Sri Lanka

(Politik - Verwaltung - Geschichte)

Politik und Verwaltung

Die Herrschaft der Briten, die den Ceylonesen ab 1912 schrittweise politische Partizipationsmöglichkeiten einräumten, hatte einen bleibenden Einfluss auf die politische Entwicklung Sri Lankas gehabt. Die erste Verfassung des unabhängigen Inselstaates von 1948 sah zwei parlamentarische Kammern nach dem britischen Westminstermodell vor und hatte auch ansonsten viel Ähnlichkeit mit der indischen. Doch dies erwies sich im Falle Sri Lankas, wo mehrere unterdrückte ethnische Minderheiten einer erdrückenden singhalesischen Majorität gegenüberstehen, als fatale Fehlkonstruktion. Der systematisch betriebenen Marginalisierung dieser Minderheiten, allen voran der Tamilen, leistete das völlige Fehlen föderativer Elemente Vorschub, die zumindest auf Ebene der Provinzen und Distrikte einen politischen Gestaltungsspielraum eröffnen hätten können. Die Regierung unter Führung der prosinghalesischen Sri Lanka Freedom Party (SLFP), die 1970 auch mit dem Auftrag gewählt wurde, die Verfassung besser an die nationalen Gegebenheiten anzupassen, verschärfte den Missstand noch, indem sie die zweite Kammer abschaffte, den Buddhismus zur Staatsreligion erklärte und das Singhala zur allein gültigen Amtssprache erhob. Ganz zu schweigen von der tamilischen Federal Party (FP), die diese Reformen als Kriegserklärung interpretierte, stießen sie aufgrund ihrer autokratischen Züge selbst bei der gemäßigten singhalesischen United National Party (UNP) auf Kritik. So ließ nach dem Regierungswechsel eine neue Verfassung nicht lange auf sich warten. Die UNP lehnte sich bei ihrer Reform des politischen Systems 1978 an das französische Regierungsmodell an, stattete allerdings den Präsidenten zulasten des Parlaments mit einer weit überdurchschnittlichen Machtfülle aus. Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga hat 1998 eine vierte Verfassung in Angriff genommen, die bislang aufgrund von Widerständen seitens der Opposition und der tamilischen Befreiungsbewegung nicht verabschiedet werden konnte. Dabei sieht der Entwurf die Abschaffung der Exekutivvollmachten des Präsidenten, ein Wiedererstarken des Parlaments und eine Dezentralisierung der politischen Kompetenzen zugunsten der Regionalregierungen vor, was den ethnischen Minoritäten deutlich mehr politische Teilhabemöglichkeiten eröffnen würde.

Trotz einer in den achtziger Jahren in Gang gesetzten Privatisierungswelle handelt es sich bei Sri Lanka gemäß der seit 1978 gültigen Verfassung nach wie vor um eine demokratische sozialistische Republik, deren Regierung eigentlich auf kollektivierte Eingesumsverhältnisse zur Herbeiführung sozialer Gerechtigkeit festgelegt ist.

Exekutive

Hinsichtlich des politischen Systems ist Sri Lanka eine unitaristische Präsidialrepublik. Staats- und Regierungschef ist der Staatpräsident, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Er wird für maximal zwei sechsjährige Amtszeiten direkt vom Volk gewählt. Assistiert wird er bei seinen Regierungsgeschäften von einem Kabinett aus Ministern mit einem vorsitzenden Ministerpräsidenten, der in der Regel von der Mehrheitspartei im Parlament gestellt wird, aber keine außerordentlichen exekutiven Amtsbefugnisse besitzt. Alle Kabinettsmitglieder werden auf Vorschlag des Parlaments vom Präsidenten ernannt, wobei in der Praxis eine Vorauswahl in enger Abstimmung zwischen dem Präsidenten und dem designierten Ministerpräsidenten stattfindet. Das Recht, jede Entscheidung der Legislative und der Judikative durch sein Veto zu blockieren, eröffnet dem Präsidenten weitreichende Einflüsse auf politischen Entscheidungsprozesse, die Auswirkungen bis hinein in die Parteien zeitigen. Der Vollzug der exekutiven Maßnahmen obliegt einem riesigen, zentralistischen, hierarchisch gegliederten bürokratischen Beamtenapparat – ein Relikt aus Kolonialzeiten, dessen prestigeträchtige Posten äußerst begehrt sind.

