Platonismus

In der Platonforschung des 19. Jahrhunderts geprägter Begriff für philosophische Strömungen nach Platon, die sich – vor allem in Abgrenzung zum Aristotelismus – in der Tradition von dessen Lehre sahen; er wurde zunächst in der platonischen Akademie weitergepflegt, in deren fast 1 000-jähriger Geschichte die bedeutendsten seiner Vertreter, auch außerhalb Athens, wirkten. 

Der Platonismus der alten Akademie zeichnet sich durch die Systematisierung der Lehren Platons durch Speusippos und Xenokrates und eine einzelwissenschaftliche Weiterentwicklung, etwa bei Herakleides Pontikos, Eudoxos und Krantor von Soloi, aus. Im Platonismus der von Arkesilaos von Pitane begründeten mittleren Akademie kam es zur Ausformung einer spezifischen akademischen Skepsis (siehe Skeptizismus), während sich der Platonismus der von Karneades von Kyrene begründeten neuen Akademie auf die Auseinandersetzung und Vermittlung mit der Stoa konzentrierte.

An die bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert dauernde Phase des von synkretistischen Tendenzen und Einflüssen des Neupythagoreismus gekennzeichneten so genannten Mittelplatonismus schließt sich der Neuplatonismus des 3. bis 6. Jahrhunderts an, der auf den so genannten christlichen Platonismus eines Philon von Alexandria oder Augustinus wirkte und prägend wurde für die Theorie der christlichen Theologie. Nach vorübergehendem Bedeutungsverlust durch die Dominanz der aristotelischen Philosophie ab dem 12. Jahrhundert erlebte der Platonismus seine Renaissance durch die von Cosimo de’ Medici 1459 gegründete Platonische Akademie von Florenz, deren bekannteste Vertreter Giovanni Pico della Mirandola und Marsilio Ficino waren. Ihre Lehren übten bedeutenden Einfluss auf die Herausbildung des Cambridger Platonismus um Henry More und Ralph Cudworth aus und sorgten für die philosophischen und methodologischen Grundlagen der neuzeitlichen Physik (siehe Galileo Galilei) und Astronomie (siehe Johannes Kepler). Der Platonismus gilt als philosophische und wissenschaftstheoretische Erkennungsformel der Moderne und beeinflusst noch heute die Grundlagendiskussion in den exakten Wissenschaften.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)