Eizenstat-Berichte

Bezeichnung für die historischen Studien „Eizenstat I" (1997) und „Eizenstat II" (1998) über die Kooperation neutraler Staaten mit dem nationalsozialistischen Deutschland während des 2. Weltkrieges, die Verwicklung internationaler Bankhäuser in Transaktionen mit so genanntem „Naziraubgold" und den Verbleib der auf Schweizer Konten deponierten Vermögenswerte von Opfern des Nationalsozialismus.

Erarbeitet wurden die Berichte im Auftrag der US-Regierung von einer im Oktober 1996 eingesetzten Historikerkommission unter der Leitung von Stuart Eizenstat, dem Sondergesandten des State Departments für die Zurückerstattung von enteignetem Besitz in Mittel- und Osteuropa. Die Berichte, die nach Sichtung und Auswertung von 15 Millionen Seiten historischer Dokumente am 7. Mai 1997 bzw. am 2. Juni 1998 vorgelegt wurden, gehen detailliert auf die von den Nationalsozialisten betriebenen Plünderungen in den während des 2. Weltkrieges besetzten Ländern und die Beraubung der Opfer ihres Staatsterrors ein. Sie decken die Funktion der Reichsbank als Hehlerin für erbeutete Vermögenswerte und als Handelspartnerin beim Einkauf kriegswichtiger Materialien und Güter im Ausland auf und entlarven die selbst gewählte Neutralität einiger Staaten als Vorwand für Gewinnsucht oder heimliche Sympathie mit dem Hitler-Regime.

Am härtesten ins Gericht geht der Report mit der Schweiz, die wegen ihrer gleichermaßen guten Wirtschaftsbeziehungen zu den Achsenmächten wie zu den Alliierten als eine der reichsten Nationen Europas aus dem Krieg hervorgegangen sei. Im Zentrum der Kritik steht dabei die Rolle der Banken, insbesondere der Schweizerischen Kreditanstalt und der Schweizerischen Nationalbank, die bedenkenlos Raubgold aus Deutschland übernommen habe, darunter auch so genanntes „Totengold" – in Barren geschmolzenes Zahngold, Münzen und Schmuck der Holocaustopfer.

Kritisch beleuchtet wird jedoch auch die nach dem Krieg von den Alliierten halbherzig betriebene Klärung des Verbleibs der geraubten Vermögenswerte, die mangelnde Bereitschaft zur Entschädigung der Opfer und ihrer Hinterbliebenen und vor allem die Unterschlagung so genannter „nachrichtenloser Konten" auf Schweizer Geldinstituten, die sich dabei auf das nationale Bankgeheimnis berufen konnten.

Weltweite Entrüstung und Androhung von Wirtschaftsboykottmaßnahmen veranlasste die Schweizerische Bankvereinigung zur Veröffentlichung einer Liste mit Namen von Inhabern nachrichtenloser Konten. Die Eizenstat-Berichte zogen Sammelklagen zehntausender Überlebender und Angehöriger von Opfern des Holocaust gegen Schweizer Großbanken, gegen die Deutsche Bank und die Dresdner Bank nach sich.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)