Bloody Sunday
auch Blutsonntag von Londonderry
oder Blutsonntag von Derry

An die blutige Niederschlagung einer irisch-nationalistischen Demonstration durch britische Sicherheitskräfte in Londonderry (Nordirland) erinnernde Bezeichnung für den 30. Januar 1972.

Rund 30 000 irische Nationalisten, darunter zahlreiche mutmaßliche IRA-Aktivisten, aus dem zum „Free Derry" erklärten Stadtteil Bogside waren an diesem Tag einem Aufruf der Derry Civil Rights Association (Derry Bürgerrechtsvereinigung) gefolgt, um gegen die kurz zuvor von den britischen Behörden dekretierte Möglichkeit einer Internierung ohne förmliche Anklage zu protestieren. Als sich die Demonstranten in Richtung Stadtzentrum bewegten, wurde ihnen von aus Belfast herbeibeorderten, schwer bewaffneten Einheiten der britischen Armee der Weg versperrt. Es kam zu Rangeleien mit einigen Barrikadenstürmern, in deren Verlauf auch Steine flogen. Nach umstrittenen Augenzeugenberichten löste sich plötzlich ein Schuss, und die Soldaten feuerten – angeblich aus Furcht vor einem Heckenschützen – in die Menge. 14 Demonstranten starben im Kugelhagel, ein weiterer erlag am nächsten Tag seinen schweren Verletzungen.

Der Bloody Sunday, dessen alljährlich mit einem Marsch durch Londonderry gedacht wird, hatte für die verantwortlichen Sicherheitskräfte keinerlei Konsequenzen. Ein britisches Gericht wertete – nach mangelhafter Beweisaufnahme und übereilig durchgeführten Untersuchungen – das rücksichtslose Vorgehen der Soldaten als legitime Notwehr gegen irische Terroristen. Bei den Angehörigen der Opfer sowie nationalistischen, irisch-republikanischen Kreisen stieß das Urteil als extrem einseitig auf scharfe Kritik. Erst 28 Jahre nach dem Bloody Sunday, im März 2000, begannen in Londonderry öffentliche Anhörungen, die genauen Aufschluss über die Vorgänge vom 30. Januar 1972 geben sollten. Die Wiederaufnahme der Untersuchungen, die aufgrund der Vorlage neuen Beweismaterials seitens der Angehörigen der Opfer und der irischen Regierung unumgänglich wurde, war Anfang 1998 vom britischen Premierminister Tony Blair angeordnet worden – zur Unterstützung des Friedensprozesses in Nordirland im Vorfeld des Stormont-Abkommens.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)