Kommunismus (von lateinisch communis: gemeinsam)

Gesellschaftsmodell, in dessen Zentrum die Abschaffung des Privateigentums und seine Überführung in Gemeineigentum stehen. Unter Kommunismus wird außerdem die Gleichheit der Lebensbedingungen aller Gesellschaftsmitglieder verstanden.

FRÜHE KOMMUNISTISCHE GESELLSCHAFTSENTWÜRFE

Der Gedanke, dass die Existenz des Privateigentums eine gerechte Gesellschaftsordnung unmöglich mache, hat zahlreiche Philosophen dazu veranlasst, kommunistische Gesellschaftsutopien zu entwerfen, so etwa Platon in seiner Schrift Der Staat. Das Gemeineigentum ist auch für die utopischen Gesellschaftsentwürfe von Thomas More (Utopia, 1516) und Tommaso Campanella (Civitas Solis, 1623; Der Sonnenstaat) kennzeichnend. Urchristliche Gemeinden und Glaubensgemeinschaften des Mittelalters entwickelten ähnliche Vorstellungen und Praktiken, ebenso wie der so genannte Jesuitenstaat in Paraguay (1609-1769). Als explizite Gegenentwürfe zur herrschenden Gesellschaftsordnung entstanden kommunistische Utopien aber erst in der Folge der Französischen Revolution, besonders unter sozialistischen Denkern des 18. und 19. Jahrhunderts, wie Charles Fourier und William Morris.

MARX UND ENGELS

Das heutige Verständnis vom Kommunismus wurde entscheidend von Karl Marx und Friedrich Engels durch das 1848 erschienene Kommunistische Manifest geprägt. Vor der Russischen Revolution (1917) nannte sich keine größere Arbeiterpartei oder -organisation „kommunistisch”. Davon unabhängig hatten alle sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien die Vorstellung, dass die Gesellschaft, die nach Überwindung des Kapitalismus geschaffen werden sollte, durch die Abschaffung des Privateigentums an den wichtigsten Produktionsmitteln und der produzierten Güter gekennzeichnet sein würde, mit anderen Worten, eine kommunistische Gesellschaft sein werde.

Marx formulierte keinen positiven Entwurf für diese Gesellschaftsordnung und äußerte sich auch nicht zu der Frage, wie sie errichtet werden könnte. Er und Engels hielten ihren wissenschaftlichen Sozialismus dem utopischen Sozialismus für überlegen (siehe Sozialismus, Marxismus). Der Hauptzweck von Marx’ theoretischer Arbeit lag darin,„die Bewegungsgesetze der kapitalistischen Gesellschaft” aufzudecken. In Die deutsche Ideologie (1845/46) führte er dazu aus: „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.”

Dennoch kann man seinen Schriften durchaus entnehmen, wie eine kommunistische Gesellschaft nach seinen Vorstellungen aussehen sollte. Zunächst einmal wären materielle Güter in einer kommunistischen Gesellschaft überreichlich vorhanden. Die Menschen wären von der Mühsal befreit, die ihnen der Kampf um das Lebensnotwendige auferlegt. Es gäbe keine Arbeitsteilung, da „die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden” (Die deutsche Ideologie). Unter diesen Bedingungen gibt es keine sozialen Klassen. Da der Staat Marx zufolge die Arbeitsteilung und die Aneignung des produzierten Reichtums (Vermögen) im Interesse der herrschenden Klasse regelt, ergibt sich, dass es im Kommunismus keinen Staat mehr geben kann: „Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf und damit den Staat als Staat. ... Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft –, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem anderen überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht ,abgeschafft’, er stirbt ab” (Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, 1880).

In seiner Kritik des Gothaer Programms (1875) unterscheidet Marx verschiedene Stadien des Kommunismus auf dem Weg zu seiner vollkommenen Entfaltung: In der Phase seiner Entwicklung, in welcher der Kommunismus sich gerade erst von der kapitalistischen Gesellschaft absetzt, ist zwar das Privateigentum bereits aufgehoben, es gibt aber noch Arbeitsteilung, und die Arbeitenden werden „jeder nach seiner Arbeit” bezahlt. „In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!”

