Ursprüngliche Akkumulation
(lateinisch accumulare: anhäufen)

Im Marxismus der historische Ausgangspunkt der kapitalistischen Anhäufung von Privateigentum; sie soll sich im Feudalismus durch eine gewaltsame Enteignung der selbst versorgenden Bauern vollzogen haben, die von diesem Zeitpunkt an gezwungenermaßen ein Leben als konsumabhängige Lohnarbeiter fristen mussten.

Die These einer ursprünglichen Akkumulation taucht erstmals im Hauptwerk von Karl Marx, Das Kapital (1867-1894), in den letzten Kapiteln des ersten Bandes auf. Den Beginn der ursprünglichen Akkumulation datiert Marx ins 15. Jahrhundert, als die Feudalherren infolge der Feudalkriege und des damit verbundenen Finanzbedarfes die Bauern der Gemeinschaftsgüter beraubt hätten. Diese ursprüngliche Akkumulation spielt Marx zufolge „in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie”. Die Scheidung der Produzenten von den Produktionsmitteln sowie die Überführung der Letzteren in Privateigentum markierte das Ende der Subsistenzwirtschaft, legte den Grundstein für die Kapitalakkumulation und sorgte damit für die Entstehung zweier Klassen: die der Kapitalisten als Eigentümer des Sachkapitals (Fabriken, Maschinen etc.) und die der städtischen Proletarier, deren einziger Besitz ihre Arbeitskraft sei. Die Kapitalisten beuteten die Proletarier aus, indem sie ihnen höchstens existenzerhaltende Löhne zahlten und die Differenz zwischen den gezahlten Löhnen und den erzielten Preisen als Gewinn (siehe Mehrwert) behielten. Als Momente der ursprünglichen Akkumulation nennt Marx ferner das Kolonialsystem, also die Aneignung von Grund und Bodenschätzen und die damit einhergehende Versklavung der Völker fremder Länder, des Weiteren – nicht näher erläutert – das Staatsschuldensystem, das moderne Steuersystem und das Protektionssystem.

Der Marxismus-Leninismus betrachtet die ursprüngliche Akkumulation als historisch abgeschlossenen Prozess zur Durchsetzung des Kapitalismus. Andere marxistisch inspirierte Ideologien gehen von der Permanenz oder Wiederkehr der ursprünglichen Akkumulation aus, etwa in der wirtschaftlichen Vereinnahmung der Dritten Welt durch die Industriestaaten, im Zwang der Arbeitnehmer zur Anpassung an die produktionstechnisch bedingten laufenden Veränderungen in der Arbeitswelt und nicht zuletzt in der Aneignung von Verfügungsrechten auf gemeinschaftliche Ressourcen (z. B. durch private Eigentumstitel und Patente in der Informationstechnologie, Biotechnologie etc.).

Verfasst von:
Roland Detsch

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