Verwaltung und Politik
Nach Ende des Unabhängigkeitskrieges
gegen Äthiopien, übernahm 1991 die Eritreische Volksbefreiungsfront
(Eritrean People’s Liberation Front, EPLF) die Macht,
erklärte sich aber bereit, zur Frage der staatlichen Souveränität
ein Referendum abzuhalten und stellte eine Demokratisierung des
Landes in Aussicht. Die Bevölkerung sprach sich im April 1993 mit
überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit aus, die am 24. Mai
1993 mit der Ausrufung der Republik proklamiert wurde. Im Juni 1993
wurde der Führer der EPLF, Isayas Afewerki, vom Übergangsparlament
zum Staats- und Regierungschef gewählt. Die im Mai 1997 ratifizierte
Verfassung trat niemals in Kraft. Im Dezember 2001 angekündigte
Parlamentswahlen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine
Opposition existiert, wenn überhaupt, nur innerhalb der
Regierungspartei People’s Front for Democracy and Justice (PFDJ).
Exekutive
Eritrea hat seit 1993 eine
Übergangsregierung. Der eigentlich Machthaber ist der
Staatspräsident, der zugleich als Staatsoberhaupt und Regierungschef
fungiert sowie den Vorsitz in der Nationalversammlung (National
Assembly) führt, die ihn 1993 offiziell wählte. Sein Kabinett,
Staatsrat (State Council) genannt, ist mit den wichtigsten
politischen Figuren im Land besetzt, die allesamt der People’s
Front for Democracy and Justice (PFDJ) angehören, die sich nach
der Unabhängigkeit als politischer Arm der Befreiungsbewegung
Eritrean People’s Liberation Front (EPLF) formiert hatte.
Legislative
Die gesetzgebende Gewalt liegt bei
der aus einer Kammer bestehenden National Assembly, bei der es sich
nach wie vor um ein Übergangsparlament handelt. Sie setzte sich
ursprünglich aus 75 Mitgliedern des Zentralrats der People’s
Front for Democracy and Justice ( PFDJ), 60 ausgewählten
Vertretern der Provinzparteien und 15 Vertretern der
Auslandseritreer zusammen.
Judikative
Teilweise zwar revidiert, basiert die
Rechtsprechung in Eritrea noch immer in erster Linie auf dem
Äthiopischen Gesetzbuch von 1957. Ein neues Zivil-, Wirtschafts- und
Strafrecht lässt noch immer auf sich warten. Höchste Instanz der
Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof (High Court). Unterhalb
existieren Gerichte auf lokaler, regionaler und kommunaler Ebene, wo
insbesondere bei zivilrechtlichen Auseinadersetzungen nach wie vor
traditionelle Arten der Konfliktregelung auf der Grundlage von
Gewohnheitsrecht oder der islamischen Scharia zur Anwendung kommen.
Verwaltungsstruktur
Eritrea gliedert sich in sechs
Regionen (Zoba), die über eigene Provinzverwaltungen verfügen:
Anseba, Debub, Debubawi Keyih Bahri, Gash Barka, Maakel und Semenawi
Keyih Bahri.
Geschichte
Die Geschichte Eritreas ist eng mit
der Äthiopiens verbunden. Zusammen mit Tigray bildete es über zwei
Jahrtausende das historische Kerngebiet Abessiniens am Horn von
Afrika, das im 4. Jahrhundert v. Chr. zum Königreich von Aksum
gehörte. Während sich jedoch der Rest der Bevölkerung zum
Christentum bekannte, wurde Eritrea im Zuge der ersten arabischen
Eroberungen im 7. Jahrhundert größtenteils muslimisch, und war im
16. Jahrhundert Teil des Osmanischen Reiches.
Kolonialzeit
Während das Hochland um Asmara ab
1890 unter äthiopischer Herrschaft stand, fiel die Küstenregion um
Massawa der Kolonialmacht Italien in die Hände und dienten ihr
sowohl im Krieg von 1895/96 als auch bei der Eroberung Äthiopiens
durch die Faschisten 1935/36 als Ausgangsbasis, wobei beide Male
auch einheimische eritreische Kolonialtruppen zum Einsatz kamen.
