Sudan

(Verwaltung - Politik - Geschichte)

Verwaltung und Politik

Die politische Entwicklung des Sudan ist seit seiner staatlichen Unabhängigkeit am 1. Januar 1956 vom Bürgerkrieg zwischen dem islamischen Norden und dem separatistischen christlich dominierten Süden sowie einem permanenten Wechsel aus zivilen Regierungen und Militärdiktaturen geprägt. Die ersten Parlamentswahlen, die der proägyptischen National Union Party die absolute Mehrheit brachten, fanden 1953, also noch vor der staatlichen Souveränität, statt. Kurz nach den zweiten Parlamentswahlen, aus der die Umma Party (UP) als Sieger hervorging, putschte General Ibrahim Abbud. Dieser wurde 1964 von einer zivilen Regierung abgelöst, die 1969 Offiziere unter der Führung von Jaafar Mohammed an-Numeiri stürzten, der sich später durch Wahlen als Präsident legalisieren ließ, ehe er 1985 seinerseits einem Militärputsch zum Opfer fiel. Ein Jahr später übernahm Sadiq al-Mahdi von der UP die Regierung, wurde aber schon im Juni 1989 entmachtet. An der Spitze eines Revolutionären Kommandorates zur Nationalen Rettung (Sudan's Revolutionary Command Council for National Salvation, RCC) errichtete General Omar Hassan al-Baschir ein islamistisches Militärregime, das er 1993 selbst formell aufhob, um sich zum Präsidenten einer Zivilregierung wählen zu lassen.

2005 konnte mit dem Sezessionskrieg des Südens der längste Bürgerkrieg Afrikas durch ein „Umfassendes Friedensabkommen“ (Comprehensive Peace Agreement, CPA) beigelegt werden. Seitdem wird der Sudan von einer Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Unity, GNU) beherrscht, in der sich Vertreter des Nordens und des Südens die Macht teilen. 2011 soll ein Referendum über die staatliche Souveränität des Südsudans entscheiden, dem bis dahin eine weitreichende Teilautonomie eingeräumt wurde.

Exekutive

Hinsichtlich des politischen Systems handelt es sich beim Sudan um eine autoritär regierte zentralistische Präsidialrepublik. Staats- und Regierungschef ist der Präsident, der sein Kabinett, den so genannten Ministerrat (Council of Ministers), selbst ernennt.

Seit 16. Oktober 1993 regiert Omar Hassan Ahmad al-Baschir, der sich 1989 an die Macht geputscht und im März 1996 formell zum Präsidenten wählen lassen hatte.

Gemäß dem Friedensabkommen CPA von 2005 übernahm der Führer der militärischen und politischen südsudanesischen Widerstandsbewegung (Sudan People’s Liberation Movement bzw. Sudan People’s Liberation Army, SPLM/A), John Garang de Mabior, das Amt des Vizepräsidenten, kam kurz darauf aber bei einem mysteriösen Hubschrauberabsturz ums Leben und musste kurzfrisitg durch seinen Stellvertreter Salva Mayardit Kiir ersetzt werden.

Bis zu einem Referendum über die staatliche Unabhängigkeit 2001 genießt der Südsudan auf der Grundlage des CPA weit reichende Autonomie mit eigener Verfassung und eigener Regierung mit Salva Mayardit Kiir als Präsident an der Spitze.

Legislative

Die Volksvertretung des Sudan besteht aus zwei Kammern – Nationalversammlung (National Assembly) und Staatsrat (State Council) –, die gemäß dem Friedensabkommen von 2005 das aus nur einer Kammer bestehende alte Parlament ersetzt haben. Die 450 Mitglieder des neuen Parlaments sind nicht aus Wahlen hervorgegangen sondern von der Präsidentschaft ernannt worden, wobei 66 Prozent der Sitze für Abgeordnete aus dem Norden (davon 52 % Vertreter der NCP) und 34 Prozent für Abgeordnete aus dem Süden (davon 28 % Vertreter der SPLM) reserviert sind. Wahlen werden im CPA für 2008/09 in Aussicht gestellt. Der Staatsrat setzt sich aus jeweils zwei Repräsentanten der Gliedstaaten des Sudan zusammen.