DIE SOZIALISTEN UND DER KOMMUNISMUS

Die sozialistischen Parteien beriefen sich ebenfalls auf Marx. Zwar war auch ihr Ziel eine kommunistische Gesellschaft, sie waren jedoch der Auffassung, dass der Kapitalismus sich zuvor so weit entwickelt haben müsste, dass er an seine Grenzen gekommen in einer finalen Krise zusammenbräche. Die Anarchisten des 19. Jahrhunderts waren, insbesondere in Südeuropa, die wichtigsten politischen Gegner der Sozialisten. Sie vertraten die Auffassung, dass der Kommunismus und die Abschaffung des Staates spontan und sofort durch einen Aufstand der unterdrückten Massen (Michail Bakunin) oder durch die allmähliche Entwicklung von Genossenschaften„zur gegenseitigen Hilfe” (Pjotr Kropotkin) erreicht werden könnten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Anarchismus in der Arbeiterbewegung kaum noch von Bedeutung. Lediglich in Lateinamerika und in Spanien, bis zum Ende des Spanischen Bürgerkrieges, war er weiterhin ein politischer Machtfaktor. Bis 1917 waren die Sozialisten die Hauptverfechter einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Allerdings war der Kommunismus für sie ein langfristig anzustrebendes Ziel. Die Arbeiterschaft engagierte sich aber im Wesentlichen deshalb in sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, weil die praktischen Bemühungen der sozialistischen Aktivisten auf konkrete politische Ziele gerichtet waren: den Aufbau der Gewerkschaften und das Erreichen des allgemeinen Wahlrechtes, von Wohlfahrtsreformen und des Achtstundentages.

KOMMUNISTISCHE PARTEIEN

In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg und der Russischen Revolution entstand eine eigenständige kommunistische Bewegung. Von der sozialistischen unterschied sie sich vor allem durch die Verpflichtung auf den Leninismus und auf die Treue zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR). In Folge des Ausbruchs des 1. Weltkrieges löste sich die Zweite Internationale auf, die 1889 gegründet worden war. Die meisten sozialdemokratischen Parteien, darunter die mächtige deutsche und die französische Partei, hatten sich dafür entschieden, ihre jeweiligen nationalen Regierungen zu unterstützen. Eine Minderheit, darunter die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (der die Bolschewiki unter Wladimir Iljitsch Lenin damals noch angehörten), hielt an der strikt pazifistischen Position, die die Zweite Internationale in den Jahren vor 1914 wiederholt formuliert hatte, fest. 1917, wenige Monate vor der Russischen Revolution, nahm Lenin in seiner Schrift Gosudarstvo i revolutsija (Staat und Revolution) Marx’ Unterscheidung zwischen einem geringer und einem höher entwickelten Stadium des Kommunismus wieder auf, nannte die weniger entwickelte Periode Sozialismus und behielt den Ausdruck Kommunismus dem höher entwickelten Stadium vor, in dem es weder einen Staat noch soziale Klassen geben sollte. In der Periode des Sozialismus existierte nach Lenin der Staat in Form einer Diktatur des Proletariats weiter. Ihre Aufgabe sei, dem Kommunismus den Weg zu bereiten, indem bürgerliche Vorstellungen rasch und umfassend bekämpft wurden. Wie Lenin erklärte, sei diese Diktatur „nicht unser Endziel ..., sondern ein notwendiger Schritt mit dem Ziel, die Gesellschaft gründlich von der Scheußlichkeit und Verdorbenheit der kapitalistischen Ausbeutung zu säubern und weiteren Fortschritt vorzubereiten”.

In Russland ergriffen die Bolschewiki im Oktober 1917 die Macht. Lenins Anhänger im übrigen Europa stimmten darin überein, dass nicht notwendigerweise die vollständige Entwicklung des Kapitalismus abgewartet werden müsse, bevor der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft beginnen könne, die später in den Kommunismus übergehe. Sie gingen davon aus, dass die Zeit für eine kommunistische Revolution reif war, die sich über die ganze Welt ausbreiten sollte. Diese Revolution sollte den Kapitalismus aufheben und einen sozialistischen Staat gründen, keinen kommunistischen, der ja nach Marx einen Widerspruch in sich selbst darstellen würde. Aus diesem Grund nannten sich alle von Kommunisten gegründeten Staaten entweder sozialistisch (wie die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) oder Volksrepublik (wie China) oder Demokratische Republik (wie die Deutsche Demokratische Republik). Zur Umsetzung dieser Vorstellungen wurde eine neue Organisation gegründet, die Kommunistische Internationale (1919) oder Komintern. Sitz ihrer Zentrale war Moskau, die neue Hauptstadt der UdSSR. Sympathisanten der Bolschewiken in den verschiedenen sozialistischen Parteien wurden angehalten, neue Parteien zu gründen, die sich kommunistisch nennen mussten. Sie organisierten sich nach strikt militaristischen und zentralistischen Prinzipien (siehe Demokratischer Zentralismus). Die Parteikader sollten sich aus engagierten Berufsrevolutionären zusammensetzen. Ihre Aufgabe bestand darin, sich deutlich von allen anderen Sozialisten abzugrenzen, die man für unheilbar reformistisch hielt, und einen Aufstand vorzubereiten. 1921 waren die Arbeiterunruhen, die seit dem Kriegsende Europa erschüttert hatten, abgeebbt, und die Bolschewiki hatten ihre Macht in Russland konsolidiert. Mittlerweile hatten sich praktisch alle sozialistischen Parteien gespalten. Die neu gegründeten kommunistischen Parteien gerieten schnell in Abhängigkeit zur Kommunistischen Partei der UdSSR. Ihre Beziehungen zu den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien, von denen sie sich abgespalten hatten, hingen ganz vom jeweiligen Stand der Machtkämpfe in der UdSSR und den wechselnden Erfordernissen der sowjetischen Außenpolitik ab. Auf die erbitterte Denunziation der Sozialisten als Sozialfaschisten in den Jahren 1928 bis 1934 folgte die Aufforderung zur Bildung einer gemeinsamen Volksfront gegen den Faschismus. In der Phase zwischen den beiden Weltkriegen gelang es keiner kommunistischen Partei, eine sozialistische oder sozialdemokratische Partei aus ihrer führenden Position in der Arbeiterbewegung zu verdrängen.

