Umweltpolitik

Politisches Handeln, das darauf abzielt, die natürliche Umwelt als Ressource des Lebens zu erhalten und zu schützen.

Umweltpolitische Vorschriften und Maßnahmen im weitesten Sinne wie Jagdschonzeiten, Brachejahre, Kanalisation, Hygiene, Müllabfuhr gibt es schon seit Jahrhunderten. Systematisch betrieben wird Natur- und Umweltschutz aber erst seit dem 20. Jahrhundert. Vorreiter waren die USA, wo Medienberichte über die schleichende Verseuchung der Natur durch Chemikalien Anfang der sechziger Jahre massenhaft Bürgerinitiativen auf den Plan riefen und traditionelle Naturfreundevereine wie den Sierra Club und die National Audubon Society zu mächtigen Umweltorganisationen anwachsen ließen, die industrielle Umweltverschmutzer mit Prozessen überzogen. Die 1970 geschaffene Environmental Protection Agency (EPA) war die erste nationale Umweltbehörde der Welt. Mit dem Clean Air Act (1970) und dem Clean Water Act (1972), die eine Flut von rund 13 000 Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften nach sich zogen, wurden die ersten umfassenden Naturschutzgesetze verabschiedet,.

In Europa begann sich die Umweltpolitik als eigenständiges Politikfeld erst herauszubilden, seit es zu Beginn der siebziger Jahre unübersehbar wurde, dass die Menschheit aufgrund Fahrlässigkeit im Umgang mit der Natur auf eine Krise von möglicherweise globalem Ausmaß zusteuert. Mit dazu bei trugen alarmierende Berichte wie Die Grenzen des Wachstums von 1972, in dem der Club of Rome wissenschaftlich akribisch die ökonomisch wie ökologisch mangelnde Zukunftsfähigkeit eines auf dem permanent wachsenden Verbrauch natürlicher Ressourcen beruhenden (WelWirtschaftsmodells deutlich machte.

Umweltinnenpolitik

Abgesehen von einem Gesetz zur Luftreinhaltung in den Industrie- und Kohlerevieren an Rhein und Ruhr in den Fünfzigerjahren datieren die ersten umweltpolitischen Ansätze in Deutschland in die Zeit der sozialliberalen Regierungskoalition. Diese legte ein Sofortprogramm zum Umweltschutz (1970) und ein Umweltprogramm (1971) auf, in dem die bis heute gültigen Prinzipien der deutschen Umweltpolitik (Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip, Kooperationsprinzip) formuliert wurden. Trotz Rückschlägen in den Reformbestrebungen infolge der Ölpreiskrisen zogen diese in den Folgejahren weit über 100 Gesetze und Verordnungen zum Umweltschutz nach sich, darunter so bedeutende wie das Abfallbeseitigungsgesetz (1972), Bundes-Immissionsschutzgesetz (1974), Wasserhaushalts- und Wasserabgabengesetz (1976) sowie das Bundesnaturschutzgesetz (1976).

Dass die Umweltzerstörung ins öffentliche Bewusstsein vordrang, war in erster Linie der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen zu verdanken, die für eine ökologische Sensibilisierung der Bürger sorgten. Die aus der Anti-Atomkraftbewegung hervorgegangene Bürgerinitiativbewegung wandelte sich ab Mitte der siebziger Jahre zu einer umfassenden Ökologiebewegung, die zum Motor der staatlichen Umweltpolitik in Deutschland wurde. Sie brachte die Partei der Grünen hervor, die den Umweltgedanken in die Länderparlamente und 1983 auch in den Bundestag hineintrug und die etablierten Parteien insbesondere die regierende christlich-liberale Koalition zu einer umweltpolitischen Akzentuierung ihrer Parteiprogramme zwangen, was sich in der Folge in drastischen Verschärfungen bestehender Umweltschutzgesetze niederschlug.

Zu einem Politikum allerersten Ranges (nicht nur in Deutschland) wurde die Umweltpolitik unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Das dilettantische Krisenmanagement des bis dato für die Umweltpolitik mitverantwortlichen Bundesministeriums des Inneren führte 1986 zur Bündelung und organisatorischen Konsolidierung der Kompetenzen in einem eigenen Ressort, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Ausgestaltung und Vollzug der Rahmenvorschriften des Bundes ist jedoch überwiegend Sache der Bundesländer und Kommunen geblieben, wo sich seit 1982 ein flächendeckendes Netz von Umweltministerien und Naturschutzbehörden etabliert hat. Die Bundesländer ihrerseits nehmen über Bundesrat, Umweltministerkonferenz, Facharbeitsgemeinschaften-Bund/Länder sowie Expertengremien wie den Sachverständigenrat für Umweltfragen auf den umweltpolitischen Normbildungsprozess im Bund Einfluss. Zu den verfassungsmäßig garantierten umweltpolitischen Kompetenzen der Kommunen gehören die Bereiche Wasser- und Energieversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung sowie alle umweltrelevanten Maßnahmen in der Verkehrs- und Bauleitplanung.

