Fertigbauweise

Errichtung von Gebäuden mit Hilfe von vorgefertigten Bauteilen (Fertigteilbau). 

Unterschieden wird zwischen offenen Systemen unter Verwendung genormter Bauteile verschiedener Hersteller und geschlossenen Systemen, bei denen das gesamte Gebäude in Form eines Baukastens von einem einzigen Produzenten stammt. Die Bausysteme ihrerseits unterteilen sich in Tafelsysteme, bei denen Wand- und Deckenteile in Form von tragfähigen Tafeln aus Stahlbeton zu Räumen zusammengesetzt werden, Zellensysteme, bei denen man ganze Räume in Form von Zellenelementen aus Stahlbeton aneinander fügt, und Skelettsysteme, bei denen Konstruktionen aus stählernen, stabförmigen Bauteilen, die mit nichttragfähigen Paneelen ausgefacht werden, die tragenden Funktionen übernehmen. Beispielsweise können in der Skelettbauweise erstellte Schulgebäude mit mobilen Trennwänden, Wandtafel-, Vitrinen- oder Schrankelementen ausgestattet werden, die sich je nach Platzbedarf umstellen lassen. Bei den Skelettsystemen unterscheidet man zwei Grundtypen. Beim ersten Typ bestehen die Skelette aus linearen Teilen (gerade Stützen und Unterzüge), die sich über mehrere Geschosse erstrecken oder teilweise auch geschossweise gestoßen werden, beim zweiten Typ werden Skelette aus Rahmenteilen, zweistieligen Rahmen oder aus Rahmenteilen in T- und H-Form übereineinander gestellt. Es gibt auch mehrere Varianten und Mischformen der verschiedenen Systeme. Teilweise werden komplett mit Einrichtungsgegenständen ausgestattete, allseitig geschlossene Raumzellen für Räume mit hohem Ausbaugrad wie Bäder, Küchen (Einbauschränke, Herd, Spüle, Klosett, Waschbecken, Duschkabine, Heizkörper, Fliesen etc.) verwendet, während die übrige Konstruktion in Großtafelbauweise oder als Skelettkonstruktion ausgeführt wird. Um eine größere Vielfalt in der Grundrissgestaltung zu ermöglichen, werden teilweise nur zweiseitig begrenzte Raumzellen (= offene Raumzellen) verwendet, an die beliebig angebaut werden kann.

Die Idee der Fertigbauweise stammt von Leonardo da Vinci, der 1516 eine komplett aus zerlegbaren Typenhäusern bestehende Idealstadt an der Loire plante; lediglich die Fundamente sollten örtlich erstellt werden. Ab 1650 wurden in Amerika Häuser aus vorgefertigten Wandteilen in Holzrahmenkonstruktion erstellt, die die englischen Einwanderer bereits vorgefertigt in ihren Schiffen mitbrachten. Für die Weltausstellung in London 1851 errrichtete Sir Joseph Paxton in Rekordbauzeit von nur sechs Monaten einen Kristallpalast mit 600 Meter Länge, 120 Meter Breite und 37 Meter Höhe ausschließlich aus Fertigteilen. Das Ziel einer wirtschaftlichen und schnellen Bauweise sowie die aufkommende Betonbauweise haben dem Fertigteilebau insbesondere nach dem 2. Weltkrieg rasch zum Durchbruch verholfen. Bereits 1950 betrug sein Anteil in der Sowjetunion 80 Prozent, in der Bundesrepublik wurden 1975 17 Prozent der Häuser aus Fertigteilen erstellt. Besonders geeignet erwies sich die Fertigbauweise für Bauten mit standardisierten Nutzungsansprüchen wie Schulen, Bürogebäude, Industriebauten, Krankenhäuser und Serienwohnhäuser.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)