Aus Teilen der Begriffe Stagnation und
Inflation zusammengesetzte Wortschöpfung in den
Wirtschaftswissenschaften zur Bezeichnung einer gesamtökonomischen
Lage, die gekennzeichnet ist von Wachstumsstillstand und
Geldentwertung.
Da sich die Stagnation einer Volkswirtschaft
vor allem durch Unterbeschäftigung bemerkbar macht, bedeutet
Stagflation im allgemeinen Sprachgebrauch das gleichzeitige
Auftreten von Inflation und Arbeitslosigkeit. Dieses Phänomen wurde
bis zu seiner erstmaligen Erscheinung in den sechziger Jahren in
Großbritannien und im Gefolge des Ölpreisschocks (siehe
Ölkrise) in den siebziger Jahre auch in den USA und Deutschland in
der Wirtschaftstheorie nicht in Betracht gezogen. War doch der
britische Ökonom Arthur W. Phillips, der dem empirischen
Zusammenhang zwischen Unterbeschäftigung und der Veränderung der
Nominallöhne nachgegangen war, 1958 noch zu einem völlig anderen
Befund gekommen. Anhand der so genannten Phillips-Kurve hatte er
gezeigt, dass die Nominallöhne und damit die Inflation aufgrund der
Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt umso stärker steigen, je geringer die
Unterbeschäftigung ist, und umgekehrt bei steigender
Arbeitslosigkeit sinken.
Seit die Befunde der Phillips-Kurve durch die
Ölkrise in Frage gestellt wurden, nimmt die Lösung des
Stagflationsproblems einen zentralen Stellenwert in der
Wirtschaftstheorie ein. Neben sektoralen Monopolen und Oligopolen,
die auf einen Rückgang der Nachfrage entgegen der klassischen
Modelle mit Preiserhöhungen statt -senkungen reagieren, sowie der
ungebrochenen Fähigkeit der Gewerkschaften zur Durchsetzung von
Lohnerhöhungen selbst in Zeiten eines Arbeitskräfteüberschusses gilt
vor allem den Gegnern des Keynesianismus eine nachfrageorientierte
Stabilisierungspolitik als eigentliche Ursache der Stagflation. Zwar
können Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage theoretisch durchaus
geeignet sein, die Beschäftigung zu erhöhen, bewirken aber zugleich
eine Beschleunigung der Inflationsrate. Umgekehrt senken Eingriffe
zur Dämpfung der Nachfrage zwar erfahrungsgemäß die Inflationsrate,
ziehen aber einen Anstieg der Arbeitslosenquote nach sich. Das
Stagflationsproblem führte deshalb zu einer Hinwendung zur
angebotsorientierten Stabilisierungspolitik, die das Heil in
Kostenentlastung der Unternehmen, Förderung der Produktivität, Abbau
ertragsunabhängiger Steuern und öffentlicher Belastungen, Förderung
von Innovation, Zurückhaltung in der Lohnpolitik etc. suchen.
Dass beide Methoden mit Tücken behaftet sind,
zeigt sich exemplarisch an den Bemühungen zur Bewältigung der
Stagflation in den siebziger Jahren in Deutschland. Die
Vollbeschäftigung in den vorangegangenen Boomjahren hatte seinerzeit
einen hohen Inflationsdruck mit Geldentwertungsraten von bis zu 7
Prozent aufgebaut, die mit Rekordlohnsteigerungen von bis zu 11
Prozent kompensiert wurden. Nach schleichender Rezession 1974
knickte die Konjunktur 1975 vollends ein. Während die
Arbeitslosenquote auf 4,3 Prozent stieg, blieb die Inflationsrate
wider Erwarten mit 6,2 Prozent fast unverändert. Da sich die
Regierung bereits durch ein Bauinvestitionsprogramm finanziell
verausgabt hatte, blieb kein Spielraum mehr für weitere
Konjunkturförderungsmaßnahmen. Deshalb setzte die Politik auf einen
Sparkurs, durch den es 1976 tatsächlich gelang, das öffentliche
Defizit zu reduzieren – allerdings ohne nennenswerte Auswirkungen
auf die hohe Arbeitslosigkeit und Inflation.
Während die Bundesbank verzweifelt versuchte,
die Währung zu stabilisieren, lavierte die Regierung zwischen
Haushaltskonsolidierung und Arbeitsmarktstabilisierung. Nicht
zuletzt auf Drängen der stagflationsgebeutelten USA begann sie
schließlich, Einkommen aus Unternehmertätigkeit zu entlasten und
Arbeitseinkommen stärker zu belasten. Gleichzeitig steckte sie
Subventionen in technische Innovationen, hielt aber auch unrentable
Industriezweige wie Schiffbau und Kohlenbergbau über Wasser. Doch
statt Arbeitsplätze zu schaffen, reagierte die Industrie mit
Rationalisierung. Alles in allem führte die Stabilisierungspolitik
auf diese Weise lediglich zu einer rasanten Staatsverschuldung und
infolge des hohen Kreditbedarfes zu einem Anstieg der Zinsen, der
zusätzlich die Inflation anheizte.
Verfasst von:
Roland Detsch
(© cpw)