Legislative

Für die Gesetzgebung in Sri Lanka ist ein aus einer Kammer bestehendes Parlament zuständig, dessen Souveränität durch den übermächtigen Präsidenten stark eingeschränkt ist. Die Verteilung der 225 Sitze erfolgt regulär alle sechs Jahre durch eine Volkswahl nach Maßgabe eines 1989 modifizierten Proporzsystems zur Repräsentation der Distrikte. 196 Abgeordnete werden direkt gewählt, die restlichen Mandate nach dem Stimmenanteil der Parteien vergeben. Das Parlament kann zur Herbeiführung von Neuwahlen jederzeit vom Präsidenten aufgelöst werden.

Judikative

Höchste Organe der Rechtsprechung in Sri Lanka sind der Oberste Gerichtshof, der auch für Verfassungsfragen zuständig ist, sowie der Appellationsgerichtshof, deren Richter vom Präsidenten bestellt werden. Ferner existieren auf gesamtstaatlicher Ebene ein Hoher Gerichtshof und für spezielle Rechtsgebiete zuständige Gerichte erster Instanz sowie im Bedarfsfall vom Parlament berufene Sondertribunale. Alle Richter der Gerichte erster Instanz mit Ausnahme des Hohen Gerichtshofes werden von der Judical Service Commission ernannt, die sich aus dem Vorsitzenden und zwei weiteren Richtern des Obersten Gerichtshofes zusammensetzt. Die Rechtsprechung in Sri Lanka vollzieht sich auf der Grundlage einer komplexen Mischung aus britischem, römisch-holländischem, singhalesischem und islamischem Recht, durchsetzt mit Elementen des Gewohnheitsrechts.

Parteien

Wichtigste Parteien und politische Gruppierungen in Sri Lanka sind das Linksparteienbündnis People’s Alliance (PA), die liberal-konservative United National Party (UNP), die Independent Group Jaffna, hinter der sich die Eelam People’s Democratic Party (EPDP) verbirgt, der Sri Lanka Muslim Congress (SLMC), die Tamil United Liberation Front (TULF), die Democratic People’s Liberation Front (DPLF) als politischer Arm der People’s Liberation Organization of Tamil Eelam (PLOTE), die Sri Lanka Progressive Front (SLPF) und die Independent Group Nuwara Eliya. Außer Konkurrenz stehen die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), eine Terrororganisation zur Befreiung der Tamilen, die seit Aufhebung ihres Verbotes 2002 neuerdings aber auch als politische Pressure Group auftritt.

Verwaltungsstruktur

Sri Lanka gliedert sich administrativ in neun Provinzen – Western, Southern, Sabaragamuwa, Central, Uwa, Eastern, North-Western, North-Central und Northern –, die sich ihrerseits jeweils aus zwei bis drei Distrikten (insgesamt 25) zusammensetzen. Auf allen Ebenen existieren zwar Lokalregierungen, die jedoch angesichts des zentralistischen Staatsaufbaus nur wenig Autorität und geringen Handlungsspielraum haben.

Geschichte

Archäologische Funde aus neuerer Zeit belegen, dass Sri Lanka schon im Neolithikum und vermutlich noch vor seiner Abtrennung vom indischen Subkontinent (ca. 6000-3500 v. Chr.) von Sammlern und Reisbauern bevölkert war. Ureinwohner der Insel sind die inzwischen auf wenige tausend Individuen dezimierten Wedda, die sich selbst Wanniya-laeto (Waldbewohner) nennen. Sie sind genetisch mit den mit den australischen Aborigines verwandten und wurden im Zuge verschiedener Einwanderungswellen, die von Indien her Sri Lanka erreichten, in die ariden Zonen der Insel zurückgedrängt. Vermutlich im 3. Jahrtausend v. Chr. erreichten Drawiden die Insel. Dieses dunkelhäutige Bauernvolk, von dem die so genannten Ceylon-Tamilen abstammen, musste seinerseits 2500 Jahre später vor den Ariern nach Süden und Osten ausweichen. Dabei handelte es sich um ein hellhäutiges indoeuropäisches Nomadenvolk, das bereits über Eisenwaffen verfügte. Da seine Nachkommen ihre Herkunft auf einen König zurückführen, der Sohn eines Löwen (= Singh) gewesen sein soll, nennen sie sich Singhalesen. Dazu gesellen sich noch die Indien-Tamilen, die erst ab den 18. Jahrhundert von den englischen Kolonialherren als Arbeitskräfte aus dem südindischen Tamil Nadu importiert wurden und deren Nachkommen sich heute in der verarmten Zentralprovinz konzentrieren. Neben den überwiegend buddhistischen Singhalesen und den mehrheitlich hinduistischen Tamilen gibt es auf Sri Lanka noch die Moors, Nachfahren muslimischer Einwanderer und Händler, die vor über tausend Jahren aus Arabien einsickerten. Sie leben zwar über die ganze Insel verstreut, ballen sich jedoch besonders in der Ostprovinz.

