
Manifest der Vernunft
Klimawandel fordert
Paradigmenwechsel in Architektur und Planung
Von
Roland
Detsch
Ob
Sonnenhitze, Starkregen oder Stürme – es sind vor allem Bauwerke,
die das Wetter auf die Probe stellt, wenn es einmal wieder Kapriolen
schlägt. Die Auswirkungen des Klimawandels gehören insofern
sicherlich zu den größten Herausforderungen des Bauwesens. Aber vor
allem den Architekten in Deutschland fällt das Umdenken noch immer
nicht leicht.
Stickige Luft,
überflutete Straßen, abgedeckte Dächer – vor allem der dicht bebaute
urbane Siedlungsraum erweist sich immer wieder besonders anfällig
gegen außergewöhnliche Witterungsereignisse.
Derweil sind sich die Klimaforscher einig: Was
heute noch als Wetterextrem empfunden wird, wird bald Normalität
sein.
Prognosen deuten
darauf hin, dass sich Raumplaner und Städtebauer in Ostdeutschland,
dem norddeutschen Tiefland sowie im Becken und der Hügellandschaft
Südostdeutschlands künftig auf mehr Trockenheit einstellen müssen,
während sie es in den Regionen der rechts- und linksrheinischen
Mittelgebirge mit höheren Niederschlägen zu tun bekommen werden. Die
Menschen im Oberrheingraben werden häufiger unter Hitzwellen stöhnen
und von Hochwasserkatastrophen heimgesucht. Was aufgrund des
steigenden Meeresspiegels auch für die Küstenbewohner gilt, denen
obendrein immer öfter orkanartige Stürme ins Haus stehen.
Gletscherschmelze und auftauender Permafrost in den Gipfelregionen
der Alpen werden dort wiederum mehr Lawinen, Steinschläge, Muren und
Überschwemmungen auslösen.
Unabsehbare Folgen
Welche Anforderungen Extremwetterlagen auf
urbane Infrastruktureinrichtungen wie Straßen, Abwasserkanäle,
Brücken oder Deiche stellen, liegt einigermaßen auf der Hand. Was
dagegen feuchtere Winter und heißere Sommer langfristig für Bauten
bedeuten, lässt sich offenbar weniger abschätzen. Forderungen, die
Normen für Bauplanung, -technik und -ausführung an den Klimawandel
anzupassen, sind leichter gesagt als getan. Zumal sie sich bisher
für gewöhnlich an Beobachtungsdaten aus der Vergangenheit orientiert
haben, Gebäude und Infrastruktureinrichtungen aber auf teils
Hunderte Jahre angelegt sind.
Um Engagement zu zeigen, hat sich die Politik
unterdessen auf Forschung und Förderung verlegt. Mit dem Programm
klimazwei unterstützt das Bundesforschungsministerium Projekte
zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zur Entwicklung von
Maßnahmen und Handlungshilfen zur Anpassung an den Klimawandel. Das
75 Millionen Euro schwere Förderprogramm Klimawandel in Regionen
zukunftsfähig gestalten (KLIMZUG) soll Kommunen und
Planungsbehörden bis 2013 fit für die zu erwartenden
Extremwetterlagen machen. Dabei zielt das Regionale
Klimaanpassungsprogramm für die Modellregion Dresden (REGKLAM) auf
die Erarbeitung von Strategien zu Klimaanpassung städtebaulicher
Strukturen ab.
