Georgien

(Politik - Verwaltung - Geschichte)

Politik und Verwaltung:

Exekutive

Durch einen Zusatz zur Verfassung von 1995 verfügt Georgien seit 2004 über ein semipräsidentielles Regierungssystem mit einer exekutiven Doppelspitze nach französischem Vorbild. Der für maximal zwei fünfjährige Amtsperiode direkt vom Volk gewählte Staatspräsident ist Staatsoberhaupt und nimmt durch die Zuständigkeit für Innere Angelegenheiten und Verteidigung eine machtvolle Position in der Regierung ein. Er ist zudem oberster Repräsentant Georgiens in außenpolitischen Angelegenheiten und Oberkommandierender der Streitkräfte. Der Präsident teilt sich den Posten des Regierungschefs mit einem Ministerpräsidenten, der für die übrigen Ressorts zuständig ist. Dieser wird dabei von den Fachministern seines Kabinetts assistiert, die er in Übereinkunft mit dem Präsidenten ernennt. Die Regierung muss sich sowohl gegenüber dem Präsidenten als auch dem Parlament verantworten.

Legislative

Für die Gesetzgebung und die Kontrolle der Exekutive ist in Georgien der aus einer Kammer bestehende Oberste Rat, zuständig, ein Parlament mit 235 Sitzen, das alle vier Jahre durch eine Volkswahl nach dem Verhältniswahlrecht neu besetzt wird. 150 der Ratsabgeordneten kommen dabei über Listenplätze ihrer Parteien zu ihren Mandaten, der Rest verfügt über ein Direktmandat.

Judikative

Höchste Instanzen der Rechtsprechung sind neben einem Verfassungsgericht der Oberste Gerichtshof, dessen Richter auch Empfehlung des Gerichtsvorsitzenden oder des Staatspräsidenten von den Abgeordneten des legislativen Obersten Rates gewählt werden. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes kann vom Obersten Rat entlassen werden. Ferner existieren noch Gerichte erster und zweiter Instanz.

Parteien

Wichtigste Parteien sind die aus einer Fusion 2004 der Nationalbewegung und der Burdschanadse-Demokraten hervorgegangene Bündnis Nationale Bewegung/Demokratische Front, Georgische Volksfront, Georgische Vereinigte Kommunistische Partei, die Partei „Georgiens Weg“, Grüne, die Partei „Industrie rettet Georgien“, Arbeiterpartei, Nationale Demokratische Partei“, die Neuen Rechten, Republikanische Partei, Sozialistische Partei und die Union der Nationalen Kräfte/Neue Konservative.

Verwaltungsstruktur

Georgien setzt sich aus neun Regionen zusammen, die eigene Gouverneure und Verwaltungen unterhalten und sich administrativ in Distrikte und Kommunen untergliedern: Gurien, Kachetien, Kwemo-Kartli, Imeretien, Mingrelien-Semo-Swanetien, Mtskheta-Mtianeti, Racha-Letschchumi, Samtzche-Dschawacheti und Schida-Kartli. Einen Sonderstatus hat die Hauptstadt Tiflis, die über eine eigene Regierung und einen Stadtrat verfügt. Ebenso wie die Städte Batumi, Kutaisi, Poti, Rustawi und Suchumi genießt sie regionale Unabhängigkeit.

Daneben existieren noch die beiden autonomen Republiken Abchasien mit der Hauptstadt Suchumi im Nordwesten und Adscharien mit der Hauptstadt Batumi im Südwesten. Abchasien beansprucht ebenso wie das nördlich gelegene autonome Gebiet Südossetien die Sezession von Georgien und staatliche Souveränität.

Geschichte

Der aufsehenerregende Fund eines 1,8 Millionen alten Schädels auf einem Vulkanplateau unterhalb der Ruinen von Dmanisi südwestlich von Tiflis hat 2001 die Theorie umgeworfen, wonach der Frühmensch Homo erectus erst vor rund 1,3 Millionen Jahre aus seiner Heimat Afrika auszog, um über Asien nach Europa einzuwandern. Dieses Fossil und weitere Zeugnisse steinzeitlicher Behausungen vor allem aus dem Acheuléen, die von den Küsten des Kaspischen und Schwarzen Meeres bis hinauf ins kaukasische Hochland verstreut liegen, belegen, dass das heutige Georgien zu den ältesten Siedlungsgebieten der Menschheit in Eurasien zählt.