DAS SOWJETISCHE MODELL

1930 war aus dem Kommunismus eine internationale Bewegung geworden, deren wesentliches Ziel die Verteidigung und der Schutz der UdSSR war. Als kurzfristiges Ziel galt, die bolschewistische Revolution und den darauf folgenden Aufbau des Sozialismus in der UdSSR in anderen Ländern zu wiederholen, wobei, soweit notwendig, nationale Besonderheiten berücksichtigt werden sollten. In der Zeit zwischen den Weltkriegen gingen die Kommunisten davon aus, dass sie die Macht nur über einen Aufstand ergreifen könnten, nicht über Wahlen oder auf parlamentarischem Wege. Die Umstände, die eine solche Revolution ermöglichten, waren nicht von den Kommunisten zu bestimmen, sondern hingen davon ab, dass die herrschende Klasse die Herrschaft nicht länger ausüben könnte und die unterdrückten Klassen bereit waren die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Lenin hatte dies als „ehernes Gesetz der Revolution” bezeichnet. Die Aufgabe der kommunistischen Vorhut bestand darin, Vorsorge für diese Möglichkeit zu treffen. Nur so, glaubte man, würde es den Kommunisten möglich sein, das Machtzentrum rasch zu erobern, die bürgerlichen Organe der repräsentativen Demokratie abzuschaffen und ein Netz von Räten (Sowjets), die von der kommunistischen Partei selbst koordiniert wurden, also die Diktatur des Proletariats zu errichten. Praktisch hieß das, dass die kommunistische Partei das Land regierte, indem sie sich die staatliche Organisation zunutze machte, darunter auch die Polizei und die Geheimdienste, um die Opposition zu zerstören und die Bildung unabhängiger Parteien oder Gruppierungen zu verhindern. Lenins Nachfolger Jossif Wissarionowitsch Stalin war nicht nur der unangefochtene Führer der Partei geworden, sondern bestimmte auch, was man als Kommunist zu denken hatte. Die in den dreißiger Jahren mit erstaunlicher Brutalität durchgeführte Kollektivierungs- und Industrialisierungsoffensive wurde von massiver politischer Unterdrückung begleitet, die jede Form abweichender Meinungen vernichten sollte („große Säuberungen”; siehe Tschistka). Von den Kommunisten wurde erwartet, alle Aspekte der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in der Sowjetunion zu verteidigen und darüber hinaus dafür zu kämpfen, dass sich in ihrem eigenen Land eine ähnliche Politik durchsetzte. Folglich waren die politischen Ziele der Kommunisten die gewaltsame Machtergreifung, die Verstaatlichung der wichtigsten Mittel der Produktion, Distribution und des Austausches, eine zentral gelenkte Planwirtschaft und die Kollektivierung der Landwirtschaft.

KOMMUNISMUS AUSSERHALB EUROPAS

Bis etwa 1920 war die sozialistische Bewegung auf Europa, Australien und Neuseeland beschränkt gewesen (in den Vereinigten Staaten gab es sie zwar, sie war jedoch unbedeutend). Der Sieg der Kommunisten in Russland gab der sozialistischen Ideologie jedoch erheblichen Auftrieb und sorgte dafür, dass sie sich auch außerhalb der industriell entwickelten Welt ausbreitete. Vertreter der Unabhängigkeitsbewegungen verstanden die UdSSR als Verfechter des Antikolonialismus und als Modell für die Überwindung der Rückständigkeit ohne Rückgriff auf den Kapitalismus.