In der Amtszeit von Umweltminister Klaus Töpfer (1987-1994) setzte die Bundesrepublik Deutschland mit Vorschriften und Maßnahmen zu Luftreinhaltung, Kreislaufwirtschaft und Abfallrecycling Maßstäbe und übernahm eine umweltpolitische Vorreiterrolle in Europa. Nach einer Phase der Stagnation und Degression im Gefolge der wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitischen Probleme nach der deutschen Wiedervereinigung setzte erst die rot-grüne Bundesregierung (1998-2005) wieder neue Zeichen in der Umweltpolitik, u. a. durch den Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie, die ökologische Steuerreform, die Einführung einer formellen Nachhaltigkeitsstrategie, die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, das zweite Klimaschutzprogramm sowie eine stärkere Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Energie-, Verkehrs-, Bau- und insbesondere der Agrarpolitik.

Umweltaußenpolitik

Die grenzüberschreitenden Dimensionen der Umweltzerstörung, die sozioökonomischen ökologischen und -politischen Kausalitäten und Verflechtungen, die Vielzahl der politischen Akteure und widersprüchlichen Interessen sowie die unterschiedlich ausgeprägten materiellen und technischen Handlungspotentiale führten schon bald zur Einsicht in die Notwendigkeit einer internationalen Koordination der Umweltpolitik.

Den Auftakt dazu bildete die United Nations Conference on the Human Environment (UNCHE) in Stockholm 1972, die trotz eines scharfen Interessengegensatzes zwischen Nord und Süd als Erfolg gewertet wird. Zum einen weil ein Aktionsplan aufgestellt wurde, der zusammen mit der Abschlusserklärung in vielen Staaten als Grundlage einer nationalen Umweltgesetzgebung diente. Zum anderen wegen der Gründung des United Nations Environment Programme (UNEP) als eigener Umweltinstitution der Vereinten Nationen.

Welchen Stellenwert die Umweltpolitik inzwischen weltweit erlangt hatte, zeigte sich zwei Jahrzehnte später. Ganze 175 Staaten und 1400 Nichtregierungsorganisationen beteiligten sich 1992 an der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) in Rio de Janeiro. Vorbereitet wurde diese zweite wichtige Weltkonferenz durch die Arbeit und den Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung („Brundtland-Bericht) von 1987, der das globale Ausmaß der Umweltzerstörung und der damit einhergehenden sozialen Verelendung aufzeigte und das Konzept des Sustainable Development (Nachhaltige Entwicklung) in die internationale Diskussion einführte.

Der Erfolg der Konferenz verdankt sich der Deklaration von Rio, der Wald-Erklärung und der Agenda 21 sowie den beiden völkerrechtlich verbindlichen Konventionen: der Klimarahmenkonvention und der Biodiversitätskonvention.

Der „Geist von Rio erwies sich als wegweisend für alle internationalen Umweltvereinbarungen. Indem er den Norden als Hauptverursacher der Umweltzerstörung dingfest machte und dem Süden wirtschaftliche Wachstumsspielräume im Umgang mit der Natur zubilligte, begründete er das „Prinzip der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung.

Inzwischen sind für fast alle global relevanten Bereiche Verhaltensregeln aufgestellt worden, an die sich jedoch nicht alle Staaten halten, weil geeignete Instrumente der Rechtsdurchsetzung fehlen. Die Grenzen der internationalen Kooperation in Sachen Umweltschutz wurden aber auf den folgenden Weltklimakonferenzen deutlich, z. B. an der Weigerung der Vereinigten Staaten von Amerika, sich an die vereinbarten Ziele zum Klimaschutz zu halten. Als Hemmnis erweisen sich regelmäßig kurzfristige ökonomische und politische Interessen vereinzelter Industrieländer, die als Bremser der globalen Umweltpolitik auftreten und damit auch einige Entwicklungsländer zu einer Verweigerungshaltung animieren. So vertagten auch auf dem Klimagipfel 2006 Teilnehmer aus 189 Staaten konkrete Beschlüsse für ein weiteres Vorgehen nach Ablauf der Kyoto-Vereinbarung im Jahr 2012 (siehe internationale Umweltschutzabkommen).

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)