Exekutive
Als Staatsoberhaupt fungiert seit Oktober 2004
ein vom Übergangsparlament (Transitional Federal Assembly,
TFA) gewählter Staatspräsident. Die Regierungsgeschäfte werden von
einer Übergangsregierung (Transitional Federal Government,
TFG) ausgeübt, die vom Präsidenten berufen und von der
Nationalversammlung bestätigt worden ist. Sie besteht aus einem nach
Clan-Proporz besetzten Kabinett mit einem Ministerpräsidenten an der
Spitze.
Legislative
Die gesetzgebende Gewalt wird von der
Transitional Federal Assembly (TFA), dem aus einer Kammer
bestehenden Übergangsparlament, ausgeübt. Diese Versammlung, die am
26. Februar 2006 zum ersten Mal auf somalischem Boden in der Stadt
Baydhabo tagte, setzt sich aus 275 Abgeordneten zusammen, wobei
jeweils 61 Sitze für die vier größten Clans des Landes (Darod,
Digil-Mirifle, Dir und Rahanweyn Hawiye) reserviert sind; die
restlichen 31 Sitze verteilen sich auf die Minoritätenclans.
Judikative
Ein national einheitliches System der
Rechtsprechung ist in Somalia weiterhin nicht mehr existent. Infolge
des Zusammenbruchs der Zentralregierung kehrte man nach 1991 in den
meisten Regionen zu lokalen Formen der Konfliktlösung zurück, die
bis heute weiterbestehen. Sie reichen von säkularen, traditionellen
und auf somalischem Gewohnheitsrecht (Xeer) basierenden Varianten
bis hin zur Anwendung der Scharia durch islamische Gerichtshöfe.
Parteien
Politische Parteien im herkömmlichen Sinne
gibt es in Somalia nicht. Das politische Leben wird vielmehr
entscheidend von einem ausgeprägten Clanwesen bestimmt, in dem
Familien- und Stammesloyalitäten allerersten Rang einnehmen. Dies
manifestiert sich in Pressure Groups, Verbänden und auch bewaffnete
Milizen, die im Dienste der rivalisierenden Clans und Sub-Clans
stehen.
Staatliche Gliederung und Verwaltung
Somalia gliederte sich nach bei der
Republikgründung 1961 in 18 Regionen (Gobolka), die zugleich
Verwaltungseinheiten darstellten: Awdal, Bakool, Banaadir, Bari,
Bay, Galguduud, Gedo, Hiiraan, Jubbada Dhexe, Jubbada Hoose, Mudug,
Nugaal, Sanaag, Shabeellaha Dhexe, Shabeellaha Hoose, Sool, Togdheer,
Woqooyi Galbeed. Trotz Bildung einer Übergangsregierung bestehen
andere Regierungseinheiten fort, die verschiedene Städte und
Regionen kontrollieren, darunter die selbsternannte Republik
Somaliland im Nordwesten, der halbautonome Staat Puntland im
Nordosten sowie eine Reihe weiterer traditioneller Hochburgen der
Clans.
Geschichte
Die Geschichte der Region am Horn von Afrika,
die heute Somalia heißt, reicht bis ins Altertum zurück. In alten
ägyptischen Quellen wird die Region als Land Punt (Land des
Weihrauchs) erwähnt und seine vielfältigen Handelskontakte
hervorgehoben. Sie wird bereits seit vier Jahrtausenden von
nomadisierenden Hirten bevölkert, die zwar ihre Existenz auf einen
gemeinsamen Stammvater zurückführen, es aber niemals geschafft
hatten, sich zu einem Staatengebilde zu vereinen.
Vom 2. bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. gehörten
Teile des Gebietes zum äthiopischen Königreich Aksum. Im
7. Jahrhundert besiedelten arabische Stämme die Küstenregion am Golf
von Aden. Die Somali waren ursprünglich an der nördlichen
Somaliküste ansässig, von wo aus sie sich ab etwa 1000 n. Chr.
südwärts ausbreiteten. Bereits im 12. Jahrhundert berichten
arabische Chroniken von Somali-Gruppen südlich des heutigen
Mogadishu. Im 13. Jahrhundert gründeten Somalivölker und
eingewanderte Jemeniten dort das Reich Yifat-Adal.