Europäische Kolonisation

In der Zeit vor der Eroberung durch die Europäer präsentiert sich die Geschichte Sri Lankas als eine Abfolge aus rivalisierenden lokalen Fürstentümern und überregionalen Königreichen. Ihr Aufstieg und Zerfall war weniger in ethnisch-religiösen als in dynastischen Machtkämpfen begründet oder Folge von Invasionen. 1505 landeten portugiesische Eroberer auf der Insel, gefolgt von den Holländern 1655 und den Engländern, die sie 1796 zur Kronkolonie Ceylon machten – mit Ausnahme des Königreiches Kandy, das sich das Empire erst 1815 einverleiben konnte.

Der Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung durch die Kolonialherren ließ nicht lange auf sich warten. 1818 und 1848 kam es zu ersten großen Aufständen, die blutig niedergeschlagen wurden. Bereits in britischer Zeit führten religiöse und soziale Gegensätze mehrmals zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Singhalesen und der tamilischen Minderheit. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es die Kolonialherren stets verstanden, die Volksgruppen gegeneinander auszuspielen – beispielsweise durch die Einfuhr tamilischer Arbeitskräfte aus Indien, um den zivilen Ungehorsam der einheimischen Plantagenarbeiter zu hintertreiben. Doch in ihrem Kampf um Selbstbestimmung zogen die Volksgruppen mehr oder minder an einem Strang, wenn auch das anfängliche Bündnis in dem 1919 formierten Ceylon National Congress (CNC) schon nach drei Jahren an Auseinadersetzungen um Macht und Einfluss zerbrach. In dieser Zeit bildeten sich drei große Parteien heraus: die singhalesische United National Party (UNP), der Tamil Congress (TC), der die Interessen der Ceylon-Tamilen vertrat, und der Ceylon Indian Congress (CIC) als Organisation der Indien-Tamilen.

Unabhängigkeit und ethnische Spannungen

Zu einem ernsthaften Problem wurde die ethnische Vielfalt erst, nachdem Ceylon am 4. Februar 1948 seine Unabhängigkeit als Dominion innerhalb des Commonwealth of Nations erlangte. Als unheilvoll erwies sich seitdem ein vom einflussreichen buddhistischen Klerus beförderter Chauvinismus, der die Insel quasi als naturrechtmäßige Domäne ganz allein für die Singhalesen reklamiert.

Die Regierung übernahm zunächst die aus dem CNC hervorgegangene gemäßigt konservative United Congress Party (UCP), die die singhalesischen Elite repräsentierte, die der größte Nutznießer der britischen Kolonialherrschaft war. Die von der Federal Party (FP) vertretene tamilische Minderheit, die anfangs zur Selbstbestimmung und zur Wahrung ihrer Identität vergeblich auf eine Föderation hingearbeitet hatte, sah sich schon bald mit einer systematischen Ausgrenzung konfrontiert. Um ihr die politische Teilhabe faktisch unmöglich zu machen, verabschiedete das von den Singhalesen dominierte Parlament als erstes ein Staatsangehörigkeitsgesetz, das die aus Indien stammenden tamilischen Plantagenarbeiter neutralisierte, indem sie sie zu Ausländern erklärte. Dadurch verlor etwa die Hälfte der Tamilen (8 % der Inselbevölkerung) ihre Bürgerrechte. Gleichzeitig wurden die Tamilen zugunsten der Singhalesen vom Arbeitsmarkt und aus dem höheren Bildungssystem verdrängt. Durch die staatliche Zentralisierung ohnehin schon in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt, wurden alle wichtigen Posten in der Provinzverwaltung ausschließlich mit Singhalesen besetzt.