Judikative

Das Rechtssystem des Sudan basiert ursprünglich auf englischem Recht. Im Zuge der Islamisierung wurde die Scharia eingeführt, die auf Beschluss des Revolutionären Kommandorates seit Januar 1991 Grundlage der Rechtsprechung im muslimisch dominierten Norden ist und dort für alle Bewohner gilt, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Höchste richterliche Instanzen sind der Verfassungsgerichtshof mit neun Richtern, der Nationale Oberste Gerichtshof und die Nationalen Appellationsgerichtshöfe. Das Rechtssystem im separatistischen Süden des Sudan ist noch in der Entwicklung begriffen.

Parteien

Die wichtigsten Parteien im Sudan sind die an der Regierung der Nationalen Einheit beteiligte National Congress Party (NCP), die aus der nordsudanesischen Nationalen Islamischen Front (National Islamic Front, NIF) hervorgegangen ist, der politische Arm der südsudanesischen Widerstandbewegung, Sudan People's Liberation Movement (SPLM), sowie die National Democratic Alliance (NDA), ein Bündnis aus Democratic Union Party (DUP) und Umma Party (UP).

Verwaltungsstruktur

Der Sudan untergliedert sich in 26 Staaten (wilayat), die jeweils über eigene Verwaltungsinstitutionen verfügen: Aali an Nil , Al Bahr al Ahmar, Al Buhayrat, Al Jazirah, Al Khartum, Al Qadarif, Al Wahdah, An Nil al Abyad, An Nil al Azraq, Ash Shamaliyah, Bahr al Jabal, Gharb al Istiwaiyah, Gharb Bahr al Ghazal , Gharb Darfur, Gharb Kurdufan, Janub Darfur, Janub Kurdufan, Junqali, Kassala, Nahr an Nil, Shamal Bahr al Ghazal, Shamal Darfur, Shamal Kurdufan, Sharq al Istiwaiyah, Sinnar und Warab.

Geschichte

Große Teile des heutigen Sudan (arabisch für „schwarz“) gehörten einst zur antiken Region Nubien, die ab dem 16. Jahrhundert v. Chr. abwechselnd von Ägyptern, Kuschiten, Äthiopiern und Arabern beherrscht wurde. Der Gegensatz zwischen der überwiegend hellerhäutigen Bevölkerung im Norden des Sudan und der negriden im Süden geht bis in nubische und altägyptische Zeit zurück, hängt aber auch mit der Islamisierung und Arabisierung der seit dem 6. Jahrhundert christlich-koptischn Reiche Donga und Soba zusammen, die sich zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert vollzog. Sie reichte jedoch nur bis zum großen Schilfmeer, das als natürliche geographische Grenze den negriden Süden, der Schwarzafrika zugewandt ist, vom muslimischen Norden schied.

Britisch-ägyptische Herrschaft und Mahdi-Aufstand

1821/22 eroberten Ägypter auf der Jagd nach Gold, Elfenbein und vor allem Sklaven das seit dem 16. Jahrhundert im Sudan bestehende Reich Sennar und machte es zur Kolonie. In den folgenden Jahrzehnten erweiterte Ägypten seinen Machtbereich bis es 1874/75 mit der Unterwerfung der Region Darfur seine Expansion abschloss. Geschwächt durch einen Staatsbankrott geriet Ägypten kurz darauf unter die Herrschaft der Briten, die den Sudan von eigenen Gouverneuren regieren ließen.