Im 16. Jahrhundert ließen sich portugiesische
Siedler nieder, die später von den Sultanen von Maskat-Sansibar
vertrieben wurden; das Sultanat zerfiel jedoch bald in kleine
unabhängige Staaten. Ab dem 17. Jahrundert war das Land dem Sultan
von Oman untertan. Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts
eignete sich Ägypten unter Missachtung türkischer Ansprüche einige
Städte an der somalischen Küste und einen Teil der Gebiete im
Landesinneren an. Als sich die ägyptischen Truppen 1882 zurückzogen,
um die Revolte des Mahdi im Sudan niederzuschlagen, besetzte
Großbritannien die Region, um die Verkehrsroute nach Indien durch
den Suezkanal, der im Jahr 1869 eröffnet worden war, zu sichern.
Kolonialismus und staatliche Unabhängigkeit
Ende des 19. Jahrhunderts wurden Siedlungs-
und Weideland der Somali zunehmend zum Objekt imperialistischer
Begehrlichkeit. Zumal nicht mit nennenswertem Widerstand zu rechnen
war, denn die Somali bilden nur ethnisch, sprachlich und religiös
eine Einheit, zerfallen ansonsten aber in nomadisierende Samaale und
sesshafte Sab, die sich wiederum in unzählige Clan- und
Stammesgemeinschaften untergliedern (Samaale: u. a. Darod, Hawiye,
Dir und Isaaq; Sab: u. a. Digil und Rahanweyn). Kolonialistische und
geostrategische Interessen der Europäer und Anrainer führten
schließlich zur Aufteilung des Somaligebietes in fünf administrative
Einheiten: Britisch-Somaliland, Italienisch-Somaliland,
Französisch-Somaliland (Dschibuti), den unter britischer Herrschaft
stehenden Northern Frontier District, der Kenia zugeschlagen wurde,
sowie Ogaden und Haud, die bereits im 19. Jahrhundert von Äthiopien
annektiert worden waren.
Im Zuge der Dekolonisierung bestellten die
Vereinten Nationen die ehemalige Kolonialmacht Italien, deren
einstige Besitzungen seit dem Zweiten Weltkrieg unter britischer
Militärregierung stand, 1949 zum Treuhänder, um die Unabhängigkeit
des Somalilandes vorzubereiten. Diese erfolgte schließlich nach der
Vereinigung von Britisch- mit Italienisch-Somaliland am 1. Juli 1960
mit der Gründung der Republik Somalia. Abgesehen davon, dass die mit
groß-somalischen Ambitionen verbundenen Ansprüche auf
Französisch-Somaliland, den Norden Kenias und den Südosten
Äthiopiens für außenpolitischen Zündstoff sorgten, litt der junge
Staat zusätzlich von Anfang an einem konfliktträchtigen sozialen
Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd.
Militärputsch und autoritäres Barre-Regime
Zum ersten Präsidenten Somalias wurde Aden
Abdullah Osman Daar, Chef der von den Darod getragenen Somali
Youth League (SYL), gewählt. Er wurde 1967 von dem früheren
Ministerpräsidenten Abdirashid Ali Shermarke abgelöst, der am
15. Oktober 1969 einem Attentat zum Opfer fiel. Nur wenige Tage
später putschte die Armee, und der islam-marxistisch orientierte
Kommandeur Muhammad Siad Barre übernahm an der Spitze eines aus
Offizieren bestehenden Revolutionsrates die Macht. Er rief die
Somalische Demokratische Republik aus, suchte Rückhalt in Moskaus,
installierte die Somalische Revolutionäre Sozialistische Partei als
oberste politische Autorität und sorgte dafür, dass in den darauf
folgenden Jahren die Wirtschaft des Landes weitestgehend
verstaatlicht wurde.
Ogaden-Krieg 1977/78
1977/78 unterstützte das Barre-Regime
somalische Rebellen, die für die Ablösung der Region Ogaden von
Äthiopien kämpften, was nicht zuletzt durch Waffenhilfe aus der
UdSSR und Kuba verhindert werden konnte, die die Seiten gewechselt
hatten. Die USA, die in dieser Situation Somalia sowohl mit
humanitärer und militärischer Hilfe beisprangen, sicherten sich die
Nutzung der ehemaligen sowjetischen Militärbasis in der Hafenstadt
Berbera.
