Und Romulus
lebte doch!
Andrea Carandinis
Belege für die Historizität des römischen Gründungsmythos
Von
Roland
Detsch
Das
Herz des antiken Rom ist der Albtraum jedes Archäologen. Obwohl
man meinen könnte, es sei bereits komplett ausgegraben, ist man
bisher nur an ganz wenigen Stellen bis zum gewachsenen Boden
vorgedrungen. Kaum zu glauben, dass der Untergrund des imperialen
Stadtzentrums noch nicht einmal zu einem Prozent erforscht ist.
Einfach zu viele Relikte von unschätzbarem Wert türmen sich auf
den älteren Schichten. Umso erstaunlicher die Gewissheit, mit der
die Frühgeschichte Roms geschrieben wird. Doch Greifbares schert
die quellenfixierten Historiker ohnehin wenig.
Diese
bittere Erfahrung musste auch der Archäologe Andrea Carandini
machen, der Ende der achtziger Jahre auf dem Grundstück des
Kaiserpalastes von Augustus am Rande des Palatin eine sensationelle
Entdeckung machte. Bei Grabungen stieß er in einer Schicht aus der
Zeit um 730 v. Chr. auf eine uralte Stadtmauer, umgeben von einer
palisadenbegrenzten Freifläche, die nur allzu sehr an das legendäre
Pomerium des römischen Gründungsmythos erinnerte. Jenen heiligen
Bannkreis, den der hochmütige Remus verletzte, woraufhin er von
seinem Zwillingsbruders Romulus erschlagen wurde. Doch da
bekanntlich gerade unter Gelehrten und besonders häufig unter
Altertumsforschern nicht sein kann, was nicht sein darf, stieß
Carandini mit seinen Befunden auf wenig Gegenliebe. Schließlich
hatte man sich in der Zunft unlängst erst dazu durchgerungen, den
sagenhaften ersten König Romulus ins Reich der Fiktion zu
verweisen, den von antiken Historikern auf 753 datierten Stadtgründungsakt
Numa Pompilius zuzuschreiben und um über ein Jahrhundert zu
verschieben – und natürlich entsprechend an den Genealogien und
Jahreszahlen gefeilt.
La nascita di Roma lautet der Originaltitel des Buches, in dem Andrea
Carandini eine Lanze für die Historizität des römischen Gründungmythos
bricht und gegen wissenschaftliche Borniertheit anschreibt. Fünf
Jahre nach Erscheinen liegt diese fast 900 Seiten lange Mischung aus
Abhandlung und Abrechnung, gespickt mit Fakten und Argumenten nun
endlich auch in deutscher Übersetzung vor. Sicherlich keine ganz
leichte Kost, dafür aber in vielerlei Hinsicht lehrreich.
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