Gegen diese Fremdbestimmung erhob sich 1881 Mohammed Ahmed ibn Saijid Abd Allah, der sich selbst als der muslimische Heilsbringer „Mahdi“ verherrlichen ließ. Er rief den Heiligen Krieg aus, besiegte im November 1883 die britisch-ägyptischen Truppen, nahm im Januar 1885 Khartum ein und errichtete das Kalifat von Omdurman. Großbritannien entsandte eine Expeditionsarmee, der es aber erst am 2. September 1898 gelang, den Mahdi-Aufstand niederzuschlagen. Der Sudan wurde in ein britisch-ägyptisches Kondominium überführt, das wie eine Kolonie verwaltet wurde und bis zur Auflösung des Empires 1953 Bestand hatte. Im Süden des Landes war indessen der Einfluss des Islam durch christliche Missionare zurückgedrängt worden.

Unabhängigkeit und Sezessionskrieg 1956 – 1972

Schon im Vorfeld der staatlichen Unabhängigkeit des Sudan regten sich im Süden, in dem überwiegend christliche aber auch immer noch natureligiöse Stämme dunkelhäutiger Niloten (30 % der Gesamtbevölkerung) beheimatet sind, separatistische Bestrebungen gegen die drohende politische Dominanz des muslimischen Nordens, die sich nach der Staatsgründung, die am 1. Januar 1956 erfolgte, zur offenen Rebellion ausweiteten. Nach einem missglückten Aufstand flohen die führenden Sezessionisten ins Exil nach Uganda, wo sie die Sudan African National Union (SANU) gründeten, die zur politischen Speerspitze des Kampfes für einen unabhängigen Süden wurde. Gleichzeitig formierte sich 1962 die Guerillabewegung Anya-Nya (benannt nach einem Schlangengift), die sich teilweise unterstützt von Israel mit den nordsudanesischen Regierungstruppen einen fast zehn Jahre langen Partisanenkrieg lieferte, der schätzungsweise eine halbe Million Tote forderte.

1969 errichtete General Jaafar Mohammed an-Numeiri eine Militärdiktatur im Sudan, ließ sich 1971 formell zum Präsidenten wählen und beendete 1972 den Bürgerkrieg, indem er den drei südlichen Provinzen im Abkommen von Addis Abeba Autonomie versprach.

Sezessionskrieg 1984 – 2004

Doch der zunehmend radikaler werdende Islamisierungskurs, die ökonomische Benachteiligung und die systematische Verschleppung des Autonomieprozesses durch seine und die Regierungen danach sorgten dafür, dass der Süden nach über einem Jahrzehnt relativer Ruhe 1984 erneut zu den Waffen griff und der Bürgerkrieg wieder aufflammte. Er wurde auf Seiten des Südens nun hauptsächlich von der 1983 gegründeten Sudan People’s Liberation Army (SPLA) unter der Führung von John Garang de Mabior gegen die mit dem Regime in Karthum verbündete South Sudanese Defense Force (SSDF) geführt.

Dieser von Hungersnöten begleitete längste Bürgerkrieg Afrikas musste erst mehr als zwei Millionen Menschen das Leben kosten und über vier Millionen Menschen heimatlos machen, ehe es 2002 nicht zuletzt auf Betreiben der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) zu ernsthaften Verhandlungen kam. Diese mündeten in ein „Umfassendes Friedensabkommen“ (Comprehensive Peace Agreement, CPA), das im Januar 2005 in Naivasha (Kenia) unterzeichnet wurde. Die Einhaltung des Abkommens, das dem Süden bis zu einem Referendum über die staatliche Unabhängigkeit für die Dauer von sechs Jahren Autonomie und politische Teilhabe an der Zentralregierung garantiert, wird seit Frühjahr 2005 von einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Rahmen der United Nations Mission in Sudan (UNMIS) überwacht.