Durch die sich abzeichnende Niederlage im
verlustreichen Ogaden-Krieg, der Millionen von Menschen zur Flucht
zwang und bis zur Unterzeichung eines Friedensabkommens 1988
weiterschwelte, regte sich ab 1978 vor allem im unterdrückten Norden
Widerstand gegen das Barre-Regime, der vom oppositionellen Somali
National Movement (SNM) getragen wurde. Er weitete sich bis Ende
der achtziger Jahre allmählich zu einem Bürgerkrieg aus, der das
ganze Land erfasste.
Bürgerkrieg 1991-2000
Im Januar 1991 nahmen bewaffnete Rebellen
eines Oppositionsbündnisses aus SNM, dem United Somali Congress
(USC), der sich auf den zentralsomalischen Abgal-Stamm stützte, und
dem aus dem ogadenischen Süden stammenden Somalia Patriotic
Movement (SPM) die Hauptstadt Mogadishu ein und zwangen Siad
Barre zur Flucht. Auf Beschluss eines Ältestenrates wurde der
Geschäftsmann und Finanzier des USC, Ali Mahdi Muhammad, mit der
Bildung einer Übergangsregierung betraut, womit er sich die
Feindschaft des USC-Führers und Hawije-Clanchefs Mohammed Farah
Aidid zuzog, der zur Durchsetzung seiner Machtansprüche eine
Somali Liberation Army (SLA) aufstellte. Bei den bewaffneten
Machtkämpfen, an denen sich immer mehr Clans beteiligten, kamen in
den folgenden zwei Jahren rund 50 000 Menschen ums Leben; weitere
300 000 fielen einer Hungersnot zum Opfer.
Als Reaktion auf ein Massaker von Aidids
SLA-Kämpfern an pakistanischen Sicherheitsberatern, die sich Mitte
1992 im Rahmen der Operation UNOSOM in Somalia aufhielten,
entsandten die Vereinten Nationen im Dezember 1992 zur
Wiederherstellung der Ordnung eine multinationale Friedenstruppe (United
Task Force, UNITAF) unter Führung amerikanischer Elitetruppen in
das Kriegsgebiet, während sich internationale Hilfsorganisationen um
die Wiederaufnahme der Hilfslieferungen bemühten. Als die Kämpfe
wieder aufflammten und die Friedenstruppen zwischen die Fronten
gerieten musste der UN-Einsatz aufgrund anhaltender internationaler
Kritik 1995 beendet werden.
Das Land versank im Chaos. Mehr als ein
Dutzend Warlords, lokale Kriegsherren, bekämpften sich und
terrorisierten die Bevölkerung. Nicht zuletzt drohte Somalia sich zu
einer Brutstätte des internationalen Terrorismus zu entwickeln. Der
inzwischen selbst ernannte Präsident Mohammed Farah Aidid erlag am
1. August 1996 den Folgen einer Schussverletzung, die er sich eine
Woche zuvor bei Kämpfen mit einem rivalisierenden Clan in der
Hauptstadt Mogadishu zugezogen hatte. Seine Nachfolge trat sein Sohn
Hussein Mohammed Aidid an.
Friedensprozess 2000-2006
Nach mehreren vergeblichen Anläufen zur
Befriedung des Landes fand im Mai 2000 im Nachbarland Dschibuti die
so genannte Arta-Konferenz zur Versöhnung Somalias statt, an der
rund 800 Vertreter der größten somalischen Clans sowie anderer
Gruppen teilnahmen. Sie mündete in eine kurzlebige
Übergangsregierung, die von vielen Clanchefs und Warlords nicht
anerkannt wurde. Im Oktober 2002 organisierte Kenia im Auftrag der
ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD (Intergovernmental
Authority on Development bestehend aus Äthiopien, Dschibuti,
Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda) eine Friedens- und
Versöhnungskonferenz unter Beteiligung der Anrainerstaaten. Doch
erst am Ende eines zweijährigen, von zahlreichen Rückschlägen
begleiteten Friedensprozesses gelang es, die Clanchefs und Warlords
2004 zur Formierung eines gemeinsamen Übergangsparlamentes (Transitional
Federal Assembly, TFA) und einer Übergangsverfassung zu bewegen.
