Der Beitrag wurde im Auftrag des
Goethe-Instituts verfasst, doch wegen zu viel Polemik für das sensible
deutsch-polnische Verhältnis nicht veröffentlicht.
Dreigestirn
mit zu wenig Strahlkraft
Zum
20. Jubiläum des
„Weimarer Dreiecks“
Von
Roland
Detsch
Es sollte eine Brücke zu den
östlichen Reformstaaten schlagen und Polen schneller den Weg in den
Westen ebnen. Doch statt
nach
dessen EU-Beitritt 2004 die eingefahrene Achse Paris-Berlin
planmäßig zu verstärken, ist Warschau über weite Strecken das dritte
Rad am Wagen des „Weimarer Dreiecks“ geblieben. Ende August 2011
feierte die trilaterale Partnerschaft ihren 20. Geburtstag.
Die Staatsregierung von
Thüringen hatte sich alle Mühe gegeben, dem denkwürdigen Ereignis
mit einem Jubiläumsfestakt im Weimarer Nationaltheater samt
Rahmenprogramm ein wenig Glanz zu verleihen.
Doch abgesehen davon, dass der Besucherandrang trotz Einladung an
die gesamte Bevölkerung und freien Eintritts überschaubar blieb,
wurden mit Ausnahme von Diplomaten und einiger, wenn auch
hochrangiger Ruheständler – darunter als Ehrengäste die Gründerväter
Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Roland Dumas sowie in
Vertretung des inzwischen verstorbenen Krzysztof Skubiszewski der
frühere polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki – bei den
zentralen Feierlichkeiten keine aktiven Regierungsmitglieder aus den
drei Partnerländern gesichtet.
Eingeschlafene Beziehung
Ein Umstand, der trotz aller
schönen Sonntagsreden zum Festakt über die angebliche Erfolgsbilanz
und den exemplarischen Charakter der trinationalen Partnerschaft
mindestens ebenso viel über den Zustand des „Weimarer Dreiecks“
aussagte wie seine ungepflegte und völlig veraltete Webseite, die
bis heute eine Version in polnischer Sprache missen lässt. Immerhin
ist es wohl dem Jubiläum zu verdanken, dass 2011 überhaupt wieder
ein wenig mehr Leben in die eingeschlafenen Beziehungen des Trios
gekommen ist. So trafen sich am 7. Februar erstmals seit über einer
halben Dekade die Staats- und Regierungschefs zu einer gemeinsamen
Arbeitssitzung im Warschauer Schloss Wilanów, der insgesamt achten
auf höchster Ebene seit das „Weimarer Dreieck“ 1998 offiziell zur
Chefsache erklärt wurde.
Etwas reger gestaltet sich der
informelle Austausch auf Ebene der Außenminister, die kurz darauf,
am 20. Mai, immerhin zum 16. Mal konferierten, seit Genscher & Co.
am 28./29. August 1991 ihre Idee einer dauerhaften
deutsch-französisch-polnischen Kooperation in einer „Gemeinsamen
Erklärung zur Zukunft Europas“ besiegelten. Zu ihrer Förderung wurde
2002 ein Komitee eingerichtet, nach dem Ort der Gründung „Weimarer
Dreieck“ benannt. Obwohl die Aufgabe des Bündnisses, das als
außenpolitisches Konsultationsforum konzipiert ist, mit dem Beitritt
Polens zur NATO und der EU 2004 bereits erfüllt schien, wurde es
beibehalten. Doch wie vor allem an den unregelmäßigen Gipfeltreffen
ersichtlich, geriet es bald zum Spielball nationaler Be- und
persönlicher Empfindlichkeiten. Dies reichte von den Differenzen
über die Unterstützung des Irak-Kriegs, die Interessengegensätze
hinsichtlich des künftigen Abstimmungsverfahrens im Vertrag von
Lissabon, den Streit um die Ostseepipeline bis hin zu gegenseitigen
Animositäten, von denen die Beziehungen vor allem während der
nationalistischen Kaczyński-Ära in Polen geprägt waren.
