmäßigkeiten und Gewalt gekennzeichneten Wahl als Sieger hervor; am 31. Oktober 2003 wurde er als Nachfolger seines Vaters im Präsidentenamt vereidigt. Am 12. Dezember 2003, nur wenige Wochen nach seinem Rückzug vom Präsidentenamt, starb Alijew in einer Klinik in Cleveland (Ohio, USA).

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)