Schöne neue Welt?

Francis Fukuyama über ethische und soziopolitische Implikationen der Biotechnologie

Von Roland Detsch

Das Ebenbild Gottes nur Geschöpf oder auch Schöpfer? Diese Frage ist nicht nur theologisch relevant. Auch evolutionstheoretisch erscheint es plausibel, dass der Mensch an einem Punkt angelangt ist, an dem er seine weitere Entwicklung nicht mehr der natürlichen Selektion überlässt, sondern selbst in die Hand nimmt. Zehn Jahre nachdem er etwas vorschnell Das Ende der Geschichte verkündete, hat der amerikanische Ökonomie- und Kulturtheoretiker Francis Fukuyama ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel Our Posthuman Future. Consequences of the Biotechnology Revolution vorgelegt, in dem er sich dem ungebrochenen Fortschritt der Historie auf dem Felde der Naturwissenschaft stellt und mit den ethischen wie soziopolitischen Implikationen künstlicher Menschenoptimierung auseinandersetzt. Eine deutsche Übersetzung mit dem albernen Titel Das Ende des Menschen ist nun bei der DVA erschienen.

"Es gibt keine ein für allemal festgelegten menschlichen Eigenschaften, sieht man von der grundlegenden Fähigkeit ab, selbst zu entscheiden, was wir sein wollen", räumt der derzeitige bioethische Berater der Bush-Administration ein. Doch Agitation, Propaganda, Arbeitslager, Umerziehung, Freud'sche Psychoanalyse, frühkindliche Konditionierung, Behaviourismus -- all das mutet Fukuyama geradezu primitiv an verglichen mit den subtilen Methoden der Biotechnologie. Beispiel Neuropharmakologie: Die forcierte Verabreichung "kosmetischer Psychopharmaka" wie Prozac oder Ritalin zur Emotions- und Verhaltenssteuerung mit ihren begleitenden Konsumentenbegehrlichkeiten und Wirtschaftsinteressen gäben einen deutlichen Vorgeschmack auf die fatalen Folgen von Eingriffsmöglichkeiten in die Keimbahn. Doch auch ohne Genmanipulation und Menschenklone stellten die ersten drei Stufen der Biotechnologie -- Neuropharmakologie, Wissen um genetische Ursachenketten und Lebensverlängerung -- die menschliche Gleichheit bedenklich in Frage, gesellschaftliche Hierarchien auf den Kopf und eröffneten völlig neue Möglichkeiten zur sozialen Kontrolle. Was erst, wenn wir Menschen mit Sätteln auf dem Rücken oder mit Stiefeln und Sporen an den Füßen züchten können?

Francis Fukuyama warnt vor Defätismus gegenüber der Technik. Seine Mahnungen, Appelle und Vorschläge nationaler und internationaler Überwachungsgremien zeugen freilich von Ohnmacht. Aber immerhin sind sie nicht selbstverständlich für den Berater einer Regierung, die sich aus Wirtschaftsräson für gewöhnlich überhaupt nicht um Multilateralismus schert.

Francis Fukuyama
Das Ende des Menschen
Deutsche Vlg.-A., Stgt. 2002 -- 351 Seiten
Hardcover -- € 24,90
 
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