Das Friedensabkommen war nicht zuletzt deshalb möglich geworden, weil die Regierung in Karthum die Entspannung im Verhältnis zu den Nachbarn Ägypten und Libyen sowie zu den europäischen Staaten und den USA nicht aufs Spiel setzen wollte, die sich seit ihrer religiösen Mäßigung in der Politik und seit der Aufnahme von Erdölexporten im April 2000 Bahn gebrochen hatte. Allzu lange war der Sudan wegen der Unterstützung des Iraks im Golfkrieg 1991 in der arabischen Welt weitgehend isoliert gewesen und international u. a. wegen der Beherbergung des Terroristen Osama bin Laden als Schurkenstaat am Pranger gestanden.

Darfur-Konflikt 2003 – 2006

Außerdem hatte die Regierung im Westen an der Grenze zum Niger, Tschad und zur Zentralafrikanischen Republik eine neue Krise zu meistern. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit war Anfang 2003 ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt mit den drei Bundesstaaten der Region Darfur („Heimat der Fur“), die ethnisch nicht zum „arabischen Sudan“ sondern zum islamischen Westafrika („Sudan-Afrika“) gehört, zu blutigen Auseinandersetzungen eskaliert. Darfur wurde wie die Randregionen im Süden und im Nordosten (Beja) seit Bestehen des unabhängigen Sudan von der Zentralregierung vernachlässigt oder ausgebeutet, seine schwarzafrikanischen Bevölkerungen durch die Arabisierung und Islamisierung diskriminiert. Hinzu kam der Streit zwischen nomadisierenden arabischen Hirten aus dem Norden und den sesshaften schwarzafrikanischen Ackerbauern um die immer knapper werdenden Wasserressourcen, Weide- und Ackerbauflächen.

Vor diesem Hintergrund formierten sich in Darfur eine Sudan Liberation Army (SLA) und ein Justice and Equality Movement (JEM), die gewaltsam gegen ihre Benachteiligung ankämpfen wollten. Dabei bekamen sie es mit den Janjaweed (arabisch für „Diabolische Reiter“) zu tun, die im Dienste der Regierung standen. Der Feldzug dieser menschenverachtenden arabischen Reitermilizen gegen die Rebellen artete immer mehr zum grausamen Terror gegen die schwarzafrikanische Zivilbevölkerung und zum gezielten Genozid gegen Stammesangehörige der Fur, Zaghawa und Masalit aus. Hier wurden aus einem rassistischen Überlegenheitsdünkel, der in der Tradition der arabischen Sklavenhalter steht, schwarze Muslime von weißen Muslimen abgeschlachtet, obwohl dies der Koran verbietet. Erst als Flüchtlinge zu Hunderttausenden die Grenzen zum Tschad stürmten, konnte die Regierung die verheerende humanitäre Katastrophe in Darfur nicht mehr kaschieren.

Friedensprozess seit 2006

Nach einer Flut fruchtloser Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden sorgte erst massiver Druck von Seiten der Afrikanischen Union (AU), der USA und der EU im Mai 2006 für ein Friedensabkommen (Darfur Peace Agreement, DPA). Es sichert der Region Darfur ein höheres Maß an politischer Mitbestimmung und einen größeren Anteil an den Reichtümern des gesamten Landes zu. Ferner verpflichtet es die Regierung zur Entwaffnung der Janjaweed, die jedoch inzwischen völlig außer Kontrolle geraten zu sein schienen. Rebellen, die sich dem DPA verweigerten, haben sich mittlerweile in einer so genannten National Redemption Front (NRF) neu formiert, um den Kampf gegen die Zentralregierung fortzusetzen.

Gegen den Willen der Regierung in Karthum wurde eine Friedenstruppe der African Union Mission in Sudan (AMIS) auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates zum 31. Dezember 2006 mit der im Südsudan aktiven UNMIS zusammengefasst und mit einem Mandat für Darfur ausgestattet. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen waren seit Ausbruch des Konflikts in Darfur etwa 300 000 Menschen ums Leben gekommen, mindestens 70 000 davon durch Gewalttaten der Janjaweed-Milizen, die übrigen durch Hunger und Krankheiten.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)