Beutekunst
Schlagwortartige
Bezeichnung für die Gesamtheit deutschen Kulturgutes, das nach dem
2. Weltkrieg von der sowjetischen Siegermacht konfisziert und
in die UdSSR gebracht wurde.
Das
immense Ausmaß der nach 1945 von der Roten Armee systematisch
betriebenen Abtransporte war während der Besatzungszeit in
Deutschland zunächst niemandem recht bewusst geworden. Dies lag vor
allem daran, dass sich die erbeuteten Kunstwerke ohnehin jahrelang
nicht mehr an ihren angestammten Plätzen befunden hatten, sondern
wegen der Gefahr ihrer Zerstörung durch Luftangriffe von den
Nationalsozialisten in Bunkern, abgelegenen Schlössern und Burgen
oder stillgelegten Bergwerksstollen eingelagert worden waren. Hinzu
kam, dass die zuständigen Behörden der Sowjetunion in der
Folgezeit alles unternahmen, über die unter strengster
Geheimhaltung in Kellern, Magazinen und Lagerräumen aufbewahrten
Gegenstände Stillschweigen zu bewahren.
Bei
einer gründlichen Inventur nach 1945 war zwar offenbar geworden,
welch ungeheure Werte verloren gegangen waren, doch ging man lange
Zeit davon aus, dass ein Großteil davon im Krieg vernichtet worden
war. Erste Hinweise auf den tatsächlichen Verbleib der
Kunstgegenstände ergaben sich erst in der Glasnostperiode unter
Michail Gorbatschow. Der tatsächliche Umfang der Beutekunst wurde
jedoch erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 offenbar
und entwickelte sich bald zu einem die deutsch-russischen
Beziehungen ernsthaft belastenden Politikum.
Nach
Erkenntnissen der Bundesregierung lagerten in den Staaten der GUS
rund 200 000 Museumsexponate, zwei Millionen Bücher
und mehrere Regalkilometer Archivgut, darunter so wertvolle Exponate
wie der von Heinrich Schliemann entdeckte „Schatz des Priamos"
sowie Arbeiten von Vincent van Gogh, El Greco oder Goya. Zwar hatte
die deutsche Regierung im Hinblick auf ihre Rückgabeforderungen im
russischen Präsidenten Boris Jelzin einen einflussreichen
Fürsprecher, doch vor allem die Abgeordneten der russischen
Staatsduma vertraten mehrheitlich die Meinung, bei den Schätzen
handle es sich um eine gerechte Wiedergutmachung der von der
Wehrmacht hinterlassenen Kriegsschäden.
Nach
einem offen ausgetragenen Machtkampf wurde Präsident Jelzin
schließlich vom russischen Verfassungsgericht dazu verpflichtet,
sich der Duma zu beugen und am 21. April 1998 das so genannte
Beutekunstgesetz zu unterzeichnen, das sämtliche nach dem
2. Weltkrieg in die Sowjetunion überführten deutschen
Kulturgüter zum Eigentum Russlands erklärte.
Unterdessen
tauchte auch in anderen Ländern nach Kriegsende aus Deutschland
abtransportiertes Kulturgut auf, so z. B. im Pariser Louvre,
allerdings in deutlich geringerem Umfang als in der Sowjetunion bzw.
ihren Nachfolgestaaten. Die Eigentumsansprüche sind in diesen
Fällen noch ungeklärt.
Verfasst von:
Roland Detsch
(© cpw)
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