I
. G. Farbenindustrie AG

(kurz
I. G. Farben)

1925 durch Zusammenschluss von sechs mächtigen deutschen Unternehmen entstandener größter Chemiekonzern der Welt, der nach dem 2. Weltkrieg 1945 von den Siegermächten als einer der wirtschaftlichen Hauptprofiteure der nationalsozialistischen Herrschaft zerschlagen wurde.

Die Liquidation des Restvermögens der 1952 gegründeten und noch immer börsennotierten Auflösungsgesellschaft I.G. Farbenindustrie AG i.A. (in Abwicklung), die Anfang 1999 z. B. noch über 150 Millionen Quadratmeter Grundbesitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verfügte, dauert noch an.

Seine Ursprünge hatte der Chemiekonzern 1904, als die 1865 in Mannheim gegründete Badische Anilin- & Soda-Fabrik (BASF), die 1863 in Leverkusen gegründete Farbenfabrik Friedrich Bayer et. comp. und die 1873 in Berlin gegründete Aktiengesellschaft für Anilinfarbenfabrikation (Agfa) einen Dreierbund beschlossen. Am 2. Dezember 1925 erfolgte die Fusion zur Interessengemeinschaft (I.G.) der Farbenindustrie AG, an der sich auch Hoechst, Weiler Ter Meer und Griesheim Elektron beteiligten.

Das Unternehmen florierte schon vor der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Insgesamt 880 Firmenbeteiligungen im In- und Ausland sowie 9 000 deutsche und 30 000 ausländische Patente legen Zeugnis vom wirtschaftlichen Erfolg der I.G. Farben ab. Bereits 1932 riefen führende Repräsentanten des Unternehmens den „Freundeskreis des Reichsführers SS" (d. h. Heinrich Himmlers) ins Leben, der die NSDAP kräftig unterstützte. Fünf Jahre später hatte das Unternehmen alle jüdischen Direktoren entlassen, und jeder leitende Angestellte hatte ein NSDAP-Parteibuch. Von seiner 1933 durch das Feder-Bosch-Abkommen (ausgehandelt von dem wirtschaftspolitischen Sprecher der NSDAP Gottfried Feder und dem I.G. Farben-Vorstandsvorsitzenden Carl Bosch) beurkundeten Kooperation mit dem nationalsozialistischen Regime konnte der Konzern beispiellos profitieren.

Schon zu Kriegsbeginn produzierte die I.G. Farben mit 250 000 Mitarbeitern 43 Arten von Kriegsmaterial und chemischen Kampfstoffen. Im Zuge der so genannten Arisierung jüdischen Eigentums hatte die I.G. Farben nicht nur ungeheure Vermögenswerte an sich gerissen; Die I.G.-Direktoren Otto Ambros und Fritz ter Meer nahmen die von den Nationalsozialisten beschlossene „Endlösung der Judenfrage" auch zum Anlass, 1941 im polnischen Monowitz wegen der billigen Arbeitskräfte den Bau einer Produktionsstätte für künstlichen Kautschuk voranzutreiben, deren Gelände dann zu einer Außenstelle des Konzentrationslagers Auschwitz ausgebaut wurde.

Nach Schätzungen des Verbandes der durch die Nationalsozialisten geschädigten Polen mussten über 350 000 Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen für die I.G. Farben arbeiten; mehr als 20 000 Häftlinge kamen im KZ Monowitz zu Tode. Die I.G.-Tochterfirma DEGESCH (Deutsche Geselleschaft für Schädlingsbekämpfung) war es auch, die das Giftgas Zyklon B für den Holocaust in den Vernichtungslagern lieferte.

1945 beschlagnahmten die Alliierten das Vermögen der I.G. Farben. Von 23 als Kriegsverbrecher angeklagten Direktoren wurden am Ende des so genannten I.G.-Farben-Prozesses vor einem amerikanischen Militärtribunal im Rahmen der Nürnberger Nachfolgeprozesse 1947/48 nur 13 zu Haftstrafen verurteilt. Im Zuge der von den Siegermächten angeordneten Entflechtung des Konzerns entstanden nach 1952 mehrere Gesellschaften, u. a. die Bayer AG, die BASF AG und die Hoechst AG, die Dynamit Nobel AG und die Agfa Camerawerk AG sowie die Leuna-Werke in der DDR.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)