Zum Übergangspräsidenten Somalias wurde der Warlord und Präsident
des teilautonomen Puntlands, Abdullahi Yussuf Ahmed, gewählt, der
Ali Mohammed Ghedi mit der Bildung einer Übergangsregierung (Transitional
Federal Government, TFG) beauftragte. Um wenigstens die
wichtigsten Parteien zufriedenzustellen, mussten im Kabinett 47
Minister- und 42 Stellvertreterposten geschaffen werden.
Somalias Wirtschaft leidet unterdessen
weiterhin schwer an den Folgen des Bürgerkrieges und der
Machtlosigkeit der staatlichen Autoritäten. Die international
anerkannte Übergangsregierung, die letztlich ein Zweckbündnis der
rivalisierenden Warlords geblieben und vom Wohlwollen der
verschiedenen mächtigen Gruppen im Land abhängig ist, konnte ihren
Einfluss bislang nicht auf das ganze Land ausdehnen..
Islamistischer Vormarsch und äthiopische
Intervention 2006
Dementsprechend hilflos zeigte sie sich, als
im März 2006 radikalislamische Glaubenskämpfer um den Scheich Hassan
Dahir Aweys, die sich nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan zu
einer „Union islamischer Gerichte“ zusammengeschlossen hatten,
gewaltsam in das Geschehen eingriffen und drei Monate später die
jahrelange Schreckensherrschaft der Warlords beendeten, die sich die
somalische Hauptstadt Mogadishu untereinander aufgeteilt hatten, um
Schutzgelder zu erpressen und ihren kriminellen Geschäften nachgehen
zu können. Um die Errichtung eines islamischen Gottesstaates an
seiner Grenze zu verhindern, startete das Äthiopien, das sich seit
Jahrhunderten als christliches Bollwerk gegen den Islam versteht,
mit Rückendeckung aus den USA im Dezember 2006 eine militärische
Intervention zur Stützung der somalischen Übergangsregierung. Diese
hatte sich nach Baydhabo, 250 Kilometer nordwestlich von Mogadishu
zurückgezogen, von wo aus sie relativ machtlos zusehen musste, wie
die islamistischen Milizen einen Großteil Südsomalias unter ihre
Kontrolle brachten.
Äthiopien kam damit einer Initiative des
UN-Sicherheitsrates zuvor, der am 7. Dezember 2006 grünes Licht für
eine Friedensmission gegeben und die Afrikanische Union (AU) sowie
die IGAD gebeten hatte, Soldaten zur Unterstützung der
Übergangsregierung nach Somalia zu entsenden. Verhandlungen zwischen
beiden Parteien waren Ende Oktober vor allem wegen der Präsenz
äthiopischer Truppen in Somalia gescheitert, die die
Übergangsregierung vor den islamistischen Kräften schützen sollten;
letztere werden unter anderem vom äthiopischen Erzfeind Eritrea
unterstützt und von den USA verdächtigt, im Dienste des
Terrornetzwerks Al-Qaida zu stehen.
Somaliland und Puntland
Vier Monate nach dem Sturz des Diktators Siad
Barres hatten die Clans auf dem Gebiet der ehemaligen britischen
Kolonie das Machtvakuum ausgenutzt und im Mai 1991 in den
nordwestlichen Provinzen Awdal, Woqoovyi Galbeed, Togdheer, Sanaag
und Sool eine unabhängige Republik Somaliland ausgerufen. 1998
folgten Separatisten unter dem Kommando von Abdullahi Yussuf Ahmed
im Nordwesten diesem Beispiel und erklärten die Nachbarprovinzen
Bari, Nugaal und das nördliche Mudug zum souveränen Staat Puntland,
das sich jedoch im Gegensatz zu Somaliland im Zuge des
Friedensprozesses seit 2004 mit einem teilautonomen Status mit einer
eigenen Regierung innerhalb einer Föderation mit Somalia begnügte.
International zwar immer noch nicht anerkannt,
ist es den Regierungen dieser beiden Staaten gelungen, ein für die
Region bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen.
Vor allem Somaliland profitierte in ökonomischer und sozialer
Hinsicht von den infrastrukturellen Hinterlassenschaften aus
britischen, sowjetischen und amerikanischen Hilfsprogrammen. Im
September 2005 fanden in Somaliland vergleichsweise vorbildliche und
faire Parlamentswahlen statt. Das beiderseitige Verhältnis ist
angespannt, da Puntland Ansprüche auf Grenzgebiete in der Republik
Somaliland erhebt.