Kalkulierte Täuschung

Hans Blix über das absurde Theater im Vorfeld des Irak-Krieges

Von Roland Detsch

Es musste Bewunderung abnötigen, mit welch stoischer Gelassenheit der Chef der UN-Waffeninspekteure im Vorfeld des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges das absurde Theater um die Suche nach den "rauchenden Colts" Saddam Husseins ertrug. Auf dem Höhepunkt der Hysterie von aufgehetzten Medien verteufelt und zum feigen Dummkopf herabgewürdigt, nur weil er nicht bereit war, in einer undeklarierten irakischen "Drohne" -- einer Art ferngesteuertem Modellflugzeug mit Mopedmotor -- einen möglichen Massenvernichtungsbomber zu erkennen, hat Hans Blix längst wieder Oberwasser. Denn ein Jahr, nachdem seine zweihundertköpfige UNMOVIC-Truppe, die jährlich 80 Millionen Dollar kostete, durch eine 80 Milliarden Dollar teure Invasionsarmee von 300.000 Mann ersetzt wurde, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass alles doch nur einer fixen Idee der US-Regierung entsprang, wenn nicht sogar kalkulierter Täuschung.

Sein Buch Disarming Iraq ist auf Deutsch unter dem treffenden Titel Mission Irak. Wahrheit und Lügen erschienen. Frei vom Zwang diplomatischer Rücksichtnahmen lässt der schwedische Ex-Außenminister hier noch einmal die Ereignisse vor dem Krieg Revue passieren. Und liefert eine mögliche Erklärung für den sichtlich aufgesetzten Ernst und das mühsam unterdrückte Grinsen, mit denen George W. Bush und Donald Rumsfeld vor und während des Krieges vor die Kameras zu treten pflegten. Es war der Spaß, alle Welt an der Nase herumzuführen.

Die Risiken um der politischen Unterstützung wegen bewusst übertrieben zu haben, findet Blix allerdings alles andere als komisch: "Man weiß es und geht davon aus, dass Regierungen komplexe internationale Probleme vereinfachen müssen, um sie ihrem Publikum in demokratisch verfassten Staaten zu erklären. Aber Regierungen handeln nicht mit irgendeiner Ware, sondern übernehmen die politische Führung, und man sollte von ihnen ein gewisses Maß an Aufrichtigkeit fordern können, wenn sie ihre Verantwortung für Krieg und Frieden in der Welt wahrnehmen." Solche Kritik sowie sein Unverständnis, warum dubiosen Überläufern mehr Glauben geschenkt wurde als unabhängigen Inspektoren, richten sich auch an die Adresse der Briten.

Blix sieht den irakischen Diktator als Ersatzopfer für den entfleuchten Osama bin Laden. Er bezweifelt, dass sein Sturz schon vor dem 11. September 2001 auf der Agenda stand und zitiert in diesem Zusammenhang Dick Cheney fünf Tage nach den Terroranschlägen: "Saddam Hussein ist eingemacht." Uneingeschränkt teilt der Schwede die damalige Einschätzung von Colin Powell: "Ich glaube, unsere Politik der Eingrenzung war ein Erfolg. Wir konnten ihn in der Kiste halten." Heute offenbart sich, dass die von den Amerikanern bei aller Konzilianz gering geschätzte Arbeit von IAEO, UNMOVIC und zuvor UNSCOM im Verein mit militärischem, politischem und wirtschaftlichem Druck ein voller Erfolg waren. Blix: "Die Vereinten Nationen und mit ihnen die Welt hatten den Irak entwaffnet, ohne es selbst zu wissen."

Unbedingt lesenswert, auch wenn dem Buch in Stil, Aufbau und Übersetzung der enorme Zeitdruck vor dem international abgestimmten Erscheinungstermin zum Jahrestag der Irak-Invasion anzumerken ist!

Hans Blix:
Mission Irak. Wahrheit und Lügen
Droemer Vlg., Mchn. 2004 -- 352 Seiten
Hardcover -- € 19,90

 
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