Der ewige
Individualist
Reinhold Michels
Annäherung an Otto Schily
Von
Roland
Detsch
Die
Rechten stempelten ihn schlicht zum Baader-Meinhof-Sympathisanten,
die Linken zum "liberalen Scheißer". Seit Otto Schily als
Bundesinnenminister vorführt, dass auch ein "Sozi"
energisch für innere Sicherheit und mehr Realismus in der
Zuwanderungspolitik streiten kann, gilt er den einen als
opportunistischer Karrierist, den anderen als "Kanther ohne
Scheitel". Dass er sich bei ihm zwar um einen "seltenen
Vogel unter vielen Sperlingen" im Berliner Politikbetrieb
handelt, beileibe aber keinen Wendehals, macht Reinhold Michels in
seinem Buch Otto Schily. Eine Biographie deutlich.
Zwei Jahre vor dem
angekündigtem Rückzug aus der Politik hält der Innenressortleiter
der konservativen Rheinischen Post Rückschau auf die
wechselvolle Vita des dann Siebzigjährigen, den er für einen
echten "Aktivposten" der Regierung Schröder hält.
Michels zeichnet das Bild eines ewigen Individualisten, der sich
trotz seiner Wendungen stets treu geblieben ist. Er berichtet vom
"Kopfmenschen und Musensohn" aus tolerantem großbürgerlichem
Anthroposophen-Elternhaus, vom politischen Moralisten, dessen Hang
zum Weltverbesserischen ihn an die Seite der revolutionären Linken,
der Friedensbewegung und der Grünen trieb.
Schily könne nur
diejenigen überraschen, die ihn nicht kennen. Stets habe er
Menschen mit doktrinären Scheuklappen abgelehnt. Und selbst in
seinen "wildesten" Zeiten als systemkritischer Staradvokat
sei er unbedingt für einen intakten Staat eingetreten -- und zwar für
einen, der auch Top-Terroristen eine optimale Prozessvertretung einräumt
und der sich selbst an die von ihm aufgestellten Regeln strikt hält,
der nicht exzessiv, aber wehrhaft gegen jeden agiert, der ihm die
Wurzeln zu beschneiden trachtet -- sei es ein gemeiner Krimineller
oder ein hochrangiger Staatsdiener.
Dank nötiger
Objektivität und Einfühlungsvermögen ist es Reinhold Michels in
seinem Buch gelungen, in wohltuender Kürze und Prägnanz der
vielschichtigen Persönlichkeit Otto Schilys gerecht zu werden. |