Städtebau

 

Die kommunale Lenkung, Planung, Verwirklichung und Sicherung von Maßnahmen zur räumlichen Entwicklung von Siedlungsräumen und Landschaften unter Berücksichtigung rechtlicher, hygienischer, struktureller, wirtschaftlicher, verkehrstechnischer und ästhetischer Gesichtspunkte.

1. EINLEITUNG
Städtebau gibt es, seit Menschen sesshaft wurden und begannen, die Landschaft in der Umgebung seiner Behausung planmäßig zu verändern und zu gestalten. Im engeren Sinne begann Städtebau, als Menschen beim Bau ihrer Behausungen und Arbeitsstätten unter obrigkeitlichem Zwang zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet wurden oder als sie sich zum Bau gemeinsamer Anlagen wie Ortsbefestigungen, Straßen, Wege, Bewässerungsanlagen, Heiligtümer etc. entschlossen. Die frühesten bekannten Zeugnisse solcher städtebaulichen Aktivitäten sind über 7 000 Jahre alt.

2. BEGRIFF UND GESCHICHTE
Als Begriff im heutigen Sinn findet sich „Städtebau" in der deutschsprachigen Literatur allerdings erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eingeführt wurde er von dem Wiener Architekten Camillio Sitte, der in seinem 1889 erschienenen Buch Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen den Schwund nachbarlicher Rücksichtnahme, die ästhetische Verwahrlosung und die wachsenden Funktionsstörungen im Organismus der Stadt im aufkommenden Industriezeitalter beklagte und eine koordinierte Lenkung forderte. In England, wo die Industrialisierung bereits wesentlich früher einsetzte, waren zu dieser Zeit bereits die katastrophalen Auswirkungen, vor allem auch die sozialen Konsequenzen eines ungesteuerten Wachstums in den Ballungsgebieten unübersehbar. Dort kam man auch zuerst zu der Erkenntnis, dass sich eine übergeordnete Planung nicht nur auf ästhetische, soziale und hygienische Fragen beschränken darf, sondern auch den innerstädtischen Verkehr, den Grundstücksmarkt, das Bodenrecht, die Wasser- und Energiewirtschaft, die Abfall- und Abwasserbeseitigung berücksichtigen muss. Der Begriff Städtebau schließt seither neben der Neuanlage und Erweiterung von Siedlungen auch die Umgestaltung und Sanierung vorhandener Strukturen ein.

3. AUFGABEN DES STÄDTEBAUS  
Städtebauliche Planung wird bestimmt durch eine sinnvolle Strukturplanung. Wichtige Aufgabenstellungen des Städtebauers sind dabei, neben der Bestandsaufnahme sämtlicher Bauten und ihrer derzeitigen Nutzung, die Feststellung der für die Allgemeinheit bedeutsamen Mängel und Missstände, die Ermittlung des gegenwärtigen und die Prognose des künftig zu erwartenden Bedarfs an Erweiterungen, Neuanlagen und Nutzungsänderungen sowie die entsprechenden Planungen und Koordinationsarbeiten. Die Erarbeitung der entsprechenden baurechtlichen Vorgaben wird „städtebauliche Ordnung" und ihre Verwirklichung „Bauleitplanung" genannt. Das in enger Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik entwickelte Konzept einer sinnvollen Stadtgestaltung, die den aktuellen und künftig zu erwartenden Anforderungen des Verkehrs, der Wirtschaft, der Sozialstruktur sowie den kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft und ihren Wünschen nach Freizeitgestaltung gerecht wird, heißt „Stadtentwicklungsplanung".

4. STÄDTISCHER STÄDTEBAU  
Vor allem in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Weltkrieg und im Zuge des Wirtschaftswunders in den fünfziger Jahren ist es in den Städten Deutschlands zu zahlreichen Fehlentwicklungen gekommen, mit denen sich der moderne Städtebau heute auseinander zu setzen hat. In dieser Zeit wurden die meisten Wohnungen von Bauten des Dienstleistungsgewerbes aus dem Bereich der Innenstädte verdrängt. Die tagsüber lebhaft bevölkerten Kernbereiche mit ihren Büros, Geschäftszentren und Verwaltungsgebäuden präsentierten sich nach Feierabend zunehmend verwaist, das Stadtzentrum hatte seine ursprüngliche Funktion als Ort der Begegnung weitgehend verloren. Gleichzeitig schossen an der Peripherie der Stadt auf dem Reißbrett entworfene Zweckwohnviertel aus dem Boden, die zu unattraktiven Schlafstädten mutierten, in denen sich die Menschen kaum wohl fühlten. Aus der Zerstörung des in traditionellen Städten engen Geflechts von Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit und Güterversorgung resultierten bald gewaltige Verkehrsprobleme, da die Möglichkeit, die wichtigsten Stätten – insbesondere auch den Arbeitsplatz – zu Fuß zu erreichen, nicht mehr gegeben war.