Eine Besiedlung der Region lässt sich 4000 Jahre weit zurückverfolgen. Eine erste kulturelle Hochblüte erlebte sie zu Zeiten der Königreiche Diaochi und Kolcha. Mit dazu beigetragen haben dürfte der sagenhafte Reichtum an Metallen wie Gold, Silber, Kupfer und Eisen. Sie machten den Kaukasus, die Heimat des schmiedenden Feuergottes Hephaistos, zum Erzgebirge und zur Waffenschmiede der Bronzezeit, was auch in griechischen Mythen wie von Jason und den Argonauten auf der Suche nach dem „Goldenen Vlies“ Widerhall findet. Archäologische Funde am Siedlungshügel Didi Gora in der Ebene des Alasani in der östlichen Provinz Kachetien deuten auf intensive Kontakte zur Ägäis und zu Westanatolien in der damaligen Zeit hin.

Nationale Einheit und Staatsgründung

Eine Kolonisation durch ionische Griechen, die zu Zeiten der Königreiche Kolchis und Iberien Handelsniederlassungen gründeten, erfolgte erst ab dem 6. Jahrhundert v. Chr.. Etwa 200 Jahre zuvor wurden die kulturellen Grundlagen der heutigen Georgier gelegt. Obwohl sich ihre Abstammung aufgrund vielfältiger Völkervermischungen im Laufe der Jahrtausende nur schwer nachvollziehen lässt, betrachten sich die Georgier selbst als Abkömmlinge einer höherwertigen Rasse der Kaukasier, genauer gesagt als Kartwelier, ein zur Herrschaft über andere Kaukasusvölker berufenes Herrenvolk. Davon kündet auch der Name Sakartwelo („Land der Kartwelier“), die offizielle Staatsbezeichnung für Georgien, das im Übrigen weniger -- wie propagiert -- auf den Heiligen Georg als auf „georgos“, das griechische Wort für „Bauer“, zurückgehen dürfte.

Bis zum 7. Jahrhundert hatten das Persische Reich und Byzanz um die Vormacht in der Region gerungen, die nach dem Niedergang von Kolchis in fünf Fürstentümer mit dem überwiegend christlichen Lasika (Lasicum) im Zentrum zerfallen war. Umgeben von heidnischen Nachbarn und im Kampf gegen muslimische Araber und Seldschuken spielte das einigende Band des schon im 4. Jahrhundert angenommenen christlichen Glaubens eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer Nation, die mit der Gründung eines vereinigten georgischen Königreichs spätestens unter David IV. („der Erbauer“) im 12. Jahrhundert abgeschlossen war.

200 Jahre später wurde es von den Mongolen zerstört, später zwischen Persien und dem Osmanischen Reich ausgeteilt und zwischen 1783 und 1810 in das russische Zarenreich integriert. Im März 1918 nutzten georgische Separatisten die Schwäche Russlands infolge des Ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution, um mit Rückendeckung des Deutschen Kaiserreichs eine kurzlebige Demokratische Republik Georgien auszurufen. 1921 von der Roten Armee besetzt, 1922 mit Aserbaidschan und Armenien in der Transkaukasischen Föderativen Sozialistischen Sowjetrepublik (TFSSR) zusammengefasst, wurde Georgien 1936 als „Grusinische Sozialistische Sowjetrepublik“ Teil der UdSSR.

Unabhängigkeit

Zu Sowjetzeiten rigoros unterdrückt, regten sich im Zuge der Perestroika Michail Gorbatschows Ende der neunziger Jahre sofort Unabhängigkeitsbestrebungen unter den Völkern Georgiens, und schwelende Nationalitätenkonflikte flammten wieder auf. Georgien war eine der ersten Republiken, die aus dem Verband der UdSSR ausscherte, indem es sich bereits im April 1991 zum souveränen Staat erklärte. Um ihre kulturelle Identität wieder herzustellen, wollten sich die vom iranischen Reitervolk der Alanen abstammenden Osseten des autonomen Gebietes Südossetien von Georgien lösen, um sich mit der benachbarten Nordossetischen Autonomen Republik zu vereinigen. Die überwiegend sunnitischen Abchasier, deren Wurzeln auf dem Balkan liegen und deren Land Anfang der zwanziger Jahre als autonomer Teil in die Grusinische Sowjetrepublik eingegliedert worden war, taten es ihnen gleich.