Bereits 1920 hatte Lenin erkannt, welche Anziehungskraft das kommunistische Russland auf die Länder ausüben könne, die heute als Dritte Welt bezeichnet werden. Der junge indische Kommunist Manabendra Nath Roy sagte voraus, dass der Kommunismus in Asien auf besonders fruchtbaren Boden fallen würde. Viele junge asiatische Revolutionäre, die überwiegend der Mittelschicht entstammten, nahmen 1920 in Baku (Aserbaidschan, UdSSR) am Bolschewistischen Kongress östlicher Völker teil. Überall wurden kommunistische Parteien gegründet, u. a. auch in Japan, der Türkei, Persien, Indien und China.

Die einzige kommunistische Partei in Asien, die in den zwanziger Jahren eine nennenswerte Anhängerschaft in der Arbeiterklasse hatte, war die chinesische. Zwar wurde die chinesische kommunistische Partei 1927 von den nationalistischen Streitkräften Chiang Kai-sheks (Tschiang Kai-schecks) vernichtend geschlagen, sie zog sich jedoch unter der Führung Mao Tse-tungs (Mao Zedongs) auf das Land zurück, reorganisierte sich als Bauernpartei, befreite sich nach und nach vom sowjetischen Einfluss und nahm den Kampf wieder auf, bis sie 1949 ganz China unter ihrer Kontrolle hatte und die Volksrepublik gründete.

In der Zeit zwischen den Weltkriegen hatte der Kommunismus drei Merkmale herausgebildet, die ihn deutlich von sozialistischen Parteien unterschieden. In erster Linie handelte es sich um eine Bewegung zur Verteidigung des Aufbaus des Sozialismus (der Vorläuferphase des Kommunismus) in der UdSSR. Diese Bewegung bestand zweitens aus militanten und disziplinierten Parteien, die ihre Anhängerschaft vor allem aus der Arbeiterklasse rekrutierten und deren Ziel eine revolutionäre Erhebung war. Drittens unterstützte sie die Unabhängigkeitsbewegungen, denen der Kommunismus eine Perspektive für ihren antiimperialistischen Kampf und einen nichtkapitalistischen Weg für die Entwicklung der ehemaligen Kolonien bot.

2. WELTKRIEG

Die Komintern wurde 1943 auf dem Höhepunkt des 2. Weltkrieges aufgelöst, um die westlichen Verbündeten der UdSSR zu beschwichtigen. Ihre Bilanz fiel außerordentlich schlecht aus. Der Organisation, deren Ziel es gewesen war, die Weltrevolution zu koordinieren, war es nicht gelungen, auch nur einen einzigen neuen kommunistischen Staat zu gründen. Dennoch genoss der Kommunismus nach Kriegsende hohes Ansehen. Das hatte eine Reihe von Gründen, wobei als erster zu nennen ist, dass die Hauptlast des Kampfes gegen Hitler-Deutschland auf den Schultern der UdSSR gelegen hatte. Durch ihre Siege bei Stalingrad und Kursk hatte sie auf dem europäischen Kriegsschauplatz die Wende zu Gunsten der Alliierten eingeleitet. Sie hatte Berlin befreit und die Nationalsozialisten gezwungen, sich aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn, der Tschechoslowakei, einem Teil Österreichs und einem kleinen Gebiet Jugoslawiens zurückzuziehen. Zweitens waren die Kommunisten in den besetzten Ländern Europas offenbar die unbeugsamsten und mutigsten Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten und die Faschisten gewesen. Drittens hatte die große Depression der dreißiger Jahre gezeigt, wie krisenanfällig der Kapitalismus war, während die Industrialisierung in der UdSSR als Musterbeispiel rational geplanten Wirtschaftens galt. Viertens hatten die Erfordernisse der internationalen Allianz gegen die Achsenmächte (Deutschland, Italien und Japan) die westlichen Regierungen bewogen, ihre antikommunistische Propaganda abzumildern. Und schließlich hatten die kommunistischen Parteien ihre sektiererische Haltung gegenüber anderen Parteien aufgegeben und verfochten aktiv eine Weiterführung der Koalitionsregierungen der nationalen Einheit, die sich in ganz Europa gebildet hatten. Die japanischen und chinesischen Kommunisten stellten ähnliche Forderungen. Auf internationaler Ebene hoffte die UdSSR, dass ein Bündnis mit den Westmächten, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, ihr den Spielraum geben würde, trotz der verheerenden Kriegsfolgen zu einer modernen Industrienation zu werden. Offenbar war das kurzfristige Ziel der Kommunisten in den entwickelten Ländern jetzt die Errichtung antifaschistischer fortschrittlicher Regierungen, deren Ziele sich von denen der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien kaum unterschieden. In den kolonisierten Ländern verbündeten sie sich mit dem einheimischen Bürgertum, um den antiimperialistischen Kampf zu stärken. In Europa waren die kommunistischen Parteien nicht nur dort mächtig geworden, wo die sowjetische Besatzung ihren Erfolg begünstigt hatte, wie in Ost- und Mitteleuropa, sondern auch dort, wo sie entscheidend am Widerstand gegen die Nationalsozialisten und Faschisten beteiligt gewesen waren, wie in Jugoslawien, Albanien, Griechenland, Italien und Frankreich. Selbst dort, wo sie zwischen den Kriegen keine bedeutende Kraft gewesen waren, erzielten die Kommunisten bemerkenswerte Erfolge. Bei den ersten Nachkriegswahlen erhielten die Kommunisten in Belgien 12,7 Prozent der Stimmen, in Dänemark 12,5, in Finnland 23,5, in Norwegen 11,9 und in Schweden 10,3 Prozent. In Frankreich und Italien überholten sie die rivalisierenden Sozialisten und wurden zur wichtigsten Kraft der Linken.

