Österreichisches Bundesheer

1919 eingeführte offizielle Bezeichnung für die Streitkräfte Österreichs.

Dem laut Wehrgesetz nach den Grundsätzen des Milizsystems einzurichtenden Bundesheer obliegt auftragsgemäß neben der militärischen Landesverteidigung auch der Schutz von verfassungsmäßigen Einrichtungen, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren sowie die Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges. Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres ist der Bundespräsident, während die Befehlsgewalt vom Bundesminister für Landesverteidigung ausgeübt wird. Das Armeekommando, das am 1. Juli 1973 als eine dem Verteidigungsministerium nachgeordnete Führungsebene geschaffen wurde, ist seit 1991 aufgelöst. Militärische Fragen von grundsätzlicher Bedeutung werden im Landesverteidigungsrat unter Vorsitz des Bundeskanzlers beraten.

Bundesheer der Ersten Republik

Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Ersten Republik Österreich gemäß dem Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye von 1919 nur ein Berufsheer in der Stärke von 30 000 Mann mit stark eingeschränkter Bewaffnung für Wach- und Sicherungsaufgaben erlaubt. Das Bundesheer wurde von der Regierung jedoch auch bald als innenpolitisches Instrument benutzt und in den bewaffneten Auseinandersetzungen des Jahres 1934 gegen die paramilitärischen Formationen von Sozialdemokraten und Nationalsozialisten eingesetzt. 1936 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und eine Neuorganisation beschlossen, die 1938 aus sieben Infanteriedivisionen, einer Schnellen Division, einer Brigade sowie schwachen Luftstreitkräften bestanden. Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich gingen die Verbände des Bundesheeres in der Deutschen Wehrmacht auf und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg verboten.

Bundesheer der Zweiten Republik

Nachdem erste Versuche zur Aufstellung eigener österreichischer Streitkräfte zunächst an der Intervention des alliierten Rates scheiterten, führten Schlüsselereignisse wie die Machtübernahme der Kommunisten in Ungarn 1947 und der Tschechoslowakei 1948, der Ausbruch des Koreakrieges und nicht zuletzt die von Kommunisten initiierten Arbeiterunruhen und Streikbewegungen in Ostösterreich im Herbst 1950 zu einem Gesinnungsänderung bei den Westalliierten.

Um die sowjetische Besatzungsmacht nicht herauszufordern, erfolgte die Wiederbewaffnung in den drei westlichen Besatzungszonen ab August 1952 getarnt als eine Art paramilitärische Bereitschaftstruppe („Alarmbataillone“) der bereits bestehenden Bundesgendarmerie. Die so genannte B-Gendarmerie wuchs zu einer straffen, wohlausgebildeten Truppe heran und bildete die personelle Keimzelle des Bundesheeres der 1955 ausgerufenen Zweiten Republik, die sich laut Staatsvertrag und Verfassung militärisch zu „immerwährender Neutralität“ verpflichtet hatte. Obwohl die B-Gendarmerie nie als militärische Formation gesetzlich verankert war, hätte ohne sie die Aufstellung des neuen österreichisches Bundesheeres nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages nie so rasch erfolgen können.

Heeresreformen

Das Wehrgesetz vom 7. September 1955 regelt Hierarchie und Aufgaben des Bundesheeres. Die erste Einberufung von Wehrpflichtigen erfolgte am 15. Oktober 1956. In jedem Bundesland wurden selbständige Militärkommandos für die territoriale Verteidigung einschließlich Grenzschutz eingerichtet. Die Luftstreitkräfte unterstanden einem eigenen Kommando. Die Änderung des Konzepts von der Grenzverteidigung zur Raumverteidigung im Rahmen der ersten großen Bundesheer-Reform bedingte ab Sommer 1971 eine Neugliederung der Streitkräfte in Form einer schnell mobilisierbaren Milizarmee. Die „Heeresgliederung 1972“ sah eine Dreiteilung der Armee in eine Bereitschaftstruppe, die mobile und die raumgebundene Landwehr sowie die Heeresfliegerkräfte vor.

Die massiven Veränderungen der politischen Lage in Europa nach dem Ende des Kalten Krieges und Budgetproblemen führten 1991 zu einer neuerlichen Heeresreform ("Heeresgliederung Neu 1995"), die eine Abkehr vom Konzept der Raumverteidigung zurück zu einer grenznahen Einsatzdisposition sowie eine Reduzierung der Mobilmachungsstärke von 300 000 auf 150 000 Mann (einschließlich Reserve) mit sich brachte.

1998 wurde eine Reorganisation des Österreichischen Bundesheeres in Angriff genommen, die 2002 abgeschlossen war und mit einem weiteren Truppenabbau auf 120 000 Soldaten einherging. Wichtigste Neuerung im Bundesministerium für Landesverteidigung war die Einsetzung eines Generalstabchefs. Die Armee gliedert sich nach Auflösung der bestehenden Korpskommandos in Land- und Luftstreitkräfte sowie Spezialeinsatzkräfte. Hinzu kommen das „Kommando Führungsunterstützung“, das „Kommando Einsatzunterstützung“ und das „Kommando internationale Einsätze“. Seit 1960 haben sich fast 40 000 Angehörige des Österreichischen Bundesheeres an humanitären Einsätzen und friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen beteiligt. Politisch hat sich Österreich zwar zwischenzeitlich der NATO angenähert – so trat es 1995 der Partnerschaft für den Frieden bei und ratifizierte 1998 das NATO-Truppenstatut –, aber in militärischen Kernbereichen bleibt es weiterhin der Neutralität verpflichtet.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)