Bürgerkrieg 1991 – 1993

Ursache für die erste innenpolitische Krise der jungen Republik war die Direktwahl des Ultranationalisten Swiad Gamsachurdia zum ersten Präsidenten Georgiens am 26. Mai 1991. Der ehemalige Chef des antisowjetischen Oppositionsbündnisses „Runder Tisch - Freies Georgien“ ging auf Konfrontationskurs zu Moskau und regierte zunehmend autoritär. Durch seine Unfähigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Missstände in den Griff zu bekommen, seine rigorose Nationalitätenpolitik und seine rücksichtslose Verfolgung politischer Gegner machte er sich bald viele Feinde. Regierungsfeindliche Demonstrationen eskalierten zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten und weiteten sich im Herbst 1991 zu einem Bürgerkrieg aus Als nach viermonatigen Kämpfen Teile der Nationalgarde unter der Führung des ehemaligen Verteidigungsministers Tengis Kitovani zur Opposition überlief, floh Gamsachurdia am 7. Januar 1992 und verschanzte sich in seiner Heimatstadt Sugdidi. Ein aus führenden Oppositionellen gebildeter Militärrat setzte eine Übergangsregierung ein, die den international renommierten ehemaligen georgischen KP-Chef und sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse zum Vorsitzenden des Staatsrates bestellte, ehe dieser am 11. Oktober 1992 zum Parlamentspräsidenten gewählt und mit den Vollmachten eines Staatspräsidenten ausgestattet wurde.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen, die Macht zurückzuerobern, nutzten „Swiadisten“, wie sich die Anhänger Gamsachurdias nannten, im Sommer 1993 die militärische Schwäche Georgiens infolge einer Offensive abchasischer Separatisten aus und brachten bis Mitte September ganz Westgeorgien unter ihre Kontrolle. Um sich die Unterstützung Moskaus im Kampf gegen die Abchasier und die Swiadisten zu sichern, verkündete Schewardnadse am 8. Oktober den Beitritt Georgiens zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und unterzeichnete ein Militärabkommen mit Russland. In der Folgezeit gelang es georgischen Truppen, die Swiadisten, deren Widerstand nach dem angeblichen Selbstmord Gamsachurdias schwand, aus den eroberten Gebieten zurückzudrängen und den Bürgerkrieg für sich zu entscheiden.

Rosenrevolution 2003/04

Bei den Präsidentschaftswahlen vom November 1995 setzte sich Eduard Schewardnadse durch. Seine 1993 gegründete Bürgerunion ging aus den zeitgleichen Parlamentswahlen als Sieger hervor. Durch rechtsstaatliche Reformen sowie eine politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes nach Westen (u. a. strategische Partnerschaft mit der NATO, Mitgliedschaft im Europarat, Antrag zur Aufnahme in die Europäische Union) bescherte Schewardnadse seiner Partei bei den nächsten Wahlen im Oktober 1999 sogar die absolute Mehrheit.

Als Schewardnadse vor dem Hintergrund zunehmender Korruption und wirtschaftlicher Stagnation nach den Parlamentswahlen vom 2. November 2003 trotz massiver Betrugsvorwürfe abermals den Sieg für sein Parteienbündnis „Für ein neues Georgien” reklamierte, kam es zu wochenlangen Protestdemonstrationen. Am 22. November 2003 stürmten Oppositionsanhänger das Parlament, enthoben Schewardnadse seines Amtes und ersetzten ihn durch die Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse. Doch der Präsident fügte sich erst in sein Schicksal, als große Teile der Sicherheitskräfte zur Opposition überliefen. Dieser unblutige Umsturz, der als Rosenrevolution in die Geschichte Georgiens einging, führte am 2. Januar 2004 zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die der westsorientierte Oppositionsführer Michail Saakaschwili mit 96 Prozent Stimmenanteil für sich entschied. Seine Nationale Bewegung sicherte sich im Bündnis mit Burschanadses Demokratischer Partei bei der Wiederholung der Parlamentswahlen im März 2004 die absolute Mehrheit.

Nationalitätenkonflikte

In der Absicht, die staatliche Einheit Georgiens mit allen Mitteln wiederherzustellen, erklärte Saakaschwilli im März 2004 als erstes den seit 13 Jahren wie ein Fürst regierenden unpopulären adscharischen Präsidenten Aslan Abaschidse für abgesetzt, verlegte im Juli 2006 Truppen in die zu Abchasien gehörige entmilitarisierte Kadari-Schlucht und forderte durch militärische Manöver in den entmilitarisierten Grenzschutzzonen die unter russischem Schutz stehenden Separatisten Südossetiens und Abchasiens heraus.

