Verschrobenes
Deutschlandbild
Dan Diner über ein Volk
traditioneller Antiamerikanisten
Von
Roland
Detsch
Den
Deutschen schlechthin als notorischen Antiamerikanisten abzustempeln,
erscheint einigermaßen realitätsfremd in Zeiten, in denen die Jugend ihre
Idole in der amerikanischen Popkultur findet, ihre Eltern der amerikanischen
Lebens- und Unternehmenskultur huldigen und ihre Großeltern die
Wiederherstellung und Bewahrung von Frieden und Demokratie der
amerikanischen Freiheitskultur verdanken. Doch genau dies tut der Historiker
Dan Diner in seinem Buch Feindbild Amerika. Und zwar schon zum
wiederholten Mal, handelt es sich bei dieser erklärten Polemik doch
lediglich um einen Neuaufguss seiner Verkehrten Welten aus dem Jahre
1993, angereichert mit einer Analyse des 11. Septembers 2001.
Der Deutsche war, ist
und bleibt im Wesentlichen antijüdisch und antimodern -- ergo
antiamerikanisch. Und er steht damit in einer langen Tradition, die bis in
die Romantik zurückreicht. So lautet, überspitzt formuliert, die These des
in Jerusalem und Leipzig lehrenden Professors, zu deren Untermauerung ihm
noch die geistesgeschichtlich unbedeutsamsten Wirrköpfe als Kronzeugen
gerade recht kommen. Zwar konstatiert er generell eine aus alteuropäischen
Überlegenheitsdünkeln erwachsene latente Aversion in der Alten gegenüber
der Neuen Welt. Er empfindet diese jedoch in Deutschland als vergleichsweise
tiefsitzender und virulenter, was er nicht zuletzt auf die Kränkungen
zweier verlorener Kriege und die Minderwertigkeitsgefühle zurückführt,
eine amerikanische Gründung zu sein. Die angebliche Neigung hierzulande,
Amerika als Moloch der Moderne und Quelle allen Übels zu identifizieren,
diagnostiziert Diner als Ergebnis einer "verschrobenen Welterklärung,
einer affektgeladenen Rationalisierung von gesellschaftlich
Unverstandenem". Grotesk wird es, wenn er dies unterschwellig als
Antizipation jener Geisteshaltung in Teilen der Dritten Welt hinstellt, die
sich in den Wahnsinnstaten von New York und Washington ein Ventil suchte.
Als wirklich kritikwürdig an
den USA fällt Diner eigentlich nur die Todesstrafe ein. Dass die zweifellos
bewahrenswerten amerikanischen Ideale durch das Grassieren von Rassismus,
protestantischem Fundamentalismus, missionarischer Intoleranz, penetrantem
Patriotismus, weltanschaulichem Manichäismus, imperialer Selbstherrlichkeit
oder unilateraler Selbstgerechtigkeit konterkariert werden, übersieht er
geflissentlich. Ähnlich wie beim Totschlagsargument Antisemitismus in der
Diskussion über Israel wird hier jegliche auch noch so konkrete Kritik an
sozioökonomischen und politischen Missständen über den
Antiamerikanismus-Kamm geschoren. Über die Beständigkeit eines
Ressentiments lautet der Untertitel des Buches -- und charakterisiert
damit unabsichtlich die Einstellung des Autors gegenüber den Deutschen.
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