Weitere Maßnahmen wie der von der Regierung geförderte Zuzug von Singhalesen in die traditionellen Tamilengebiete, das gewalttätige Auftreten von Polizei und Armee, die fest in singhalesischer Hand waren, sowie nicht zuletzt der Language Act von 1956, der das Singhala zulasten des Tamil zur einzig anerkannten Amtssprache machte, schürten Unmut und Überfremdungsängste.

Radikalisierung der Tamilen

Eine neue Dimension erreichte die Diskriminierung der Tamilen, nachdem der Sozialist Solomon Bandaranaike 1956 die Regierung übernommen hatte. In der Ära des Führers der prosinghalesisch-nationalistischen Sri Lanka Freedom Party (SLFP), der nach seiner Ermordung durch ein Attentat 1960 von seiner Witwe Sirimawo Bandaranaike beerbt wurde, kam es zu den ersten landesweiten Pogromen mit Tausenden von Todesopfern. Für vorübergehende Entspannung sorgte die Wahl von 1965, die zur Bildung einer Koalition der moderaten UNP mit der tamilischen FP führte. Doch ihr ehrgeiziges Ziel einer regionalen Selbstverwaltung der tamilischen Nordostprovinzen konnte nicht umgesetzt werden, ehe Bandaranaike 1970 die Macht zurückeroberte.

Für Unruhe sorgte Anfang der siebziger Jahre, die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), zu deutsch etwa: Volksbefreiungsfront. Die 1965 von dem ehemaligen KP-Mitglied Nandasiri „Rohana“ Wijeweera gegründete Gruppierung, die den Schulterschluss mit linksradikalen Kräften im tamilisch dominierten Norden und Osten suchte, machte erfolgreich Front gegen die wirtschaftlich ruinöse und prosinghalesische Politik der SLFP-Regierung. 1971 brach die JVP einen landesweiten blutigen Aufstand vom Zaun, dem die Regierung nur mit internationaler Waffenhilfe aus West und Ost Herr werden konnte.

Die gewalttätige Unterdrückung führte zu einer zunehmenden Radikalisierung vor allem der tamilischen Jugend. In den siebziger Jahren formierten sich rund zwei Dutzend militante Gruppierungen, die in der Mehrzahl von autonomistischen Kreisen des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu finanziert und ausgerüstet wurden, sich aber nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten. Die größten und wichtigsten waren die 1972 von Vellepillai Prabhakaran gegeündeten Tamil New Tigers (TNT) sowie die mit ihr rivalisierende gemäßigte Eelam People’s Revolutionary Liberation Front (EPRLF).

Tamilischer Sezessionskrieg

Die TNT machten erstmals 1975 mit der Ermordung des singhalesischen SLFP-Bürgermeisters der Tamilenhochburg Jaffna auf sich aufmerksam. Ihre Guerillakrieger und Terroristen, die sich seit 1976 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) nennen, wurden zur Speerspitze im Sezessionskrieg gegen die Zentralregierung in Colombo. In Gang gesetzt wurde die Gewaltspirale durch die Parlamentswahlen von 1977, die der UNP eine Zweidrittelmehrheit bescherte, die es ihr ermöglichte, sich per Referendum eine ununterbrochene Legislatur bis 1989 zu sichern. Neuer Regierungschef wurde Junius Richard Jayawardene, der eigenmächtig die Verfassung änderte, um die Macht des Staatspräsidenten zu stärken, dessen Amt er im darauffolgenden Jahr selbst übernahm. Die Feindseligkeiten zwischen den Volksgruppen entluden sich 1978, 1981 und 1982 in grausamen Pogromen, denen tausende Zivilisten zum Opfer fielen.

Jayawardene begegnete den tamilischen Separationsbestrebungen in seiner elfjährigen Amtszeit abwechselnd mit militärischer Gewalt und Repression aber auch politischen Zugeständnissen – etwa indem er den Language Act und das politische Staatsbürgerschaftsrecht revidierte und so genannte Distriktentwicklungsräte für die Tamilengebiete schuf. Die Regierung sah sich bald in einen Mehrfrontenkrieg verwickelt. Zum einen mit den aufständischen Tamilen in den Nordostprovinzen und zum anderen mit den aus der JVP hervorgegangenen singhalesischen Guerillaeinheiten der ultranationalistischen Dehsapremi Janatha Viyaparaya (DJV), zu deutsch etwa: Patriotische Befreiungsbewegung, die bis zu ihrer Ausschaltung 1990 einen Kleinkrieg gegen die Regierung führte.