Ziel des modernen Städtebaus in Ballungsgebieten ist es, einerseits eine zu allen Zeiten belebte City zu schaffen, in der Behörden, Dienstleistungsbetriebe, wichtige kulturelle Einrichtungen und ein breites Spektrum von Erholungs- und Vergnügungsstätten mit einer angemessenen Zahl von Wohnungen und verkehrsberuhigten Flächen gemischt sind, andererseits die Wohnviertel am Stadtrand durch die Angliederung von Geschäften, kleineren Betrieben, Freizeiteinrichtungen, Kindergärten und Schulen in attraktive Unterzentren umzuwandeln, die zum Verweilen einladen.

5. LÄNDLICHER STÄDTEBAU  
Ein weiteres Hauptaugenmerk der Städteplanung gilt dem Erhalt des ländlichen Raumes, der durch die zunehmende Aufgabe unrentabler landwirtschaftlicher Betriebe und durch den Zuzug städtisch orientierter Pendler in neu errichtete uniforme Wohnsiedlungen seinen ursprünglichen Charakter verloren hat. Städteplanerische Dorferneuerungsprogramme sollen dieser Entwicklung entgegenwirken und überdies sicherstellen, dass die Dörfer mit der nötigen Infrastruktur, geeigneten Gewerbebetrieben und mit möglichst allen Einrichtungen des täglichen Bedarfs ausgestattet sind.

6. PLANUNGSHOHEIT
  Das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) nimmt die Zuständigkeit des Bundes auf den Gebieten der Raumordnung, des Städtebaus, des Wohnungswesens und des Bauwesens wahr. Es fördert u. a. die städtebauliche Forschung, wird durch Modellvorhaben selbst städtebaulich aktiv und gewährt den Ländern Finanzhilfen zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Das Städtebauförderungsgesetz bildet den rechtlichen Rahmen und enthält die gesetzlichen Bestimmungen für die Planung und Realisierung von Sanierungsmaßnahmen zur Behebung städtebaulicher Missstände und für wichtige städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen.

Die städtebauliche Planungshoheit liegt in Deutschland grundsätzlich bei den Gemeinden, die jedoch erst ab einer bestimmten Mindestgröße und Mindestfinanzkraft in der Lage sind, fest angestellte Fachkräfte (gemeindeeigenes Planungsamt oder Planungsabteilung im Stadtbauamt) zu beschäftigen. Als Alternativen bieten sich an, im Rahmen städtebaulicher Ideenwettbewerbe freiberuflich tätige Planer zu beauftragen oder im Zusammenschluss mit anderen Kommunen eine gemeinsame Planungsbehörde einzurichten. Wo es aufgrund dichter Besiedlung oder industrieller Verflechtung besonders enge nachbarliche Beziehungen zwischen Gemeinden gibt, ist die Bildung eines Planungsverbands sinnvoll, dem die Mitglieder Teile ihrer Planungshoheit übertragen.

7. RECHTLICHE GRUNDLAGEN  
Grundlage der städtebaulichen Planungen ist die Bauleitplanung (auch Ortsplanung genannt), wie sie das Baugesetzbuch (BauGB) des Bundes vorsieht. Sie gliedert sich in zwei Stufen: Im Flächennutzungsplan (vorbereitende Bauleitplanung) der Gemeinde bzw. der Region werden für die Bebauung vorgesehene Flächen, die Ausstattung des Gemeindegebiets mit von der Allgemeinheit genutzten Anlagen und Einrichtungen (Kirchen, Schulen, Kindergärten, öffentliche Gebäude etc.), Flächen für den örtlichen und überörtlichen Verkehr, öffentliche Ver- und Entsorgungsanlagen, Grünflächen (Parks, Kleingärten, Freizeitgelände, Friedhöfe etc.), besonders schutzwürdige Gebiete, landwirtschaftliche Flächen und dergleichen erfasst. Aufbauend auf den Festlegungen im Flächennutzungsplan werden im Bebauungsplan (verbindliche Bauleitplanung) die Einzelheiten der städtebaulichen Ordnung für ein Teilgebiet der Gemeindefläche rechtsverbindlich festgelegt.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)