Der Kalte Krieg veränderte die internationale Situation völlig und damit auch die Strukturen im kommunistischen Machtbereich. Aus den in Mittel- und Osteuropa gegründeten Volksrepubliken etablierten sich nicht gemäßigt fortschrittliche bürgerliche Demokratien, sondern so genannte „Diktaturen des Proletariats” nach sowjetischem Muster. Gegen Ende des Jahres 1948 bestand die kommunistische Bewegung im Wesentlichen aus drei Blöcken: die UdSSR, deren Ansehen als Führungsmacht der Bewegung durch den Krieg erheblich gestiegen war, ein System sozialistischer Staaten in Ost- und Mitteleuropa, deren Staatsgebiet sich mehr oder weniger mit den Gebieten deckte, welche die Rote Armee befreit hatte, und ein Netz kommunistischer Parteien, die in kapitalistischen Ländern tätig waren oder an den Kämpfen der Unabhängigkeitsbewegungen teilnahmen. 1947 wurde die Kominform als koordinierende Organisation gegründet. Sie war weniger zentralisiert als die alte Komintern und umfasste alle kommunistischen Staaten Europas und die beiden großen kommunistischen Parteien im kapitalistischen Europa, die französische und die italienische.

ASIEN UND AFRIKA

In Asien entwickelten sich die einzelnen kommunistischen Bewegungen unterschiedlich. Zwei Gemeinsamkeiten lassen sich aber feststellen: Der Kommunismus zielte in Asien wie auch in den anderen Ländern der Dritten Welt nicht darauf ab, den Kapitalismus zu überwinden (der in Asien außer in Japan auch kaum entwickelt war), sondern darauf, das Land vom Kolonialismus zu befreien und es zu modernisieren. Der Erfolg hing also davon ab, die bäuerliche Bevölkerung zu mobilisieren und die antikolonialistische oder nationalistische Bewegung anzuführen. Dadurch erklärt sich weitgehend der Erfolg der Kommunisten in China und ihre Niederlage in Indien.

1942 weigerte sich die kommunistische Partei Indiens, die Aufforderung der Kongresspartei an die Briten, Indien sofort zu verlassen („Quit India”), zu unterstützen, und kooperierte lieber entsprechend der Anordnung der UdSSR mit den Krieg führenden Briten. Auf diese Weise gewann sie den Status der einzigen legalen nationalistischen Organisation Indiens während des Krieges. Das war jedoch gleichsam ihr Todesurteil, da sie dadurch von der Unabhängigkeitsbewegung der Nachkriegszeit isoliert wurde. Der Kommunismus war in Indien nur noch im südwestlichen Staat Kerala und in Westbengalen im Norden von Bedeutung.

In Korea war die kommunistische Partei eine der führenden Kräfte im antikolonialen Krieg gegen Japan. Jedoch war das Land zu klein, als dass die kommunistische Partei eine befreite Zone hätte gründen können, wie es der chinesischen kommunistischen Partei gelungen war. Mit Ende des Krieges war die Partei von der UdSSR abhängig geworden, die nördlich des 38. Breitengrades eine kommunistische Regierung nach osteuropäischem Muster einsetzen konnte, während sich südlich dieses Breitengrades ein rechtsgerichtetes Regime unter amerikanischer Protektion etablierte. Der Koreakrieg (1950-1953) besiegelte die Teilung des Landes. Ähnliche Entwicklungen zeigten sich in Vietnam, mit dem Unterschied, dass die vietnamesischen Kommunisten weniger abhängig von Moskau waren als die koreanischen (sie hatten keine gemeinsame Grenze mit der UdSSR). Unter Führung Ho Chi Minhs kämpften sie erfolgreich gegen die Kolonialmacht Frankreich, welche sie 1954 militärisch besiegen konnten. Bei den nachfolgenden internationalen Verhandlungen wurde das Land geteilt, wobei den Kommunisten die Herrschaft über den Norden zugesprochen wurde, während der Süden von einem prowestlichen rechtsgerichteten Regime beherrscht wurde. In den sechziger Jahren führte der Konflikt zwischen Nord- und Südvietnam zu einem direkten militärischen Eingreifen der Vereinigten Staaten. Nach einem langen und erbitterten Konflikt wurden die Vereinigten Staaten 1973 gezwungen, sich aus dem Land zurückzuziehen. 1975 wurde Vietnam unter kommunistischer Herrschaft wieder vereinigt. Prokommunistische Regime wurden auch in Kambodscha und Laos etabliert.

