Tobinsteuer

(englisch
Tobin Tax)

Von dem US-Ökonomen James Tobin angeregte Umsatzsteuer auf alle Geldwechselgeschäfte an den internationalen Devisenmärkten, um damit destabilisierende Spekulationsgeschäfte einzudämmen und Währungskrisen vorzubeugen.

Die Idee ist mehr als 30 Jahre alt und stammt aus der Zeit vor dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems (siehe Konferenz von Bretton Woods). 1972 schlug Tobin vor, durch eine geringe Besteuerung sämtlicher Devisentausche (0,01 bis 0,5 Prozent auf An- wie Verkäufe) dafür zu sorgen, dass kurzfristige Währungsgeschäfte unrentabel werden, langfristige jedoch attraktiv bleiben. Obwohl ein Verfechter freier Marktwirtschaft, ging es Tobin darum, die Wahrscheinlichkeit internationaler Finanz- und Währungskrisen einzudämmen, Kapitalströme zu „entschleunigen”, Währungen zu stabilisieren und die stark eingeschränkte geldpolitische Autonomie der Notenbanken zu stärken.

Hintergrund ist die Tatsache, dass die weltweit lukrativste Handelsware nach wie vor das Geld ist. Tagtäglich werden weltweit Währungsgeschäfte im Wert von 1,5 Billionen US-Dollar getätigt, das ist das 40fache der täglichen Gütertransaktionen. Rund 80 Prozent davon sind Spekulationsgeschäfte mit Laufzeiten unter einer Woche, bei denen aus kleinsten Kursdifferenzen an verschiedenen Orten Profit geschlagen wird. Zur Gewinnmaximierung kommt es dabei regelmäßig zu konzertierten „spekulativen Attacken” auf einzelne Währungen mit zum Teil verheerenden Folgen für die betroffenen Volkswirtschaften. Dies ist einer der Gründe, warum auch Globalisierungskritiker mit der Tobinsteuer sympathisieren. Ebenso verlockend ist jedoch die Aussicht auf Steuereinnahmen in bis zu dreistelliger Milliardenhöhe, die etwa in der Entwicklungshilfe gut eingesetzt werden könnten. Daher befürworten Entwicklungshilfeorganisationen wie Globalisierungskritiker nachdrücklich die Tobinsteuer. Doch im Gegensatz zu ihrem Erfinder, dem es ausschließlich um die Bändigung der unberechenbaren permanenten Wechselkurs- und Kapitalbewegungen ging, betrachten sie die Tobinsteuer als probates Mittel zur Kontrolle der Finanzmärkte und als willkommene Geldeinnahmequelle für die weltweite Armutsbekämpfung.

Von Wirtschaftswissenschaftlern wird die Tobinsteuer fast einhellig mit Skepsis betrachtet. Abgesehen davon, dass sie sich kaum weltweit durchsetzen ließe und damit eine Abwanderung von Kapital in Steuerparadiese in Gang setzen würde, befürchten sie unkalkulierbare Nebenwirkungen, etwa Beeinträchtigungen des Warenverkehrs oder einen erschwerten Zugang zu Kapitalquellen, was gerade Entwicklungsländer besonders hart treffen würde. Manche erwarten sogar eine Verschärfung der Kursschwankungen, da sich infolge reduzierter Devisenumsätze einzelne Transaktionen viel stärker auswirken würden. Politisch links gerichtete Ökonomen verdammen die Tobinsteuer ohnehin als weitere Illusion, die globalen kapitalistischen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse demokratisieren zu können.

Dennoch hat die Tobinsteuer viele Befürworter. Im Rahmen einer europaweiten Kampagne von 50 Nichtregierungsorganisationen, die in Deutschland von attac und Weed organisiert wurde, gelobten Europaparlamentarier fast aller Fraktionen, sich für eine Devisenumsatzsteuer stark zu machen. Am 1. Juli 2004 sprach sich das belgische Parlament parteiübergreifend für eine europaweite Einführung aus; in Frankreich war ein entsprechender Beschluss bereits im November 2001 gefasst worden. Ausschlaggebend war die Weiterentwicklung der Tobinsteuer durch den deutschen Ökonomen Paul-Bernd Spahn, der ihre Umsetzung in der Europäischen Union für machbar und sinnvoll erachtete. Spahn hält allerdings eine Ergänzung ihres Instrumentariums durch eine höhere Zusatzsteuer (Spahn-Steuer) für erforderlich, da „spekulative Attacken” derart gewinnträchtig sind, dass sie sich trotz Tobinsteuer immer noch lohnen würden.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)