Militärisch-industrieller Komplex

Verbindung von Militärapparaten, Rüstungsindustrie und staatlicher Verwaltung.

Der Begriff wurde 1956 von dem amerikanischen Soziologen Charles Wright Mills geprägt, der in der Interessenverquickung eine ernsthafte Bedrohung für den demokratischen Staat sah. Auch US-Präsident Dwight D. Eisenhower, selbst ein ehemaliger hochrangiger Militär, warnte 1961 in seiner Abschiedsrede vor einer „neuartigen Verbindung eines immensen Militärestablishments und einer riesigen Rüstungsindustrie" in seinem Land. Symptome einer komplexhaften Verbindung von Wirtschaft, Militär und Teilen des Staatsapparates sind im Wesentlichen auffällige Konzentrationserscheinungen in rüstungsrelevanten Wirtschaftszweigen, ein intensiver personeller Austausch zwischen den entsprechenden Eliten – Wirtschaftsführer sind in Militärapparaten bzw. Offiziere und hohe Beamte des Verteidigungsministeriums in leitenden Positionen von Wirtschaftsunternehmen vertreten – sowie ein forschungs- und technologiepolitisches Schwergewicht auf der Entwicklung neuartiger Waffensysteme. Staatliche Aufträge sorgen dafür, dass die weitere Aufrüstung zu den größten kommerziellen Projekten der Volkswirtschaft wird; die damit einhergehende zunehmende Monopolisierung der zur Schlüsselindustrie erwachsenden Rüstungsproduktion setzt marktwirtschaftliche Mechanismen außer Kraft. Politische Opposition und Kontrolle wird durch eine gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der parlamentarischen Gremien mit einer übersteigerten Sicherheitsideologie aufgeweicht.

In den sechziger Jahren wurde der militärisch-industrielle Komplex zunehmend als eigentliche Triebkraft des Wettrüstens mit dem Osten in die politikwissenschaftliche Diskussion gebracht. Vor allem linke Theoretiker sahen in ihm eine beispielhafte Bestätigung der Thesen des Marxismus-Leninismus zum Monopolkapitalismus und zum staatsmonopolistischen Kapitalismus.

Aspekte einer komplexhaften Verbindung von Industrie, Militär und Staat ließen sich aufgrund der starken Repräsentanz von Militärführern und leitenden Personen aus der Rüstungswirtschaft in den politischen Gremien vor allem auch in den sozialistischen Staaten nachweisen, wenngleich in diesen Fällen die parlamentarismuskritischen Implikationen, die die Theorie vom militärisch-industriellen Komplex leiten, nicht zum Tragen kommen.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)