Handwerk

Bezeichnung für Gewerbe und Erwerbstätigkeiten in den Bereichen der Be- und Verarbeitung von Stoffen sowie der Reparaturdienstleistungen, die in Betrieben geringer Größe oder von selbständigen Einzelunternehmern traditionell mit der Hand unter beschränktem Einsatz von maschinellen Hilfsmitteln ausgeführt werden. 

1. EINLEITUNG
Bis zum Beginn der industriellen Technisierung der Arbeitsprozesse bildete das Handwerk neben dem Bauernstand die bedeutendste Wirtschaftsgruppe. Nach einem vorübergehend bedrohlichen Bedeutungsverlust im Zuge der Industrialisierung konnte sich das Handwerk durch Spezialisierung auf durch Maschinen kaum zu ersetzende Arbeiten und durch die Eröffnung neuer Tätigkeitsfelder im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus behaupten. Abgesehen von Betrieben, die sich auf die Serienherstellung von Produkten für Industrie und Handel spezialisiert haben, zeichnet sich das Handwerk vor allem durch die Erbringung individuell bestellter Einzelleistungen aus. Wesentliche Merkmale des Handwerks sind ferner die aktive Mitarbeit des Betriebsinhabers und die überwiegende Beschäftigung von vorgebildeten Arbeitskräften.

2. AUSBILDUNG UND ORGANISATION  
In Deutschland ist die unternehmerische Ausübung des Handwerksgewerbes streng reglementiert. Alle Handwerker werden von den regionalen Handwerkskammern in als „Handwerksrollen" bezeichneten Verzeichnissen geführt. Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle ist die Ablegung einer Meisterprüfung im Anschluss an eine Lehre und eine mehrjährige Tätigkeit als Handwerksgeselle in einem Betrieb. Nach der Handwerksordnung gilt die Meisterprüfung als „großer Befähigungsnachweis" darüber, dass der Handwerker die praktischen und theoretischen Fachkenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung seines Berufes besitzt sowie über die erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen, rechtlichen und berufspädagogischen Kenntnisse verfügt, um einen Betrieb selbständig zu führen und gegebenenfalls handwerkliche Nachwuchskräfte ausbilden zu können. Selbständige Handwerker des gleichen oder eines ähnlichen Handwerksberufes innerhalb eines bestimmten Bezirks können sich zur Förderung ihrer gemeinsamen Interessen zu einer Handwerksinnung zusammenschließen. Deren Aufgabe ist es u. a., Tarifverträge abzuschließen, eigene Krankenkassen zu unterhalten und die Innungsmitglieder in Streitfällen gegenüber den Auftraggebern zu vertreten. Die überörtliche Interessenvertretung ist Aufgabe der Handwerkskammern, zu deren Beitritt der selbständigen Handwerker verpflichtet ist. Handwerkskammern sind nach Bezirken gegliedert und werden von der obersten Landesbehörde eingerichtet, arbeiten aber ansonsten in Selbstverwaltung. Sie sind ferner für die Aufsicht der Kreishandwerkerschaften und der Innungen in ihrem Bezirk zuständig.

3. GESCHÜTZTE HANDWERKSBERUFE  
Nach der deutschen Handwerksordnung gliedert sich das Handwerk in die Zweige Bau- und Ausbaugewerbe, Metall- und Holzgewerbe, Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe, Nahrungsmittelgewerbe, Gewerbe für Gesundheits- und Körperpflege, Reinigungsgewerbe sowie Glas-, Papier-, keramische und sonstige Handwerksgewerbe. Von den zahlreichen klassischen und gesetzlich geschützten Handwerksberufen seien an dieser Stelle nur einige, ausgewählte Beispiele genannt: Augenoptik, Bäckerei, Bogenmacherei, Bootsbau, Dachdeckerei, Elektroinstallation, Schmuckgravur, Feinmechanik, Friseurhandwerk, Galvaniseurhandwerk und Metallschliff, Gas- und Wasserinstallation, Geigenbau, Glas- und Porzellanmalerei, Glasschliff und Glasätzung, Glockengießerei, Goldschmiedehandwerk, Kraftfahrzeughandwerk, Sattlerei und Zahntechnik.

4. VOLKSWIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG  
In Deutschland bildet das Handwerk den zweitstärksten Wirtschaftsbereich und stellt einen wesentlichen Teil des Mittelstandes. Es trägt auch in strukturschwächeren Regionen zur Schaffung eines flächendeckenden Angebots wohnortnaher qualifizierter Arbeitsplätze bei und ist wegen seiner Verbraucher- und Kundennähe von konjunkturellen Schwankungen weniger hart betroffen als die überregionaler Konkurrenz unterworfenen industriellen Großbetriebe. Die Leistungsfähigkeit und die wirtschaftliche Bedeutung des deutschen Handwerks lässt sich statistisch belegen: Ende 1996 gab es in Deutschland 675 081 Handwerksbetriebe und handwerkliche Nebenbetriebe (1993: 765 406) sowie 148 707 Betriebe handwerksähnlicher Gewerbe. In den klassischen Handwerksberufen arbeiteten rund 6,4 Millionen Beschäftigte, in den handwerksähnlichen Berufen weitere 300 000. Das Handwerk macht einen Jahresumsatz von rund 848 Milliarden DM (1993: 689 Milliarden DM), handwerksähnliche Gewerbe bringen es auf einen Jahresumsatz von insgesamt 23,7 Milliarden DM. Rund 25 Prozent des Gesamtumsatzes wird mit Handel erzielt, 50 Prozent der Kundschaft sind private Haushalte, 40 Prozent Industrie und Gewerbe und 10 Prozent kommunale und staatliche Stellen. 1995 bildete das deutsche Handwerk 615 348 Auszubildende aus, 225 876 davon waren Berufsneuanfänger; im selben Jahr absolvierten 42 808 (1993: 59 064) Handwerker ihre Meisterprüfung. Der Handwerksanteil an der Bruttowertschöpfung liegt relativ konstant bei über 10 Prozent. Kennzeichnend für die Entwicklung im Handwerk ist der Rückgang von Kleinstbetrieben bei gleichzeitigem Anstieg von Mittelbetrieben mit fünf bis 49 Beschäftigten.

Handwerksbetriebe zeichnen sich durch vergleichsweise lang anhaltende Kontinuität aus, was nicht zuletzt auf den überdurchschnittlichen Anteil der Familienunternehmen sowie die enge persönliche Bindung des Unternehmers an seinen Betrieb zurückzuführen ist. Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Handwerkers und die engen persönlichen Kontakte von Betriebsmitarbeitern zum Betriebsinhaber sowie zu den Kunden schaffen eine hohe Berufszufriedenheit.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)