Die vergessene Eminenz
Stefan Appelius über den
ehemaligen SPD-Propagandachef Fritz Heine
Von
Roland
Detsch
"Ein Mann des Apparates, der nicht
viel sprach." Dies ist das Einzige, was Atbundeskanzler Helmut Schmidt
spontan einfällt, wenn er den Namen Fritz Heine hört. Warum ein Mann, der
ein Vierteljahrhundert lang zunächst als führendes Mitglied der Exil-SPD
(SoPaDe) in der NS-Zeit und als Propagandachef der Partei nach dem Krieg zu
den einflussreichsten Gestalten der deutschen Sozialdemokratie zählte, so gründlich
in Vergessenheit geraten konnte, versucht der Politikwissenschaftler Stefan
Appelius in Heine. Die SPD und der lange Weg zur Macht zu ergründen.
Mehr als die Hälfte des über 500
Seiten starken Buches widmet er sich dabei den aus dem Ausland gesteuerten und
von Gestapoagenten aus den eigenen Reihen häufig konterkarierten subversiven
Aktivitäten der Sozialdemokraten zwischen 1933 und 1945. Dieser Teil hätte
eine eigene Abhandlung verdient, zumal Fritz Heine als Koordinator des
Widerstandes im Reich und Experte für psychologische Kriegsführung zwar ein
wichtiges, aber eben nur eines von vielen Rädchen im Getriebe war. Ganz
anders sein Gewicht als SPD-Propagandachef nach dem Krieg. Als "graue
Eminenz" hinter Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer hatte Heine bis zu
seinem Sturz durch die Godesberger Reformer wesentlichen Anteil am Bild der
SPD als ewige "Neinsager-Partei" und Schrecken des Mittelstandes.
Und als Direktor der parteieigenen Konzentration GmbH war er zwar für den
Wiederaufbau der Parteipresse, als strikter Verfechter eines unzeitgemäßen
"Gesinnungsjournalismus" ("Politische Propaganda ist
gleichzeitig politische Erziehung") aber ebenso in erheblichem Maße für
ihren späteren Niedergang verantwortlich.
Die mit Mitteln der
Friedrich-Ebert-Stiftung geförderte "wissenschaftliche Biografie"
von Stefan Appelius zeichnet, gestützt auf Gespräche mit Fritz Heine und
objektivierende Zeitzeugenberichte sowie eine Fülle von Quellen, ein
detailliertes Bild der SPD-Geschichte vor der Godesberger Erneuerung. Indem es
die Jahre der Emigration rekonstruiert und die Ursachen für die
Erfolglosigkeit der Sozialdemokratie in den Gründerjahren der Bundesrepublik
analysiert, leistet es auch einen Beitrag zur deutschen Parteienforschung.
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