Unterschiedliche
Zukunftsvorstellungen
Nicht umsonst führte deshalb
der erste Weg von Guido Westerwelle nach seinem Amtsantritt als
Bundesaußenminister nach Polen, wo er sich ausdrücklich für eine
Wiederbelebung des „Weimarer Dreiecks“ stark machte, da er d ie
Freundschaft der Länder nicht nur gut für Deutschland und Polen
sondern auch wichtig für Europa erachtet. Eine Einschätzung, die er
im Mai bekräftigte. Es sei einer der größten Erfolge auf dem
gemeinsamem Weg, dass Polen seinerzeit der EU beigetreten sei.
„Damit ist die Aufgabe des ‚Weimarer Dreiecks‘ – wie man heute sieht
– nicht erledigt.“ Vielmehr wolle man die Arbeit in diesem Format
fortsetzen und intensivieren, sagte Westerwelle nach dem Treffen mit
seinen beiden Amtskollegen.
Doch die Vorstellungen über
die künftige Rolle der wiederbelebten Trilaterale muten höchst
unterschiedlich an. Nach dem gerade einmal fünfzigminütigen Gespräch
auf Schloss Wilanów, bei dem es auch um die Vorbereitung der
erstmaligen EU-Präsidentschaft Warschaus ging, äußerten
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Staatspräsidenten Nicolas
Sarkozy und Bronisław Komorowski den Willen, noch enger
zusammenzuarbeiten. Namentlich im Bereich der Jugendarbeit, aber
auch bei der Diplomatenausbildung und in der Osteuropapolitik, wobei
nach den Vorstellungen der polnischen Seite von Fall zu Fall auch
Russland zu den Konsultationen hinzugezogen werden solle. Darüber
hinaus wurde ein gemeinsames Fernsehprogramm im Rahmen des bislang
deutsch-französischen TV-Senders ARTE ins Auge gefasst.
Regional versus
international
Thüringens Ministerpräsidentin
Christine Lieberknecht verlieh dagegen bei ihrer Festrede zum
20jährigen Bestehen ihrem Wunsch einer Erneuerung hin zu mehr
Bürgernähe Ausdruck: „Bringen wir in diesen trilateralen
Zusammenschluss neuen Schwung! Erfüllen wir das ‚Weimarer Dreieck‘
auf regionaler Ebene, auf der Ebene der Zivilgesellschaft, der
Menschen in den Partnerregionen mit Leben! Entwickeln wir dieses
Freundschaftsbündnis zum ‚Weimarer Dreieck von unten‘, zum ‚Dreieck
der Regionen‘ weiter.“ In das selbe Horn blies Dieter Hackmann,
Vorsitzender eines gleichnamigen Vereins, der 2010 sozusagen als
Vorhut dieses Kurses aus der Taufe gehoben wurde und der
Gründervater Genscher anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten zum
Ehrenmitglied erhob.
Deutlich ambitionierter fallen demgegenüber die Visionen von
Experten aus. Etwa von Daniela Schwarzer und Kai-Olaf Lang von der
Stiftung Wissenschaft und Politik, die ihren Gastbeitrag für DIE
ZEIT mit dem Titel „Das Weimarer Dreieck – mehr Schein als Sein“ mit
den Worten schließen: „Als Dreigestirn am derzeit eher düsteren
Himmel über Europa könnten die drei Regierungen
strategisch-langfristige Co-Führung in der EU übernehmen und
relevante Ziele und Visionen skizzieren – in Zeiten, in denen die EU
auf der Suche nach einem neuen Narrativ die Herausforderungen durch
globale Gewichtsverschiebungen verpasst. Im Bereich der Sicherheits-
und Verteidigungspolitik könnte ein französisch-deutsch-polnischer
Sicherheitstrilog über langfristige Herausforderungen der
europäischen und transatlantischen Sicherheit nützlich sein und an
frühere, eher operative Fortschritte in diesem Bereich anknüpfen.“
Links:
Weimarer Dreieck -
Komitee zur Förderung der Deutsch-Französisch-Polnischen
Zusammenarbeit e. V.
Daniela Schwarzer, Kai Olaf
Lang:
„Das Weimarer Dreieck – mehr Schein als Sein“,
Gastbeitrag für
DIE ZEIT vom 7. Februar 2011
Veranstaltungsseite der Staatskanzlei des Freistaates Thüringen zum
Jubiläum mit Links
Verein „Weimarer Dreieck“ e.
V.
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