1941 von den Engländern befreit und zum britischen Protektorat
erklärt, wurde Eritrea 1952 auf Beschluss der Vereinten Nationen in
eine Föderation mit Äthiopien überführt, welches seine
völkerrechtlich zugesicherte Autonomie jedoch untergrub und es 1962
als 14. Provinz einverleibte.
Äthiopische Annexion und
Befreiungskrieg
Diese Annexion wurde zum Auslöser
eines über 30 Jahre währenden Guerillakrieges, der zunächst von der
muslimisch dominierten Eritreischen Befreiungsfront (Eritrean
Liberation Front, ELF) geführt wurde. 1973 ging aus einer
Abspaltung die laizistisch und marxistisch orientierte Eritreische
Volksbefreiungsfront (Eritrean Peoples’s Liberation Front,
EPLF) hervor, die fortan in vorderster Linie gegen die äthiopischen
Regierungstruppen kämpften, die nach der Revolution und dem Sturz
von Kaiser Haile Selassi 1974 ihren Kampf gegen die
Befreiungsbewegung noch intensivierten. Erst das Ende des Kalten
Krieges und die daraus resultierende Verringerung der Militär- und
Wirtschaftshilfe, die die Sowjetunion ab 1977 dem marxistischen
Regime von Mengistu Haile Mariam zukommen ließ, brachten Äthiopien,
das inzwischen in einen Mehrfrontenkrieg (Eritrea, Tigray, Ogaden)
verwickelt war, in Bedrängnis. 1990 brachte die EPLF im Verein mit
den Separatisten der Tigrayischen Volksbefreiungsfront (Tigray
People’s Liberation Front, TPLF) die nördlichen Provinzen unter
ihre Kontrolle und eroberte 1991 in einer gemeinsamen Offensive die
Hauptstadt Addis Abeba, beteiligte sich aber nicht an der Bildung
einer neuen Regierung.
Unabhängigkeit und Staatsbildung
Bereits 1990 hatte die EPLF, die sich
im Bruderkrieg mit der rivalisierenden ELF durchgesetzt hatte, die
Macht in Eritrea übernommen. Bei einer Volksabstimmung im April 1993
sprach sich die Bevölkerung für die staatliche Unabhängigkeit aus,
die im Mai 1993 in Kraft trat. Isayas Afewerki wurde von der
Nationalversammlung zum regierenden Staatspräsidenten Eritreas
gewählt. Seitdem wird das gesamte politische, wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Leben des Landes von der Einheitspartei
People’s Front for Democracy and Justice (PFDJ) beherrscht, dem
politischen Arm der Befreiungsbewegung EPLF.
Grenzkonflikte
1995 kam es zu einem bewaffneten
Konflikt mit Jemen um die Inselgruppe Hanish im Roten Meer, der vom
internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen 1996 beigelegt
werden konnte. Wachsende wirtschafts- und finanzpolitische
Spannungen sowie beiderseitige Gebietsansprüche eskalierten 1998 zu
einem opferreichen Grenzkrieg mit dem ehemaligen Mutterland
Äthiopien, der Millionen Menschen in die Flucht trieb. Im Juni 2000
akzeptierten beide Parteien ein Abkommen, das eine entmilitarisierte
Pufferzone im Grenzgebiet vorsah, die seit April 2001 von
Friedenstruppen im Rahmen der United Nations Mission in Ethiopia
and Eritrea (UNMEE) gesichert wird. Ein im Dezember 2000
geschlossener Friedensvertrag sah u. a. die Einsetzung einer
unabhängigen Kommission vor, die im April 2002 den Grenzverlauf
festlegte, welcher von Äthiopien bisher nicht akzeptiert wurde.
Verfasst von:
Roland Detsch
(© cpw)