Adscharienkonflikt

Bei den Bewohnern der Autonomen Republik Adscharien handelt es sich zwar überwiegend um Georgier, die jedoch eine eigenständige kulturelle Identität aus ihrem muslimischen Glauben ableiten, den sie unter dem Einfluss der benachbarten Türken angenommen hatten. Zwar stellten sie ihre Zugehörigkeit zu Georgien nie in Frage, doch pochten sie auf ihre Autonomie. Als diese vom georgischen Präsidenten Swiad Gamsachurdia Anfang der neunziger Jahre zur Disposition gestellt wurde, kam es zu Massendemonstrationen. 1992 formierte sich unter der Führung des von Georgien protegierten Präsidenten Aslan Abaschidse, ein Bund für die Nationale Erneuerung Adschariens, für den 15 Sitze im georgischen Parlament reserviert waren. Aufgrund seiner Opposition gegen die aus der Rosenrevolution hervorgegangene neue Regierung in Georgien geriet Abaschidse ins Visier des georgischen Präsidenten Saakaschwili. Dieser nutzte die Unzufriedenheit der Adscharen mit ihrem selbstherrlichen Herrscher Abaschidse und schürte zu seinem Sturz eine zweite Rosenrevolution. Bei den Wahlen zum adscharischen Regionalparlament setzte sich Saakaschwilis Partei „Siegreiches Adscharien“ mit absoluter Mehrheit durch. Im Juli 2004 wurde die Autonomie Adschariens per Gesetz deutlich eingeschränkt.

Ossetienkonflikt

Der Konflikt zwischen Georgiern und Osseten hat eine lange Tradition. Während sich Russland den nördlichen Teil Ossetien einverleibte, sicherte sich Georgien in der Zeit der Unabhängigkeit von 1918 bis 1921 mit Waffengewalt den südlichen. 1922 erklärte die sowjetische Führung Südossetien zum autonomen Gebiet innerhalb der Georgischen Sowjetrepublik, was die Osseten freilich nicht vor wirtschaftlicher Benachteilung und einer systematischen Assimilierungspolitik feite. Nach vergeblichen Versuchen, den Status einer Autonomen Republik zu erlangen, kamen die Osseten der georgischen Unabhängigkeit zuvor, proklamierten am 20. September 1990 einen souveränen Staat und wählten ein eigenes Parlament.

Um die Sezession zu verhindern, drangen im Januar 1991 georgische Nationalistenmilizen in Südossetien und lieferten den Separatisten, die von Freiwilligen der Konföderation der Bergvölker des Kaukasus, einem Bündnis nordkaukasischer Nationalisten, unterstützt wurden, blutige Kämpfe. Die Separatisten konnten sich dabei der militärischen Ausrüstung bedienen, die ihnen die abziehende Sowjetarmee auf Geheiß Moskaus, das die südossetische Sache mehr oder minder unverhohlen unterstützte, zurückgelassen hatte. Bei einem Referendum am 19. Januar 1992 sprachen sich über 90 Prozent für die Unabhängigkeit von Georgien und den Anschluss an das zur Russischen Föderation gehörige Nordossetien aus.

Um Südossetien zu halten, entsandte der georgische Präsident Swiad Gamsachurdia im Frühjahr 1992 die Nationalgarde, die in schweren Gefechten mit südossetischen Verbänden große Teile der Hauptstadt Zchinwali zerstörte und eine Flüchtlingswelle in Gang setzte. Eine Verhandlungslösung bahnte sich erst nach dem Sturz Gamsachurdias an. Am 24. Juni 1992 unterzeichneten der neue Präsident Georgiens, Eduard Schewardnadse, der russische Präsident Boris Jelzin sowie Vertreter Nord- und Südossetiens in Sotschi ein Abkommen zur Beilegung des Konflikts. Es sah unter anderem die Schaffung einer trilateralen Friedenstruppe zur Sicherung des Waffenstillstandes und die Einrichtung einer Kontrollkommission aus Vertretern der drei Seiten vor, die unter Moderation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine politische Lösung der Statusfrage ausarbeiten sollte.

In Frage gestellt wurde der Friedensprozess durch die Machtübernahme Michail Saakaschwilis im November 2003. Mit wirtschaftlichem Druck und militärischen Provokationen an der Demarkationsgrenze versuchte er, die Separatisten in die Knie zu zwingen und forderte damit auch Russland heraus, das sich als Schutzmacht der Südosseten betrachtet, die mehrheitlich russische Pässe besitzen.