Gebäude als Klimakiller
Dabei gehören zu den größten Klimakillern
neben Verkehr und Industrie die Gebäude selbst. So gehen allein in
Deutschland schätzungsweise 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs
auf ihr Konto. Um das Ziel des UN-Klimarats, die
Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 80 Prozent zu senken, auch
nur annähernd erreichen zu können, wird von Experten ein
baukultureller Paradigmenwechsel für unumgänglich gehalten. Vorbei
sind die Zeiten in denen es sich die Baukünstler erlauben konnten,
allein der Ästhetik zu frönen. Obwohl Deutschland in puncto
Umwelttechnologie führend ist, gehören umweltgerechtes Bauen und
energieeffziente Haustechnologie nicht gerade zu den
Königsdisziplinen in der Architekturausbildung. Während der Markt
unter einer Architektenschwemme ächzt, fristet die Öko-Architektur
noch immer ein Nischendasein und bleiben zukunftsträchtige
Marktlücken ungenutzt. So ist etwa das nationale Großprojekt zur
Modernisierung und Sanierung von Altbauten hauptsächlich die Sache
von Technikern, Handwerkern und Produzenten geblieben und hat
bislang weitgehend ohne die Beteiligung von Architekten
stattgefunden.
Doch es gibt auch Ausnahmen. Allen voran der
Stuttgarter Stararchitekt Werner Sobek, der mit seinen
futuristischen Bauten den eindrucksvollen Beweis antritt, dass
Ökogebäude nicht aus Lehm bestehen müssen. Aufsehen erregende
Akzente weiß auch immer wieder der Münchner Architekt Thomas Herzog
zu setzen, der in den Achtzigerjahren zu den Solarhaus-Pionieren
gehörte. Ein weiterer Avantgardisten des nachhaltigen Bauens ist der
selbst ernannte „SolarArchitekt“ Rolf Disch aus Freiburg. Seine
Baukunst steht für die Verbindung von Funktion, Ökologie und
Ästhetik.
Deklaration unterzeichnet
Dischs Spezialität sind Plusenergiebauten, die
im Unterschied zu konventionellen und selbst zu Niedrigenergie- und
Passivhäusern eine positive Energiebilanz vorweisen können. Das
heißt, dass sie mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Hausdach und
Fassade dienen als eine Art Solarkraftwerk, das sauberen Strom
produziert, dessen Überschuss ins öffentliche Netz eingespeist wird.
Im Baukastensystem angeboten, erlauben Plusenegiehäuser ein
Höchstmaß an gestalterischer Freiheit. Einen Glanzpunkt setzte Disch
mit seinem Heliotrop in Modulbauweise. Das im Gleichschritt mit der
Sonne drehbare Wohn- und Geschäftshaus, dessen Prototyp seit 15
Jahren in Freiburg steht, scheint einem Science Fiction entsprungen.
Zu den führenden Exponenten nachhaltiger
Baukunst gehört auch der weltweit operierende Architekt Stefan
Behnisch aus Stuttgart. Zu den Vorzeigeprojekten der Behnisch
Architekten gehört der im Bau befindliche Marco-Polo-Tower in
der Hamburger Hafen-City, eine 16geschossige Gebäudeskulptur, die 58
Luxuswohnungen beherbergen soll. Das „ungewöhnlichste Wohnhaus“ der
Hansestadt basiert auf einem ausgetüftelten Konzept für ein
ökologisches Niedrigenergie-Hochhaus. Stefan Behnisch gehört auch zu
den Erstunterzeichnern der Deklaration Vernunft für die Welt,
die am 27. März 2009 Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee überreicht
wurde. „Mit diesem Manifest bekennen wir uns als Architekten,
Ingenieure und Stadtplaner ausdrücklich zur besonderen Verantwortung
unserer Profession: Mit nachhaltiger Architektur und
Ingenieurbaukunst können und wollen wir einen entscheidenden
Baustein zum notwendigen Wandel in der Nutzung unserer natürlichen
Ressourcen liefern“, heißt es in der Präambel.
Links:
Programm klimazwei -
Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen
Regionales Klimaanpassungsprogramm (REGKLAM)
Manifest der „Vernunft
für die Welt“
Werner Sobek Engeneering &
Design
Architekturbüro Rolf Disch
Herzog + Partner
Behnisch Architekten
Dieser
Artikel oder eine Version erschien erstmalig auf der Website des
Goethe-Instituts e.V. unter www.goethe.de...>>weiter
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