Schweizer Armee

Offizielle Bezeichnung für die nach Art einer Bürgerwehr organisierten Streitkräfte der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Armee 95

Die Schweiz unterhält eine Milizarmee, die sich in die Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe gliedert und mehrheitlich aus Wehpflichtigen aus der Reserve rekrutiert. Bis zur Wehrreform „Armee 95“, die am 1. Januar 1996 in Kraft trat, galten alle männlichen Schweizer Bürger nach Ableistung ihrer 300 Tage dauernde Militärdienstpflicht zeitlebens als Soldaten. Die Armee wurde entsprechend nicht als eigene Organisation betrachtet sondern mit dem „Schweizervolk” in eins gesetzt. Ende der Achtzigerjahre erreichten die Streitkräfte einschließlich Zivilverteidigung eine innerhalb von 48 Stunden verfügbare Mobilmachungsstärke von 1,1 Millionen Mann.

Heute herrscht nur mehr für alle Männer zwischen dem 20. und 42. Lebensjahr Wehrpflicht. Inzwischen ist auch der Sollbestand der Schweizer Armee, die mit 400 000 Soldaten einst zu den größten in Westeuropa zählte, auf 220 000 inklusive Reserve geschrumpft (Stand: 2005). Davon gehören 122 000 der „aktiven Miliz“ an, 15 000 im Range von Offizieren und 18 000 als Unteroffiziere.

Armee XXI

Der von 2008 bis 2011 ins Auge gefasste Umbau der Streitkräfte im Rahmen des Reformprojektes „Armee XXI“ sieht bei gleich beliebender Mannschaftsstärke eine Neuaufteilung und Verlagerung von den mechanisierten Kampftruppen auf die infanteristischen Sicherungskräfte vor. Panzer-, Panzergrenadier-, Panzersappeur-Bataillone und Artillerieabteilungen sollen zu Infanteriebataillonen umgeschult und primär zum Schutz wichtiger Transitachsen und Grenzabschnitte eingesetzt werden. Während die mechanisierten Kampfverbände um die Hälfte auf 18 500 Aktive reduziert werden, sollen künftig 33 000 Mann für die Raumsicherung zuständig sein. 85 500 Soldaten übernehmen Aufgaben im gesamten Einsatzspektrum der Armee. Die Kapazitäten für die Friedensförderung sollen auf 500 Armeeangehörige verdoppelt werden.

In Friedenszeiten verfügt die Schweizer Armee über keine hierarchische Spitze. Erst im Verteidigungsfall wählt die Bundesversammlung einen kommandierenden General für das Truppenaufgebot. Über den Einsatz befindet im Kriegsfall als oberste leitende und vollziehende Gewalt der Bundesrat.

Bewaffnete Neutralität

Geschichte und Selbstverständnis der Schweizer Armee ist eng mit dem Anspruch der Alpenrepublik auf „bewaffnete Neutralität“ verbunden. Diese resultiert aus einer Verpflichtung zur außenpolitischen Zurückhaltung, die in das Jahr 1515 datiert, als die Schweiz nach der Niederlage ihres Heeres in der Schlacht von Marignano ihren Großmachtambitionen abschwor. Bis dato pflegte sie eine frühe Form der allgemeinen Wehrpflicht, die es möglich machte, innerhalb von kürzester Zeit die damals beachtliche Zahl von 50 000 bis 60 000 Soldaten aufzubieten. Die wehrhaften Schweizer standen traditionell in dem Ruf, besonders tapfere Krieger zu sein und waren Jahrhunderte lang als Kombattanten in den Söldnerheeren Europas außerordentlich geschätzt (siehe Schweizergarde).

Der Wille zur Behauptung der Neutralität war es, der die Kantone vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges dazu brachte, sich 1647 in Wil auf die Formierung eines gemeinsamen Bundesheeres zu verständigen. Doch erst nach der Beteiligung an den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Besatzungsmacht in Europa beendete die Schweiz ihr militärisches Engagement außerhalb der Landesgrenzen. Zu Mobilmachungen gegen äußere Feinde kam es seither nur noch 1856 gegen Preußen, 1870 als Reaktion auf französische und preußische Militärmanöver an der Schweizer Grenze sowie 1914 und 1939 zur Vorbeugung gegen drohende Verletzungen der Neutralität.

Aktive Neutralität

Der Entschluss zur Entsendung militärischer Bobachter an die Waffenstillstandslinien in Korea 1953 markierte den Auftakt der so genannten „aktiven Neutralität“ der Schweiz, die sich bis heute an friedensfördernden Missionen in allen Teilen der Welt beteiligt. Es dauerte allerdings noch weitere 40 Jahre, ehe sich die Eidgenossenschaft angesichts veränderter weltpolitischer Rahmenbedingungen zum Ausbau der internationalen Kooperation in der Außen- und Sicherheitspolitik bereit zeigte und trotz aller Neutralitätsbekundungen auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Vorbereitung militärischer Abwehrmaßnahmen nicht mehr ausschloss. Obwohl ein Betritt zum Nordatlantikpakt niemals in Frage kam, beteiligt sich die Schweiz seit 1996 an der von der NATO initiierten Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace, PfP) mit der Rechtfertigung, dass diese keinerlei Verpflichtung zum militärischen Beistand im Konfliktfall voraussetzt.

Stimmten die Schweizer in einem Referendum 1994 noch mehrheitlich gegen die so genannte Blauhelmeinsätze im Rahmen von UN-Friedensmissionen, so billigten sie im Jahr vor dem Beitritt der Alpenrepublik zu den Vereinten Nationen 2001 eine Teilrevision ihres Militärgesetzes, die u. a. die Teilnahme an friedensunterstützenden (nicht friedenserzwingenden) Operationen im Rahmen der UNO und OSZE regelt und die Bewaffnung der schweizerischen Friedenstruppen zum Selbstschutz im Ausland ermöglicht. Die Vollmitgliedschaft der Schweiz in der UNO erfolgte zwar mit der Maßgabe, dass sie vom Sicherheitsrat beschlossene militärische Sanktionen nicht behindern darf, aber auch mit dem Zugeständnis, das es in ihrem eigenen Ermessen steht, ob und inwieweit sie Mittel und Truppen für humanitäre und militärische Missionen zur Verfügung zu stellen bereit ist. Nach herrschendem Schweizer Neutralitätsverständnis ist eine militärische Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern möglich, solange daraus keine Beistandsverpflichtung für den Kriegsfall erwächst.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)