Nationalbewusstsein

Aus dem Bewusstsein gemeinsamer Abstammung, Sprache, Kultur oder Heimat erwachsendes Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Nation. 

Als identifikationsstiftendes Element bereits in der Antike erkennbar, entwickelte sich ein genuines Nationalbewusstsein aber erst im Zuge der zunehmenden Auflösung des Heiligen Römischen Reichs. Die Formierung der ersten ethnisch-kulturell bestimmten souveränen Territorialstaaten und ihre Begleitung in Kunst und Literatur förderte über Jahrhunderte auf breiter Front die Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu völkischen Schicksalsgemeinschaften mit unverwechselbarer Identität, die nur in politischer Unabhängigkeit zur freien Entfaltung gelangen könnten. Historisch betrachtet haben sich Erlebnisse oder Erinnerungen kollektiver Erfolge (nationale Errungenschaften und Leistungen, siegreiche Kriege etc.) ebenso wie kollektiven Leids (Niederlagen, Unterjochung, Vertreibung) immer wieder als wesentliche Ursachen für gefährliche Äußerungen des Nationalbewusstseins (siehe Nationalismus, Chauvinismus) erwiesen.

Gerade die europäische Geschichte kennt viele Beispiele, wo der Herausbildung und Expansion von Territorialstaaten die Herausbildung eines zugehörigen Nationalbewusstseins folgte. So können Menschen mit ganz ähnlicher Kultur und Sprache benachbart, aber in zwei verschiedenen Staaten leben und keinerlei Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Auf die Dauer wird nämlich Zugehörigkeit zum jeweiligen Staatswesen empfunden, denn dieses übt mit ganz praktischen Wirkungen im Alltag die Hoheit bis zur Staatsgrenze aus. Zu den Herrschaftsfunktionen der Staaten gehört auch die Unterscheidung zwischen In- und Ausländern, und diese Unterscheidung schafft unabhängig von subjektiven Vorstellungen faktisch eine dem jeweiligen Staat unterstehende Gruppe von Menschen (Staatsvolk).

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)