In Indonesien hatte sich die dortige kommunistische Bewegung zur nach der chinesischen zweitgrößten kommunistischen Partei Asiens entwickelt. Sie unterstützte die halbdemokratische und auf persönlicher Macht beruhende Herrschaft des blockfreien nationalistischen Führers Achmed Sukarno. 1965/66 wurde Sukarno durch proamerikanische Kräfte unter Führung des Generals Suharto vertrieben; diese zerschlugen die kommunistische Partei vollständig. Schätzungen zufolge wurden bei dem darauf folgenden Massaker bis zu einer Million Kommunisten ermordet.

Im Nahen Osten und in Afrika gewannen die kommunistischen Parteien keinen großen Einfluss, obwohl eine Reihe postkolonialer Regime sich selbst als marxistisch-leninistisch bezeichnete. Beispiele sind u. a. Benin, Äthiopien, der Jemen, Angola und Moçambique (siehe Afrikanischer Sozialismus). Einen Sozialismus eigener Prägung wählte Libyen unter Muhammar al-Gaddhafi; Algerien und Ägypten identifizierten sich zeitweise ebenfalls mit sozialistischen Staatszielen. In Südafrika gehörte die kommunistische Partei zum Afrikanischen Nationalkongress und trat 1994 der ersten Regierung nach Ende der Apartheid unter Führung von Nelson Mandela bei.

SPALTUNG DES INTERNATIONALEN KOMMUNISMUS

Kurz nach seiner Gründung brach der kommunistische Block schon wieder auseinander. 1948 wurde die jugoslawische kommunistische Partei beschuldigt, eine gegenüber der Politik der UdSSR feindliche Außenpolitik zu betreiben. Was Moskau jedoch eigentlich störte, war die Entscheidung des jugoslawischen Führers Josip Tito und seiner Anhänger, sowohl in der Innenpolitik wie in der Außenpolitik einen unabhängigen Kurs zu verfolgen. Die UdSSR befürchtete in anderen Ländern Osteuropas ähnliche nationale Alleingänge. Nationale Kommunisten in der Tschechoslowakei und anderen Ländern wurden nach Schauprozessen exekutiert oder in langjährige Haft genommen. Jugoslawien wurde aus der Kominform ausgeschlossen und steuerte gegenüber dem Westen einen offeneren Kurs als andere kommunistische Staaten: Die Ausreise war erlaubt, es fand keine Kollektivierung statt, die Betriebe konnten eigenständig entscheiden. Aber auch in der UdSSR gab es Veränderungen. Beim 20. Parteitag der sowjetischen kommunistischen Partei 1956 akzeptierte Nikita Chruschtschow, der Nachfolger Stalins als Generalsekretär der KPdSU, das Prinzip verschiedener nationaler Wege zum Sozialismus. Er enthüllte auch das Ausmaß der stalinistischen Unterdrückung in den dreißiger und vierziger Jahren. Dennoch wurden noch im selben Jahr Versuche, sich der sowjetischen Einflusssphäre zu entziehen, gewaltsam unterdrückt. Ein Arbeiteraufstand in Poznań (Polen) wurde von der polnischen Armee niedergeschlagen. Später bildete sich eine Führung, die einen vorsichtigen Reformkurs steuerte. In Ungarn intervenierte die Sowjetarmee direkt zur Unterdrückung des so genannten Ungarischen Volksaufstandes von 1956, der die kommunistische Herrschaft im Land zu beenden drohte. Rumänien gelang es jedoch, eine von sowjetischen Vorgaben relativ unabhängige Außenpolitik zu verfolgen.

