Verstaatlichung

auch Vergesellschaftung (Sozialisierung)
oder Nationalisierung

Überführung privaten Eigentums insbesondere an Produktionsmitteln, Grund und Boden sowie Naturschätzen in staatlich kontrolliertes Gemeineigentum.

Die Notwendigkeit einer Zwangsenteignung des produktiven Privateigentums der Kapitalisten als Grundlage einer gemeinwohlorientierten Staatswirtschaft gehört zu den zentralen Forderungen der sich auf den Marxismus berufenden Ideologen des Kommunismus. Beim Aufbau nahezu aller real existierender sozialistischer Systeme der jüngeren Geschichte wurden infolgedessen Verstaatlichungen zur Schaffung von zentral oder kollektiv bewirtschaftetem „Volkseigentum“ allerhöchste Priorität beigemessen – freilich nicht zuletzt um sich die Gefolgschaft der mittellosen Massen zu sichern.

In freiheitlichen und insbesondere in marktwirtschaftlich orientierten politischen Systemen stellen Verstaatlichungen die Ausnahme dar. Als vertretbare Gründe für Eingriffe der öffentlichen Hand in das geschützte Privatvermögen lassen sich hier allenfalls die Beseitigung außergewöhnlicher Belastungen für die Allgemeinheit (Abwendung von Firmenkonkursen, Verhinderung gemeinwohlschädlicher privater Monopolstellungen etc.), die Sicherung lebenswichtiger Ressourcen und Schlüsselindustrien (Rohstoffe und rohstoffverarbeitende Betriebe etc.) sowie die Notwendigkeit zur Schaffung und Aufrechterhaltung funktionsfähiger und erschwinglicher Infrastrukturen (Verkehrs- und Versorgungsbetriebe etc.) geltend machen.

Verstaatlichungen legaler Art zeichnen sich grundsätzlich aus durch eine sorgfältige Abwägung von Privat- und Allgemeininteresse, angemessene Entschädigungen für die Betroffenen sowie einer verbrieften Möglichkeit zum Beschreiten des Rechtsweges. So macht beispielsweise das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in den Artikeln 14 und 15 grundsätzlich Enteignungen und Vergesellschaftungen zum Wohle der Allgemeinheit per Gesetz zwar möglich, jedoch nur gegen eine adäquate Entschädigung. Besondere Brisanz erlangte das Thema Verstaatlichungen nach der deutschen Wiedervereinigung. Nach sorgfältiger juristischer Abwägung wurden die unter sowjetischer Besatzung erfolgten Enteignungen zwischen 1945 und 1949 für unumkehrbar erklärt; den Betroffenen jedoch wurde grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt.

Verfasst von:
Roland Detsch

(© cpw)