Seit Sommer 2004 häuften sich Scharmützel im Grenzgebiet. Zwar bekräftigte die gemeinsame Kontrollkommission am 13. August 2004 den Waffenstillstand. Doch hatte Saakaschwillis Politik zu einem tief greifenden Vertrauensverslust und zur Aufkündigung aller bisherigen Verhandlungsergebnisse geführt. Im Dezember 2004 beendete die OSZE ihre Bobachtermission. Die nur durch internationalen Druck gemäßigten Spannungen zwischen den Nachbarn machen sich seitdem immer wieder in Anschlägen, militärischen Übergriffen und blutigen Zusammenstößen Luft. Nachdem die mehr als zehn Jahre währende Waffenruhe im Sommer 2004 gebrochen worden war, kam es auch 2005 regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen südossetischen Rebellen und georgischen Truppen.

Abchasienkonflikt

Seit dem Machtantritt Michail Saakaschwilis in Georgien hat sich auch das Verhältnis zu den Abchasiern verschlechtert. Abchasien stand seit 1810 unter russischem Protektorat und erklärte sich nach der Oktoberrevolution 1917 zunächst für unabhängig. Doch es musste sich letztlich den sowjetischen Ansprüchen beugen und wurde Anfang der zwanziger Jahre als gleichberechtigter Partner mit Georgien in der Transkaukasischen Föderation zusammengefasst. Es war der Georgier Jossif Stalin, der Abchasien 1931 mit dem Status eines autonomen Gebietes in die Grusinische Sowjetrepublik eingegliederte und „georgisierte“ – u. a. durch eine gezielte Umsiedlungspolitik, die die Abchasen zu einer Minderheit im eigenen Land (18 % Bevölkerungsanteil) machte.

Nach dem Ausscheren Georgiens aus der UdSSR erklärte sich das unterdrückte Abchasien, das bereits seit den siebziger Jahren vergeblich die Anerkennung als eigene Unionsrepublik forderte, am 23. Juli 1992 für unabhängig. Im August marschierten georgische Truppen ein, die mit Unterstützung der in Abchasien stationierten russischen Armee und Freiwilligen der Konföderation Kaukasischer Bergvölker zurückgeschlagen werden konnten. Der Krieg endete im Mai 1994 mit einem Waffenstillstand, dessen Einhaltung seitdem von Friedenstruppen der Gemeinschaft Unanhängiger Staaten (GUS) und Beobachtern der United Nations Mission in Georgia (UNOMIG) überwacht wird.

Nicht einigen konnten sich die Konfliktparteien über den Status Abchasiens und über die Rückkehr der etwa 250 000 Georgier, die von den abchasischen Freischärlern vertrieben worden waren. Gefährdet wurde der Waffenstillstand immer wieder durch Guerillamilizen georgischer Flüchtlinge, die sich zur Rückeroberung ihrer Heimat in der abchasischen Region Gali formierten. Die nach der Machtübernahme Saakaschwillis in Georgien ohnehin schon angespanntere Lage verschärfte sich im Herbst 2004, als sich Russland in die abchasischen Präsidentschaftswahlen einschaltete, um mit politischem, wirtschaftlichem und sogar militärischem Druck einen Machtwechsel zu verhindern.

Verhältnis zu Russland

Im Bestreben, seine politische und wirtschaftliche Hegemonie im Kaukasus zu wahren, ist Russlands Verhältnis zu Georgien ambivalent. Zur Destabilisierung des unbotmäßigen Gamsachurdia-Regimes ergriff Moskau in den Nationalitätenkonflikten zunächst offen Partei für die schutzsuchenden abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien und leistete ihnen Militärhilfe. Nach dem Machtwechsel in Tiflis änderte Russland seine Strategie. Als Gegenleistung für den von Eduard Schewardnadse verkündeten Eintritt in die GUS und die Öffnung seines Landes für russische Militärstützpunkte kam Moskau dem im Zweifrontenkrieg in Bedrängnis geratenen Georgien zur Hilfe und trug wesentlich zum Sieg im Bürgerkrieg bei. Hob der neue westlich orientierte Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, bei seinem Amtsantritt noch ausdrücklich die Notwendigkeit guter Beziehungen zu Moskau hervor, so verfocht er im geopolitischen Einflusskampf in der Region immer mehr die Interessen der USA und ging auf Konfrontation zu Russland. Durch den Kaukasus verlaufen wichtige Öl- und Erdgaspipelines; Georgien ist als Bindeglied zwischen Europa, Zentralasien sowie dem Nahen und Mittleren Osten von enormer strategischer Bedeutung.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)