1968 übernahm eine Gruppe von Reformern unter Alexander Dubček die Führung der tschechoslowakischen kommunistischen Partei und leitete eine kurze Periode der Liberalisierung ein, den so genannten Prager Frühling. Die neue Regierung versprach einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz” und liberalisierte Presse und Zensur. Die UdSSR fürchtete, dass das zu einer Rückkehr zum Kapitalismus führen könnte und andere Ostblockländer von der tschechischen Entwicklung gleichsam angesteckt werden könnten. Deshalb marschierten Truppen des Warschauer Paktes in Prag ein, um die Reformbewegung niederzuschlagen. Leonid Breschnew, Chruschtschows Nachfolger, proklamierte das Prinzip der „beschränkten Souveränität” (siehe Breschnew-Doktrin) der Staaten des Warschauer Paktes und blockierte damit für die nächsten 20 Jahre jede weitere Reform des Kommunismus.

DER KONFLIKT ZWISCHEN CHINA UND DER SOWJETUNION

Die politisch bedeutendste Auseinandersetzung innerhalb der kommunistischen Bewegung war die zwischen China und der UdSSR. Die Machtbasis der chinesischen Kommunisten, die ihre Macht im Gegensatz zu den anderen kommunistischen Parteien ohne sowjetische Hilfe errungen hatten, waren im Wesentlichen die Bauern. Zunächst hatte es so ausgesehen, als akzeptiere die chinesische kommunistische Partei die Führungsrolle der Sowjetunion, aber nach 1956 verschlechterten sich die Beziehungen. 1960 stellte die UdSSR alle technische und materielle Hilfe ein. Darauf eskalierte die Feindschaft zwischen den beiden kommunistischen Regierungen. Moskau wollte China diplomatisch und militärisch isolieren. China versuchte die gesamte Dritte Welt gegen die „Metropolen” hinter sich zu versammeln. Als Metropolen wurden die UdSSR und ihre Bündnispartner ebenso wie die kapitalistischen Länder verstanden. Die Chinesen entwickelten unter der Führung Mao Tse-tungs eine voluntaristische Spielart des Kommunismus. Kulminationspunkt dieser Entwicklung war die Große Proletarische Kulturrevolution, eine – heute vollständig in Misskredit geratene – Bewegung gegen Maos Gegner in der Parteiführung.

LATEINAMERIKA

In Lateinamerika blieb der Kommunismus bis nach der von Fidel Castro angeführten Kubanischen Revolution (1959) relativ unbedeutend. Bei der Revolution selbst spielte die kubanische kommunistische Partei keine große Rolle. Zunächst erschien Castro einfach als weiterer nationalistischer und blockfreier Führer der Dritten Welt, der sein Land modernisieren wollte, jedoch wurde er im Lauf der darauf folgenden Jahre im Inneren von der kommunistischen Parteiorganisation und nach außen von sowjetischer Hilfe abhängig. Im Streit mit den Vereinigten Staaten wurde (1960) US-amerikanischer Besitz verstaatlicht, dann versuchten die Vereinigten Staaten, das Regime zu stürzen (Zwischenfall in der Schweinebucht im April 1961). Daraufhin erklärte Castro sich zum „Marxisten-Leninisten” (Dezember 1961). In der Folge kam es zur Kubakrise (1962). Im Verlauf der sechziger Jahre versuchte Kuba, sich von der UdSSR zu distanzieren und eine lateinamerikanische Spielart des Kommunismus zu entwickeln. Wie Lenin gehofft hatte, dass der Russischen Revolution weitere Revolutionen in Europa folgen würden, so hoffte Castro, dass es „ein, zwei, viele Vietnams” in Lateinamerika geben würde. Ende der sechziger Jahre waren jedoch die von Kuba unterstützten Guerillaaktivitäten auf dem Kontinent unterdrückt oder niedergeschlagen worden, und Kuba kehrte in die Arme Moskaus zurück. Die einzige weitere lateinamerikanische kommunistische Partei von einiger Bedeutung war die chilenische. Sie hatte vieles mit den eurokommunistischen Parteien gemein: Sie war eine Arbeiterpartei, ihre Strategie richtete sich auf Wahlen. 1970 wurde der Sozialist Salvador Allende mit kommunistischer Unterstützung zum Präsidenten gewählt. Die neu gebildete Regierung der Unidad Popular (Volksfront) wurde im September 1973 durch einen Militärputsch gestürzt.