Die Rolle Indiens

Zwischen 1984 und 1987 übernahm Indien eine Vermittlerrolle. Hatte Indira Gandhi bis zu ihrer Ermordung verdeckt die Sache der Tamilen unterstützt, so kam es unter ihrem Sohn Rajiv Gandhi zu einer politischen Umorientierung. Indien wechselte die Seite und kam 1987 der Regierung in Colombo mit 45 000 Mann starken Indian Peace Keeping Forces (IPKF) zur Hilfe, die den Norden und Osten der Insel besetzten, um die Kontrahenten gewaltsam zu trennen. In dieser Situation tauchte die JVP wieder aus dem Untergrund auf und konnte mit antiindischen Parolen 1988 zahlreiche Anhänger zu einem Aufstand gegen die Regierung mobilisieren. Abermals machte sie sich dabei auch zum Anwalt der diskriminierten Tamilen, wobei sie nur für ihre politische Integration und ausdrücklich nicht für einen Separatstaat eintrat.

Da sich die LTTE einer Verhandlungslösung verweigerten, gerieten unterdessen die indischen Hilfstruppen immer häufiger zwischen die Fronten. Nach der Niederlage Rajiv Gandhis bei den Parlamentswahlen nutzte die neue indische Regierung die erstbeste Gelegenheit zum Truppenrückzug. Diese eröffnete sich, als der neue srilankische Präsident Ranasinghe Premadasa in direkten Verhandlungen mit den LTTE 1990 einen Waffenstillstand erreichte, der jedoch nicht von langer Dauer war.

Erst die Wahl der Bandaranaike-Tochter Chandrika Kumaratunga zur Präsidentin 1994 weckte die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt. Zumal nach der Rückeroberung der Tamilengebiete im Norden und Osten sowie dem Fall der Tamilenhochburg Jaffna die LTTE mit dem Rücken zur Wand standen.

Friedensprozess

Die Chancen für eine Friedenslösung wuchsen weiter, seit nach dem 11. September 2001 weltweit die Unterstützung für terrorverdächtige Organisationen schwand. Um als Gesprächspartner überhaupt noch in Betracht zu kommen, mussten die LTTE dringend ihr Negativimage aufpolieren und Dialogbereitschaft zeigen. Begleitumstände wie diese führten zugleich zu einer deutlichen Mäßigung der Ansprüche. Bestanden die Tamilen seit 1976 stets auf ihrer Maximalforderung nach einem eigenen souveränen Staat, so kehrten sie nach einem zwanzigjährigen grausamen und opferreichen Bürgerkrieg nun zu ihrem bescheidenen Wunsch nach territorialer Selbstbestimmung im Rahmen einer aus zwei Staaten bestehenden Föderation zurück.

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 5. Dezember 2001 verlor die People’s Alliance (PA), ein Bündnis aus neun Linksparteien unter der Führung von Kumaratungas SLFP ihre Position als stärkste Kraft im Parlament an die bisher oppositionelle UNP. Neuer Ministerpräsident wurde der UNP-Vorsitzende Ranil Wickremasinghe, der kurz darauf mit den LTTE ein Waffenstillstandsabkommen vereinbarte und in Friedensverhandlungen eintrat. Im Dezember 2002 einigten sich beide Seiten auf ein Rahmenabkommen über die Umwandlung Sri Lankas in einen föderativen Staat nach dem Vorbild der Schweiz. Seit dem Ausschluss der LTTE von einer internationalen Sri-Lanka-Konferenz 2003 ist der Friedensprozesses ins Stocken geraten.

Abgesehen vom buddhistischen Klerus sowie Teilen der LTTE und des Militärs wird der Friedensprozess immer wieder von rassistischen Organisationen torpediert. Die Anfangserfolge der chauvinistischen Sektierergruppe Sihala Urumaya beispielsweise veranlasste die reorganisierte JVP angesichts ihrer schwindenden Anhängerschaft zu einer ideologischen Kehrtwende. So mobilisierte sie etwa Zehntausende von Menschen zum Protest gegen den ihrer Meinung nach landesspalterischen Verfassungsentwurf von Präsidentin Kumaratunga. Von der neuen Welle des Chauvinismus erfasst wurden auch große Parteien wie die PA und UNP, die aus Sorge um ihr Wählerklientel plötzlich ebenfalls nichts mehr von einem Frieden um jeden Preis wissen wollten und sich gegenseitig den Ausverkauf singhalesischer Interessen vorwarfen.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)