EUROKOMMUNISMUS

In weiten Teilen Westeuropas war der Kommunismus eine randständige Kraft, allerdings mit wichtigen Ausnahmen: In diktatorisch regierten Ländern (Spanien unter Franco, Portugal unter Salazar und Griechenland zwischen 1967 und 1974) stellten die Kommunisten die größte Oppositionspartei. Bei ihrer politischen Arbeit im Untergrund kamen ihnen Disziplin und Organisationsstruktur ihrer Parteien zustatten. Als diese Länder sich Mitte der siebziger Jahre in bürgerliche Demokratien verwandelten, verdrängten die sozialistischen Parteien die kommunistischen als führende linke Parteien. In den anderen Staaten Westeuropas verfügten lediglich die kommunistischen Parteien in Italien (PCI/KPI) und in Frankreich (PCF/KPF) über politischen Einfluss. Beide waren Massenorganisationen mit breiter Unterstützung aus den Gewerkschaften; beide waren auch größer als ihr jeweiliges sozialistisches Pendant. Die KPI wurde 1921 unter maßgeblicher Beteiligung von Antonio Gramsci und Palmiro Togliatti gegründet. Ende der zwanziger Jahre strebte die Partei bereits ein Bündnis mit bürgerlichen Parteien gegen den Faschismus an. Seit 1956 hatte sich die PCI, faktisch die größte kommunistische Partei der westlichen Welt, weitgehend von der KPdSU emanzipiert. Die PCI verurteilte den Einmarsch in die Tschechoslowakei und die Einschränkung der Bürgerrechte im sowjetischen Lager. 1973 hatte Enrico Berlinguer eine politische Strategie, den so genannten historischen Kompromiss (Compromesso storico) formuliert, mit der ein Bündnis mit allen demokratischen Kräften, also auch mit der mächtigsten Partei des Landes, den Christdemokraten (DC), angestrebt wurde, um einen vermeintlich bevorstehenden Rechtsruck zu verhindern. Dieses Vorgehen beinhaltete die Aufgabe der Absicht, die Gesellschaft revolutionär umzuwälzen. Mitte der siebziger Jahre war die PCI unter Berlinguer eine radikale sozialistische Partei geworden. Sie galt als Kristallisationspunkt für den so genannten Eurokommunismus. Als eurokommunistisch wurden diejenigen europäischen kommunistischen Parteien bezeichnet, die alle Prinzipien der parlamentarischen Demokratie akzeptiert hatten und insofern den Leninismus und die Vorstellung von der Diktatur des Proletariats aufgegeben hatten. Zu den eurokommunistischen Parteien werden auch die spanische und die französische kommunistische Partei gezählt; während die griechische und die portugiesische kommunistische Partei prosowjetisch blieben. In Spanien wurden die Kommunisten rasch von den viel stärkeren Sozialisten an den Rand gedrängt, in Frankreich orientierten sie sich bald schon wieder an Moskau.

DAS ENDE DES SOWJETKOMMUNISMUS

Mit Michail Gorbatschow trat der Sowjetkommunismus in eine Phase überfälliger Reformen ein. Gorbatschow war der Überzeugung, dass der Kommunismus nur durch mehr Offenheit (Glasnost) und einen wirtschaftlichen Umbau (Perestroika) gerettet werden könne. Als aber auch diese Reformen den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufhalten konnten, begann das Land zu zerfallen; separatistische Bestrebungen regten sich insbesondere in den baltischen Ländern, die 1939 annektiert worden waren. Der Ostblock brach auseinander. In Polen war die weitere Entwicklung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung Solidarność 1981 durch einen Militärcoup gestoppt worden; dennoch konnten 1989 relativ freie Wahlen abgehalten werden, in denen sich eine bürgerliche Mehrheit durchsetzte. Gorbatschow hatte deutlich gemacht, dass er in Osteuropa nicht militärisch intervenieren würde; so war es möglich, dass 1989/90 die Berliner Mauer fiel, Deutschland vereinigt wurde und die kommunistischen Regierungen in Ungarn, der Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien und Albanien zusammenbrachen. In Moskau scheiterte im August 1991 ein Putschversuch von Altkommunisten; dies machte den Weg frei für die Verdrängung des immer unbeliebter werdenden Gorbatschow durch Boris Jelzin. Ende 1991 wurde die Kommunistische Partei der Sowjetunion verboten. Mit der Auflösung der UdSSR ging die Ära des kommunistisch geführten Ostblocks zu Ende.

Mit der einzigen Ausnahme der stalinistisch geprägten „Steinzeitkommunisten“ Nordkoreas gingen die wenigen verbliebenen kommunistischen Regime zur Sicherung ihrer Macht in der Folgezeit auf einen mehr oder minder ausgeprägten Reformkurs. Am radikalsten vollzog sich der Wandel in China, wo die KP im September 1997 eine Revolution der Besitzverhältnisse durch Privatisierungen und Öffnung der Märkte verkündete und zur ideologischen Fundierung kurzerhand alles zum „Sozialismus” erklärte, was der Produktion, der nationalen Stärke und der Hebung des Lebensstandards dient.

Verfasst von:
Roland Detsch

 

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